[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.Die Geschichte mir den Reif-Rock drückcte, als er sein abscheu-liches Gewicht in den Stuhl zu sencken beliebte. Dis verdroß mich so, da mir noch alles, was ich gehört hatte, im Gemüthe lag, daß ich mich auf einen andern Stuhl setzte. Jch bekenne es, daß ich hier zu wenig auf meiner Huth war: ich gab meinem Bruder und meiner Schwester allzu vielen Vortheil, dessen sie sich auch gewiß gebrauch- ten. Allein ich that es nicht mit Willen: ich konte es nicht lassen, und wußte selbst nicht was ich that. Mein Vater war sehr ungehalten: und Sie wissen, daß man ihm jeden Unwillen deutlich im Gesichte ansehen kan. Er sagte mit einer har- ten Stimme: Clarissa Harlowe! und hielt inne. Jch neigete mich, und sagte: was be- fehlen Sie? Jch zitterte hiebey, zog meinen Stuhl etwas näher, und setzte mich nieder. Die- ses mahl fühlte ich, daß mir das Gesicht über und über glüete. Besorge den Thee/ mein Kind: sagte Hoch-
Die Geſchichte mir den Reif-Rock druͤckcte, als er ſein abſcheu-liches Gewicht in den Stuhl zu ſencken beliebte. Dis verdroß mich ſo, da mir noch alles, was ich gehoͤrt hatte, im Gemuͤthe lag, daß ich mich auf einen andern Stuhl ſetzte. Jch bekenne es, daß ich hier zu wenig auf meiner Huth war: ich gab meinem Bruder und meiner Schweſter allzu vielen Vortheil, deſſen ſie ſich auch gewiß gebrauch- ten. Allein ich that es nicht mit Willen: ich konte es nicht laſſen, und wußte ſelbſt nicht was ich that. Mein Vater war ſehr ungehalten: und Sie wiſſen, daß man ihm jeden Unwillen deutlich im Geſichte anſehen kan. Er ſagte mit einer har- ten Stimme: Clariſſa Harlowe! und hielt inne. Jch neigete mich, und ſagte: was be- fehlen Sie? Jch zitterte hiebey, zog meinen Stuhl etwas naͤher, und ſetzte mich nieder. Die- ſes mahl fuͤhlte ich, daß mir das Geſicht uͤber und uͤber gluͤete. Beſorge den Thee/ mein Kind: ſagte Hoch-
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Die Geſchichte
mir den Reif-Rock druͤckcte, als er ſein abſcheu-
liches Gewicht in den Stuhl zu ſencken beliebte.
Dis verdroß mich ſo, da mir noch alles, was ich
gehoͤrt hatte, im Gemuͤthe lag, daß ich mich
auf einen andern Stuhl ſetzte. Jch bekenne es,
daß ich hier zu wenig auf meiner Huth war: ich
gab meinem Bruder und meiner Schweſter allzu
vielen Vortheil, deſſen ſie ſich auch gewiß gebrauch-
ten. Allein ich that es nicht mit Willen: ich
konte es nicht laſſen, und wußte ſelbſt nicht was
ich that. Mein Vater war ſehr ungehalten: und
Sie wiſſen, daß man ihm jeden Unwillen deutlich
im Geſichte anſehen kan. Er ſagte mit einer har-
ten Stimme: Clariſſa Harlowe! und hielt
inne. Jch neigete mich, und ſagte: was be-
fehlen Sie? Jch zitterte hiebey, zog meinen
Stuhl etwas naͤher, und ſetzte mich nieder. Die-
ſes mahl fuͤhlte ich, daß mir das Geſicht uͤber und
uͤber gluͤete.
Beſorge den Thee/ mein Kind: ſagte
meine guͤtige Mutter: ſetze dich zu mir/ mein
Hertz/ und thue Thee ein. Jch ſetzte mich
mit Freuden auf den Stuhl, den Solmes vorhin
verlaſſen hatte, und erholte mich bald, da ſie ſo
guͤtig war, mir etwas zu thun zu geben. Um
das vorige bey meinem Vater wieder gut zu ma-
chen, that ich unter dem Thee-trincken ein paar
Fragen auf eine hoͤfliche und freundliche Art an
Herrn Solmes. Meine Schweſter wiſperte mir
uͤber die Schulter mit einer hoͤhniſchen und froh-
lockenden Mine die Worte zu: man kan den
Hoch-
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