Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Geschichte
Was sollen diese Seuffzer! Soll die blosse
Furcht, daß ich dich zum Gehorsam er-
mahnen muß/ dich in solche Unruhe setzen,
daß du ehe ich noch anfange zu reden - - -
Es ist mir lieb/ mein
Hertz/ daß du nun
schon rathen kanst/ was ich zu sagen ha-
be. Jch bin nun der Mühe überhoben/
dir das zu eröffnen/ was mir würde so
schwer geworden seyn/ und was ich doch
über mich genommen hatte/ dir zu sagen.

Hierauf stund sie auf, um einen Stuhl herbey
zu ziehen. Jch muste mich, so wie ich war, da
ich mir aus Furcht vor dem was sie zu sagen
hatte, und aus Danckbarkeit gegen ihr mütterli-
ches Hertz, der Thränen nicht enthalten konnte,
bey ihr niedersetzen. Seuffzer blieben noch die
eintzige Sprache, die ich reden konnte. Sie zog
ihren Stuhl noch näher an meinen, und umfas-
sete mich mit ihren zärtlichen Armen, und drück-
te meinen glüenden Hals, den sie mit Thränen
befeuchtet hatte, an den ihrigen: laß mich denn
reden/ mein Kind/ weil du doch nicht re-
den willst.
Höre mir denn zu; und falle
mir nun auch nicht in die Rede.

Du weißt/ mein Kind/ was ich täglich
auszustehen habe/ um Frieden zu erhalten.
Dein Vater ist ein guter Mann und mei-
net es recht gut: aber er will sich weder
einreden/ noch sich überreden lassen. Du
hast bisweilen mit mir Mitleiden gehabt/
daß ich in allen Dingen nachgeben muß.

Der

Die Geſchichte
Was ſollen dieſe Seuffzer! Soll die bloſſe
Furcht, daß ich dich zum Gehorſam er-
mahnen muß/ dich in ſolche Unruhe ſetzen,
daß du ehe ich noch anfange zu reden ‒ ‒ ‒
Es iſt mir lieb/ mein
Hertz/ daß du nun
ſchon rathen kanſt/ was ich zu ſagen ha-
be. Jch bin nun der Muͤhe uͤberhoben/
dir das zu eroͤffnen/ was mir wuͤrde ſo
ſchwer geworden ſeyn/ und was ich doch
uͤber mich genommen hatte/ dir zu ſagen.

Hierauf ſtund ſie auf, um einen Stuhl herbey
zu ziehen. Jch muſte mich, ſo wie ich war, da
ich mir aus Furcht vor dem was ſie zu ſagen
hatte, und aus Danckbarkeit gegen ihr muͤtterli-
ches Hertz, der Thraͤnen nicht enthalten konnte,
bey ihr niederſetzen. Seuffzer blieben noch die
eintzige Sprache, die ich reden konnte. Sie zog
ihren Stuhl noch naͤher an meinen, und umfaſ-
ſete mich mit ihren zaͤrtlichen Armen, und druͤck-
te meinen gluͤenden Hals, den ſie mit Thraͤnen
befeuchtet hatte, an den ihrigen: laß mich denn
reden/ mein Kind/ weil du doch nicht re-
den willſt.
Hoͤre mir denn zu; und falle
mir nun auch nicht in die Rede.

Du weißt/ mein Kind/ was ich taͤglich
auszuſtehen habe/ um Frieden zu erhalten.
Dein Vater iſt ein guter Mann und mei-
net es recht gut: aber er will ſich weder
einreden/ noch ſich uͤberreden laſſen. Du
haſt bisweilen mit mir Mitleiden gehabt/
daß ich in allen Dingen nachgeben muß.

