"Aus Liebe zu dir, Clärchen/ verspricht er "eben so vieles. Du bist die allerletzte, die ihm "seine Gütigkeit gegen dich vorwerfen darf."
"Vergönnen Sie mir dis zu sagen. Wer "wahre Glückseligkeit höher schätzt, als Geld, "wie ich thue, die ich nicht einmal so viel brauche "als ich habe, und das meinige zum Zeichen mei- "nes Gehorsams fahren lassen kan - -"
"Nichts mehr! nichts mehr von deinen guten "Wercken. Du weißt, daß du durch die Probe, "die du mit Freuden von deinem Gehorsam ge- "geben hast, nichts verlieren sondern gewinnen "wirst. Du hast nur dein Brod über das "Wasser fahren lassen. Sage also nichts mehr "davon. Es sieht es nicht jedermann für ein "gutes Werck an: ob ich es gleich für ein sehr "gutes Werck halte. Und so urtheilten auch dein "Vater und seine Brüder damahls davon."
Damahls! "sagen sie. O wie niederträch- "tig handelt mein Bruder und meine Schwester, "weil sie besorgen, daß die Liebe, die alle noch "vor kurtzen auf mich wurfen - -"
"Jch höre keine Klage gegen deinen Bruder "und Schwester an. Was für Streitigkeiten in "unserer Familie sehe ich zu einer Zeit zum voraus, "in welcher ich hoffete, daß ihr alle der Trost, "meiner zunehmenden Jahre werden solltet!"
"GOtt gebe sein Gedeyen zu allen großmü- "thigen Absichten meines Bruders und meiner "Schwester! Jch will keine Streitigkeiten in der
"Familie
Die Geſchichte
„hen will? kan der ein gutes Gemuͤth haben?„
„Aus Liebe zu dir, Claͤrchen/ verſpricht er „eben ſo vieles. Du biſt die allerletzte, die ihm „ſeine Guͤtigkeit gegen dich vorwerfen darf.„
„Vergoͤnnen Sie mir dis zu ſagen. Wer „wahre Gluͤckſeligkeit hoͤher ſchaͤtzt, als Geld, „wie ich thue, die ich nicht einmal ſo viel brauche „als ich habe, und das meinige zum Zeichen mei- „nes Gehorſams fahren laſſen kan ‒ ‒„
„Nichts mehr! nichts mehr von deinen guten „Wercken. Du weißt, daß du durch die Probe, „die du mit Freuden von deinem Gehorſam ge- „geben haſt, nichts verlieren ſondern gewinnen „wirſt. Du haſt nur dein Brod uͤber das „Waſſer fahren laſſen. Sage alſo nichts mehr „davon. Es ſieht es nicht jedermann fuͤr ein „gutes Werck an: ob ich es gleich fuͤr ein ſehr „gutes Werck halte. Und ſo urtheilten auch dein „Vater und ſeine Bruͤder damahls davon.„
Damahls! „ſagen ſie. O wie niedertraͤch- „tig handelt mein Bruder und meine Schweſter, „weil ſie beſorgen, daß die Liebe, die alle noch „vor kurtzen auf mich wurfen ‒ ‒„
„Jch hoͤre keine Klage gegen deinen Bruder „und Schweſter an. Was fuͤr Streitigkeiten in „unſerer Familie ſehe ich zu einer Zeit zum voraus, „in welcher ich hoffete, daß ihr alle der Troſt, „meiner zunehmenden Jahre werden ſolltet!„
„GOtt gebe ſein Gedeyen zu allen großmuͤ- „thigen Abſichten meines Bruders und meiner „Schweſter! Jch will keine Streitigkeiten in der
„Familie
