Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Geschichte
gen, verbunden bin: so habe ich doch bisweilen
gewünschet, daß es GOtt gefallen hätte, mich in
meinem lctzten Fieber wegzunehmen, als ich mich
noch jedermanns Liebe und guter Meynung zu er-
freuen hatte; und noch öfter habe ich gewünschet,
daß mein Groß-Vater mir in seinem letzten Wil-
len nicht so viel zum voraus vermacht hätte. Denn
diese seine Güte hat, wie ich muthmasse, das Hertz
meines Bruders und meiner Schwester von mir
abgewandt, und wenigstens einigen Neid auf die
Gewogenheit meiner Vater-Brüder gegen mich
bey Jhnen erwecket, welcher Jhre Liebe biswei-
len verdunckelt.

Da mein Bruder von seinem Fieber glücklich
wieder hergestellet ist, und man in Ansehung sei-
ner Wunde auch gute Hoffnung hat, ob er sich
gleich noch nicht ausgewaget: so will ich in Er-
zählung unserer Kleinigkeiten, so umständlich
seyn, als Sie verlangen. Aber GOtt verhüte,
daß niemals ein neues Unglück möge Anlaß ge-
ben, diese Nachricht zu dem Zwecke, dessen Sie
so gütig erwähnen, anderen vorzuzeigen.

Jch will Jhrem Befehl gemäß von der ersten
Bewerbung des Herrn Lovelace um meine
Schwester den Anfang machen, und so kurtz seyn
als mögltch ist. Jch will nur die Sachen erzäh-
len, und Jhnen überlassen, von der Wahrheit des
Gerüchts zu urtheilen, daß die jüngere Schwe-
ster der ältern ein Hertz gestohlen habe. Es gescha-
he zu folge einer Berathschlagung zwischen dem
Lord M. und meines Vaters Bruder Anton/

daß

Die Geſchichte
gen, verbunden bin: ſo habe ich doch bisweilen
gewuͤnſchet, daß es GOtt gefallen haͤtte, mich in
meinem lctzten Fieber wegzunehmen, als ich mich
noch jedermanns Liebe und guter Meynung zu er-
freuen hatte; und noch oͤfter habe ich gewuͤnſchet,
daß mein Groß-Vater mir in ſeinem letzten Wil-
len nicht ſo viel zum voraus vermacht haͤtte. Denn
dieſe ſeine Guͤte hat, wie ich muthmaſſe, das Hertz
meines Bruders und meiner Schweſter von mir
abgewandt, und wenigſtens einigen Neid auf die
Gewogenheit meiner Vater-Bruͤder gegen mich
bey Jhnen erwecket, welcher Jhre Liebe biswei-
len verdunckelt.

Da mein Bruder von ſeinem Fieber gluͤcklich
wieder hergeſtellet iſt, und man in Anſehung ſei-
ner Wunde auch gute Hoffnung hat, ob er ſich
gleich noch nicht ausgewaget: ſo will ich in Er-
zaͤhlung unſerer Kleinigkeiten, ſo umſtaͤndlich
ſeyn, als Sie verlangen. Aber GOtt verhuͤte,
daß niemals ein neues Ungluͤck moͤge Anlaß ge-
ben, dieſe Nachricht zu dem Zwecke, deſſen Sie
ſo guͤtig erwaͤhnen, anderen vorzuzeigen.

Jch will Jhrem Befehl gemaͤß von der erſten
Bewerbung des Herrn Lovelace um meine
Schweſter den Anfang machen, und ſo kurtz ſeyn
als moͤgltch iſt. Jch will nur die Sachen erzaͤh-
len, und Jhnen uͤberlaſſen, von der Wahrheit des
Geruͤchts zu urtheilen, daß die juͤngere Schwe-
ſter der aͤltern ein Hertz geſtohlen habe. Es geſcha-
he zu folge einer Berathſchlagung zwiſchen dem
Lord M. und meines Vaters Bruder Anton/

