Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

der Clarissa.
"gutem Grunde vermuthe, daß blos seine
"Werthschätzung für mich ihn abgehalten, sich
"und seine Familie nicht zu rächen: so frage
"ich sie selbst, wie soll ich es anfangen? Wol-
"len sie, daß ich ihn desperat mache?

"Die Gesetze werden uns schützen, mein Kind,
"die Obrigkeit wird - -

"Aber kan nicht vorher ein Unglück vorgehen?
"Die Gesetze schlaffen, so lange sie niemand
"übertrit.

"Du hast mir ein Versprechen gegeben, wenn
"ich nur diesen Zweifel heben könnte. Jst das
"dein Ernst, Clärchen? Willst du würcklich den
"Briefwechsel mit Herrn Lovelace unter dieser
"Bedingung völlig abbrechen. Das sage mir!

"Ja es ist mein Ernst: ich will es thun.
"Sie können selbst alle Briefe sehen, die wir
"gewechselt haben. Sie werden sehen, daß
"ich ihm nicht die geringste Hoffnung, die mit
"dem kindlichen Gehorsam nicht bestehen könn-
"te, gemacht habe. Nach Durchlesung dieser
"Briefe werden sie mir besser sagen können, wie
"ich unsere schrifftliche Unterhandlung sicher
"abbrechen könne."

"Jch halte dich bey deinem Worte, Clär-
"chen/
gib mir seine Briefe an dich, und die
"Aufsätze von deinen Briefen an ihn.

"Jch hoffe, sie werden so gütig seyn, es für
"sich allein zu behalten, was ich geschrieben
"habe, und überhaupt, daß ich mit ihm Briefe
"wechsele - - - -

"Keine

der Clariſſa.
„gutem Grunde vermuthe, daß blos ſeine
„Werthſchaͤtzung fuͤr mich ihn abgehalten, ſich
„und ſeine Familie nicht zu raͤchen: ſo frage
„ich ſie ſelbſt, wie ſoll ich es anfangen? Wol-
„len ſie, daß ich ihn deſperat mache?

„Die Geſetze werden uns ſchuͤtzen, mein Kind,
„die Obrigkeit wird ‒ ‒

„Aber kan nicht vorher ein Ungluͤck vorgehen?
„Die Geſetze ſchlaffen, ſo lange ſie niemand
„uͤbertrit.

„Du haſt mir ein Verſprechen gegeben, wenn
„ich nur dieſen Zweifel heben koͤnnte. Jſt das
„dein Ernſt, Claͤrchen? Willſt du wuͤrcklich den
„Briefwechſel mit Herrn Lovelace unter dieſer
„Bedingung voͤllig abbrechen. Das ſage mir!

„Ja es iſt mein Ernſt: ich will es thun.
„Sie koͤnnen ſelbſt alle Briefe ſehen, die wir
„gewechſelt haben. Sie werden ſehen, daß
„ich ihm nicht die geringſte Hoffnung, die mit
„dem kindlichen Gehorſam nicht beſtehen koͤnn-
„te, gemacht habe. Nach Durchleſung dieſer
„Briefe werden ſie mir beſſer ſagen koͤnnen, wie
„ich unſere ſchrifftliche Unterhandlung ſicher
„abbrechen koͤnne.„

„Jch halte dich bey deinem Worte, Claͤr-
„chen/
gib mir ſeine Briefe an dich, und die
„Aufſaͤtze von deinen Briefen an ihn.

„Jch hoffe, ſie werden ſo guͤtig ſeyn, es fuͤr
„ſich allein zu behalten, was ich geſchrieben
„habe, und uͤberhaupt, daß ich mit ihm Briefe
„wechſele ‒ ‒ ‒ ‒