<TEI><text><body><divn="2"><p><pbfacs="#f0190"n="170"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Die Geſchichte</hi></hi></fw><lb/>„hen will? kan der ein gutes Gemuͤth haben?„</p><lb/><p>„Aus Liebe zu dir, <hirendition="#fr">Claͤrchen/</hi> verſpricht er<lb/>„eben ſo vieles. Du biſt die allerletzte, die ihm<lb/>„ſeine Guͤtigkeit gegen dich <choice><sic>vorwerfeu</sic><corr>vorwerfen</corr></choice> darf.„</p><lb/><p>„Vergoͤnnen Sie mir dis zu ſagen. Wer<lb/>„wahre Gluͤckſeligkeit hoͤher ſchaͤtzt, als Geld,<lb/>„wie ich thue, die ich nicht einmal ſo viel brauche<lb/>„als ich habe, und das meinige zum Zeichen mei-<lb/>„nes Gehorſams fahren laſſen kan ‒‒„</p><lb/><p>„Nichts mehr! nichts mehr von deinen guten<lb/>„Wercken. Du weißt, daß du durch die Probe,<lb/>„die du mit Freuden von deinem Gehorſam ge-<lb/>„geben haſt, nichts verlieren ſondern gewinnen<lb/>„wirſt. Du haſt nur dein Brod uͤber das<lb/>„Waſſer fahren laſſen. Sage alſo nichts mehr<lb/>„davon. Es ſieht es nicht jedermann fuͤr ein<lb/>„<choice><sic>gures</sic><corr>gutes</corr></choice> Werck an: ob ich es gleich fuͤr ein ſehr<lb/>„gutes Werck halte. Und ſo urtheilten auch dein<lb/>„Vater und ſeine Bruͤder damahls davon.„</p><lb/><p><hirendition="#fr">Damahls!</hi>„ſagen ſie. O wie niedertraͤch-<lb/>„tig handelt mein Bruder und meine Schweſter,<lb/>„weil ſie beſorgen, daß die Liebe, die alle noch<lb/>„vor kurtzen auf mich wurfen ‒‒„</p><lb/><p>„Jch hoͤre keine Klage gegen deinen Bruder<lb/>„und Schweſter an. Was fuͤr Streitigkeiten in<lb/>„unſerer Familie ſehe ich zu einer Zeit zum voraus,<lb/>„in welcher ich hoffete, daß ihr alle der Troſt,<lb/>„meiner zunehmenden Jahre werden ſolltet!„</p><lb/><p>„GOtt gebe ſein Gedeyen zu allen großmuͤ-<lb/>„thigen Abſichten meines Bruders und meiner<lb/>„Schweſter! Jch will keine Streitigkeiten in der<lb/><fwplace="bottom"type="catch">„Familie</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[170/0190]
Die Geſchichte
„hen will? kan der ein gutes Gemuͤth haben?„
„Aus Liebe zu dir, Claͤrchen/ verſpricht er
„eben ſo vieles. Du biſt die allerletzte, die ihm
„ſeine Guͤtigkeit gegen dich vorwerfen darf.„
„Vergoͤnnen Sie mir dis zu ſagen. Wer
„wahre Gluͤckſeligkeit hoͤher ſchaͤtzt, als Geld,
„wie ich thue, die ich nicht einmal ſo viel brauche
„als ich habe, und das meinige zum Zeichen mei-
„nes Gehorſams fahren laſſen kan ‒ ‒„
„Nichts mehr! nichts mehr von deinen guten
„Wercken. Du weißt, daß du durch die Probe,
„die du mit Freuden von deinem Gehorſam ge-
„geben haſt, nichts verlieren ſondern gewinnen
„wirſt. Du haſt nur dein Brod uͤber das
„Waſſer fahren laſſen. Sage alſo nichts mehr
„davon. Es ſieht es nicht jedermann fuͤr ein
„gutes Werck an: ob ich es gleich fuͤr ein ſehr
„gutes Werck halte. Und ſo urtheilten auch dein
„Vater und ſeine Bruͤder damahls davon.„
Damahls! „ſagen ſie. O wie niedertraͤch-
„tig handelt mein Bruder und meine Schweſter,
„weil ſie beſorgen, daß die Liebe, die alle noch
„vor kurtzen auf mich wurfen ‒ ‒„
„Jch hoͤre keine Klage gegen deinen Bruder
„und Schweſter an. Was fuͤr Streitigkeiten in
„unſerer Familie ſehe ich zu einer Zeit zum voraus,
„in welcher ich hoffete, daß ihr alle der Troſt,
„meiner zunehmenden Jahre werden ſolltet!„
„GOtt gebe ſein Gedeyen zu allen großmuͤ-
„thigen Abſichten meines Bruders und meiner
„Schweſter! Jch will keine Streitigkeiten in der
„Familie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/190>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.