daß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0028" n="8"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Ge&#x017F;chichte</hi></hi></fw><lb/>
gen, verbunden bin: &#x017F;o habe ich doch bisweilen<lb/>
gewu&#x0364;n&#x017F;chet, daß es GOtt gefallen ha&#x0364;tte, mich in<lb/>
meinem lctzten Fieber wegzunehmen, als ich mich<lb/>
noch jedermanns Liebe und guter Meynung zu er-<lb/>
freuen hatte; und noch o&#x0364;fter habe ich gewu&#x0364;n&#x017F;chet,<lb/>
daß mein Groß-Vater mir in &#x017F;einem letzten Wil-<lb/>
len nicht &#x017F;o viel zum voraus vermacht ha&#x0364;tte. Denn<lb/>
die&#x017F;e &#x017F;eine Gu&#x0364;te hat, wie ich muthma&#x017F;&#x017F;e, das Hertz<lb/>
meines Bruders und meiner Schwe&#x017F;ter von mir<lb/>
abgewandt, und wenig&#x017F;tens einigen Neid auf die<lb/>
Gewogenheit meiner Vater-Bru&#x0364;der gegen mich<lb/>
bey Jhnen erwecket, welcher Jhre Liebe biswei-<lb/>
len verdunckelt.</p><lb/>
          <p>Da mein Bruder von &#x017F;einem Fieber glu&#x0364;cklich<lb/>
wieder herge&#x017F;tellet i&#x017F;t, und man in An&#x017F;ehung &#x017F;ei-<lb/>
ner Wunde auch gute Hoffnung hat, ob er &#x017F;ich<lb/>
gleich noch nicht ausgewaget: &#x017F;o will ich in Er-<lb/>
za&#x0364;hlung un&#x017F;erer Kleinigkeiten, &#x017F;o um&#x017F;ta&#x0364;ndlich<lb/>
&#x017F;eyn, als Sie verlangen. Aber GOtt verhu&#x0364;te,<lb/>
daß niemals ein neues Unglu&#x0364;ck mo&#x0364;ge Anlaß ge-<lb/>
ben, die&#x017F;e Nachricht zu dem Zwecke, de&#x017F;&#x017F;en Sie<lb/>
&#x017F;o gu&#x0364;tig erwa&#x0364;hnen, anderen vorzuzeigen.</p><lb/>
          <p>Jch will Jhrem Befehl gema&#x0364;ß von der er&#x017F;ten<lb/>
Bewerbung des Herrn <hi rendition="#fr">Lovelace</hi> um meine<lb/>
Schwe&#x017F;ter den Anfang machen, und &#x017F;o kurtz &#x017F;eyn<lb/>
als mo&#x0364;gltch i&#x017F;t. Jch will nur die Sachen erza&#x0364;h-<lb/>
len, und Jhnen u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en, von der Wahrheit des<lb/>
Geru&#x0364;chts zu urtheilen, daß die ju&#x0364;ngere Schwe-<lb/>
&#x017F;ter der a&#x0364;ltern ein Hertz ge&#x017F;tohlen habe. Es ge&#x017F;cha-<lb/>
he zu folge einer Berath&#x017F;chlagung zwi&#x017F;chen dem<lb/>
Lord <hi rendition="#fr">M.</hi> und meines Vaters Bruder <hi rendition="#fr">Anton/</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">daß</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0028] Die Geſchichte gen, verbunden bin: ſo habe ich doch bisweilen gewuͤnſchet, daß es GOtt gefallen haͤtte, mich in meinem lctzten Fieber wegzunehmen, als ich mich noch jedermanns Liebe und guter Meynung zu er- freuen hatte; und noch oͤfter habe ich gewuͤnſchet, daß mein Groß-Vater mir in ſeinem letzten Wil- len nicht ſo viel zum voraus vermacht haͤtte. Denn dieſe ſeine Guͤte hat, wie ich muthmaſſe, das Hertz meines Bruders und meiner Schweſter von mir abgewandt, und wenigſtens einigen Neid auf die Gewogenheit meiner Vater-Bruͤder gegen mich bey Jhnen erwecket, welcher Jhre Liebe biswei- len verdunckelt. Da mein Bruder von ſeinem Fieber gluͤcklich wieder hergeſtellet iſt, und man in Anſehung ſei- ner Wunde auch gute Hoffnung hat, ob er ſich gleich noch nicht ausgewaget: ſo will ich in Er- zaͤhlung unſerer Kleinigkeiten, ſo umſtaͤndlich ſeyn, als Sie verlangen. Aber GOtt verhuͤte, daß niemals ein neues Ungluͤck moͤge Anlaß ge- ben, dieſe Nachricht zu dem Zwecke, deſſen Sie ſo guͤtig erwaͤhnen, anderen vorzuzeigen. Jch will Jhrem Befehl gemaͤß von der erſten Bewerbung des Herrn Lovelace um meine Schweſter den Anfang machen, und ſo kurtz ſeyn als moͤgltch iſt. Jch will nur die Sachen erzaͤh- len, und Jhnen uͤberlaſſen, von der Wahrheit des Geruͤchts zu urtheilen, daß die juͤngere Schwe- ſter der aͤltern ein Hertz geſtohlen habe. Es geſcha- he zu folge einer Berathſchlagung zwiſchen dem Lord M. und meines Vaters Bruder Anton/ daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/28
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/28>, abgerufen am 23.11.2024.