„Keine
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0209" n="189"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">der Clari&#x017F;&#x017F;a.</hi></hi></fw><lb/>
&#x201E;gutem Grunde vermuthe, daß blos &#x017F;eine<lb/>
&#x201E;Werth&#x017F;cha&#x0364;tzung fu&#x0364;r mich ihn abgehalten, &#x017F;ich<lb/>
&#x201E;und &#x017F;eine Familie nicht zu ra&#x0364;chen: &#x017F;o frage<lb/>
&#x201E;ich &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t, wie &#x017F;oll ich es anfangen? Wol-<lb/>
&#x201E;len &#x017F;ie, daß ich ihn de&#x017F;perat mache?</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die Ge&#x017F;etze werden uns &#x017F;chu&#x0364;tzen, mein Kind,<lb/>
&#x201E;die Obrigkeit wird &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber kan nicht vorher ein Unglu&#x0364;ck vorgehen?<lb/>
&#x201E;Die Ge&#x017F;etze &#x017F;chlaffen, &#x017F;o lange &#x017F;ie niemand<lb/>
&#x201E;u&#x0364;bertrit.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du ha&#x017F;t mir ein Ver&#x017F;prechen gegeben, wenn<lb/>
&#x201E;ich nur die&#x017F;en Zweifel heben ko&#x0364;nnte. J&#x017F;t das<lb/>
&#x201E;dein Ern&#x017F;t, <hi rendition="#fr">Cla&#x0364;rchen?</hi> Will&#x017F;t du wu&#x0364;rcklich den<lb/>
&#x201E;Briefwech&#x017F;el mit Herrn <hi rendition="#fr">Lovelace</hi> unter die&#x017F;er<lb/>
&#x201E;Bedingung vo&#x0364;llig abbrechen. Das &#x017F;age mir!</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja es i&#x017F;t mein Ern&#x017F;t: ich will es thun.<lb/>
&#x201E;Sie ko&#x0364;nnen &#x017F;elb&#x017F;t alle Briefe &#x017F;ehen, die wir<lb/>
&#x201E;gewech&#x017F;elt haben. Sie werden &#x017F;ehen, daß<lb/>
&#x201E;ich ihm nicht die gering&#x017F;te Hoffnung, die mit<lb/>
&#x201E;dem kindlichen Gehor&#x017F;am nicht be&#x017F;tehen ko&#x0364;nn-<lb/>
&#x201E;te, gemacht habe. Nach Durchle&#x017F;ung die&#x017F;er<lb/>
&#x201E;Briefe werden &#x017F;ie mir be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;agen ko&#x0364;nnen, wie<lb/>
&#x201E;ich un&#x017F;ere &#x017F;chrifftliche Unterhandlung &#x017F;icher<lb/>
&#x201E;abbrechen ko&#x0364;nne.&#x201E;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jch halte dich bey deinem Worte, <hi rendition="#fr">Cla&#x0364;r-<lb/>
&#x201E;chen/</hi> gib mir &#x017F;eine Briefe an dich, und die<lb/>
&#x201E;Auf&#x017F;a&#x0364;tze von deinen Briefen an ihn.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jch hoffe, &#x017F;ie werden &#x017F;o gu&#x0364;tig &#x017F;eyn, es fu&#x0364;r<lb/>
&#x201E;&#x017F;ich allein zu behalten, was ich ge&#x017F;chrieben<lb/>
&#x201E;habe, und u&#x0364;berhaupt, daß ich mit ihm Briefe<lb/>
&#x201E;wech&#x017F;ele &#x2012; &#x2012; &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Keine</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[189/0209] der Clariſſa. „gutem Grunde vermuthe, daß blos ſeine „Werthſchaͤtzung fuͤr mich ihn abgehalten, ſich „und ſeine Familie nicht zu raͤchen: ſo frage „ich ſie ſelbſt, wie ſoll ich es anfangen? Wol- „len ſie, daß ich ihn deſperat mache? „Die Geſetze werden uns ſchuͤtzen, mein Kind, „die Obrigkeit wird ‒ ‒ „Aber kan nicht vorher ein Ungluͤck vorgehen? „Die Geſetze ſchlaffen, ſo lange ſie niemand „uͤbertrit. „Du haſt mir ein Verſprechen gegeben, wenn „ich nur dieſen Zweifel heben koͤnnte. Jſt das „dein Ernſt, Claͤrchen? Willſt du wuͤrcklich den „Briefwechſel mit Herrn Lovelace unter dieſer „Bedingung voͤllig abbrechen. Das ſage mir! „Ja es iſt mein Ernſt: ich will es thun. „Sie koͤnnen ſelbſt alle Briefe ſehen, die wir „gewechſelt haben. Sie werden ſehen, daß „ich ihm nicht die geringſte Hoffnung, die mit „dem kindlichen Gehorſam nicht beſtehen koͤnn- „te, gemacht habe. Nach Durchleſung dieſer „Briefe werden ſie mir beſſer ſagen koͤnnen, wie „ich unſere ſchrifftliche Unterhandlung ſicher „abbrechen koͤnne.„ „Jch halte dich bey deinem Worte, Claͤr- „chen/ gib mir ſeine Briefe an dich, und die „Aufſaͤtze von deinen Briefen an ihn. „Jch hoffe, ſie werden ſo guͤtig ſeyn, es fuͤr „ſich allein zu behalten, was ich geſchrieben „habe, und uͤberhaupt, daß ich mit ihm Briefe „wechſele ‒ ‒ ‒ ‒ „Keine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/209
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/209>, abgerufen am 04.05.2024.