Der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0178" n="158"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Ge&#x017F;chichte</hi></hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">Was &#x017F;ollen die&#x017F;e Seuffzer! Soll die blo&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Furcht, daß ich dich zum Gehor&#x017F;am er-<lb/>
mahnen muß/ dich in &#x017F;olche Unruhe &#x017F;etzen,<lb/>
daß du ehe ich noch anfange zu reden &#x2012; &#x2012; &#x2012;<lb/>
Es i&#x017F;t mir lieb/ mein</hi> H<hi rendition="#fr">ertz/ daß du nun<lb/>
&#x017F;chon rathen kan&#x017F;t/ was ich zu &#x017F;agen ha-<lb/>
be. Jch bin nun der Mu&#x0364;he u&#x0364;berhoben/<lb/>
dir das zu ero&#x0364;ffnen/ was mir wu&#x0364;rde &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chwer geworden &#x017F;eyn/ und was ich doch<lb/>
u&#x0364;ber mich genommen hatte/ dir zu &#x017F;agen.</hi></p><lb/>
        <p>Hierauf &#x017F;tund &#x017F;ie auf, um einen Stuhl herbey<lb/>
zu ziehen. Jch mu&#x017F;te mich, &#x017F;o wie ich war, da<lb/>
ich mir aus Furcht vor dem was &#x017F;ie zu &#x017F;agen<lb/>
hatte, und aus Danckbarkeit gegen ihr mu&#x0364;tterli-<lb/>
ches Hertz, der Thra&#x0364;nen nicht enthalten konnte,<lb/>
bey ihr nieder&#x017F;etzen. Seuffzer blieben noch die<lb/>
eintzige Sprache, die ich reden konnte. Sie zog<lb/>
ihren Stuhl noch na&#x0364;her an meinen, und umfa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ete mich mit ihren za&#x0364;rtlichen Armen, und dru&#x0364;ck-<lb/>
te meinen glu&#x0364;enden Hals, den &#x017F;ie mit Thra&#x0364;nen<lb/>
befeuchtet hatte, an den ihrigen: <hi rendition="#fr">laß mich denn<lb/>
reden/ mein Kind/ weil du doch nicht re-<lb/>
den will&#x017F;t.</hi> H<hi rendition="#fr">o&#x0364;re mir denn zu; und falle<lb/>
mir nun auch nicht in die Rede.</hi></p><lb/>
        <p> <hi rendition="#fr">Du weißt/ mein Kind/ was ich ta&#x0364;glich<lb/>
auszu&#x017F;tehen habe/ um Frieden zu erhalten.<lb/>
Dein Vater i&#x017F;t ein guter Mann und mei-<lb/>
net es recht gut: aber er will &#x017F;ich weder<lb/>
einreden/ noch &#x017F;ich u&#x0364;berreden la&#x017F;&#x017F;en. Du<lb/>
ha&#x017F;t bisweilen mit mir Mitleiden gehabt/<lb/>
daß ich in allen Dingen nachgeben <choice><sic>mnß</sic><corr>muß</corr></choice>.</hi><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Der</hi> </fw><lb/>
        </p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158/0178] Die Geſchichte Was ſollen dieſe Seuffzer! Soll die bloſſe Furcht, daß ich dich zum Gehorſam er- mahnen muß/ dich in ſolche Unruhe ſetzen, daß du ehe ich noch anfange zu reden ‒ ‒ ‒ Es iſt mir lieb/ mein Hertz/ daß du nun ſchon rathen kanſt/ was ich zu ſagen ha- be. Jch bin nun der Muͤhe uͤberhoben/ dir das zu eroͤffnen/ was mir wuͤrde ſo ſchwer geworden ſeyn/ und was ich doch uͤber mich genommen hatte/ dir zu ſagen. Hierauf ſtund ſie auf, um einen Stuhl herbey zu ziehen. Jch muſte mich, ſo wie ich war, da ich mir aus Furcht vor dem was ſie zu ſagen hatte, und aus Danckbarkeit gegen ihr muͤtterli- ches Hertz, der Thraͤnen nicht enthalten konnte, bey ihr niederſetzen. Seuffzer blieben noch die eintzige Sprache, die ich reden konnte. Sie zog ihren Stuhl noch naͤher an meinen, und umfaſ- ſete mich mit ihren zaͤrtlichen Armen, und druͤck- te meinen gluͤenden Hals, den ſie mit Thraͤnen befeuchtet hatte, an den ihrigen: laß mich denn reden/ mein Kind/ weil du doch nicht re- den willſt. Hoͤre mir denn zu; und falle mir nun auch nicht in die Rede. Du weißt/ mein Kind/ was ich taͤglich auszuſtehen habe/ um Frieden zu erhalten. Dein Vater iſt ein guter Mann und mei- net es recht gut: aber er will ſich weder einreden/ noch ſich uͤberreden laſſen. Du haſt bisweilen mit mir Mitleiden gehabt/ daß ich in allen Dingen nachgeben muß. Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/178
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/178>, abgerufen am 23.11.2024.