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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

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ten. Es scheinet, daß diese Furcht aus einer Un-
terredung zwischen meines Vaters Brüdern, mei-
nem Bruder, und meiner Schwester entstanden
sey. Frau Hervey hat mir davon im Vertrauen
Nachricht gegeben, mich um desto eher dahin zu
vermögen, daß ich die von Herrn Solmes vorge-
schlagenen unvergleichlichen Bedingungen anneh-
men möchte. Sie hält mir unter andern vor, daß ich
meines Bruders und meiner Schwester Absichten
zunichte machen, und meines Vaters, und meiner
Onckles Wohlgewogenheit unverrückt behalten
könnte, wenn ich nur zu rechter Zeit gegenn sie ge-
fällig seyn wollte.

Jch will Jhnen den Jnhalt ihrer Erzählung
mittheilen, wenn ich vorher ein paar Anmerckun-
gen werde gemacht haben, die vielleicht Jhrenthal-
ben nicht nöthig wären, wenn sie nicht der Zusam-
menhang meiner Erzählung erfoderte.

Sie wissen schon, worauf alle Absichten der
meinigen gerichtet sind, nemlich darauf, daß wir
unter den Geschlechten des Königreichs ei-
nen Platz bekommen mögen:
ein Ausdruck,
der unserer Familie, die doch auch nicht schlecht
oder neu ist, sonderlich von meiner Mutter Seite,
wenig Ehre bringt. Jndes ist es die gewöhnliche
Absicht bemittelter Familien, die ohne Rang und
Titel nicht vergnügt seyn können. Meines Vaters
Brüder hatten die Absicht, ein jedes von uns drey
Kindern unter dem hohen Adel zu sehen: denn sie
meinten, da sie selbst unverheyrathet wären, so
könnten sie uns so wohl versorgen, und so vor-
theilhaft verheyrathen, daß wenigstens unsere

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der Clariſſa.
ten. Es ſcheinet, daß dieſe Furcht aus einer Un-
terredung zwiſchen meines Vaters Bruͤdern, mei-
nem Bruder, und meiner Schweſter entſtanden
ſey. Frau Hervey hat mir davon im Vertrauen
Nachricht gegeben, mich um deſto eher dahin zu
vermoͤgen, daß ich die von Herrn Solmes vorge-
ſchlagenen unvergleichlichen Bedingungen anneh-
men moͤchte. Sie haͤlt mir unter andern vor, daß ich
meines Bruders und meiner Schweſter Abſichten
zunichte machen, und meines Vaters, und meiner
Onckles Wohlgewogenheit unverruͤckt behalten
koͤnnte, wenn ich nur zu rechter Zeit gegeñ ſie ge-
faͤllig ſeyn wollte.

Jch will Jhnen den Jnhalt ihrer Erzaͤhlung
mittheilen, wenn ich vorher ein paar Anmerckun-
gen werde gemacht haben, die vielleicht Jhrenthal-
ben nicht noͤthig waͤren, wenn ſie nicht der Zuſam-
menhang meiner Erzaͤhlung erfoderte.

Sie wiſſen ſchon, worauf alle Abſichten der
meinigen gerichtet ſind, nemlich darauf, daß wir
unter den Geſchlechten des Koͤnigreichs ei-
nen Platz bekommen moͤgen:
ein Ausdruck,
der unſerer Familie, die doch auch nicht ſchlecht
oder neu iſt, ſonderlich von meiner Mutter Seite,
wenig Ehre bringt. Jndes iſt es die gewoͤhnliche
Abſicht bemittelter Familien, die ohne Rang und
Titel nicht vergnuͤgt ſeyn koͤnnen. Meines Vaters
Bruͤder hatten die Abſicht, ein jedes von uns drey
Kindern unter dem hohen Adel zu ſehen: denn ſie
meinten, da ſie ſelbſt unverheyrathet waͤren, ſo
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[119/0139] der Clariſſa. ten. Es ſcheinet, daß dieſe Furcht aus einer Un- terredung zwiſchen meines Vaters Bruͤdern, mei- nem Bruder, und meiner Schweſter entſtanden ſey. Frau Hervey hat mir davon im Vertrauen Nachricht gegeben, mich um deſto eher dahin zu vermoͤgen, daß ich die von Herrn Solmes vorge- ſchlagenen unvergleichlichen Bedingungen anneh- men moͤchte. Sie haͤlt mir unter andern vor, daß ich meines Bruders und meiner Schweſter Abſichten zunichte machen, und meines Vaters, und meiner Onckles Wohlgewogenheit unverruͤckt behalten koͤnnte, wenn ich nur zu rechter Zeit gegeñ ſie ge- faͤllig ſeyn wollte. Jch will Jhnen den Jnhalt ihrer Erzaͤhlung mittheilen, wenn ich vorher ein paar Anmerckun- gen werde gemacht haben, die vielleicht Jhrenthal- ben nicht noͤthig waͤren, wenn ſie nicht der Zuſam- menhang meiner Erzaͤhlung erfoderte. Sie wiſſen ſchon, worauf alle Abſichten der meinigen gerichtet ſind, nemlich darauf, daß wir unter den Geſchlechten des Koͤnigreichs ei- nen Platz bekommen moͤgen: ein Ausdruck, der unſerer Familie, die doch auch nicht ſchlecht oder neu iſt, ſonderlich von meiner Mutter Seite, wenig Ehre bringt. Jndes iſt es die gewoͤhnliche Abſicht bemittelter Familien, die ohne Rang und Titel nicht vergnuͤgt ſeyn koͤnnen. Meines Vaters Bruͤder hatten die Abſicht, ein jedes von uns drey Kindern unter dem hohen Adel zu ſehen: denn ſie meinten, da ſie ſelbſt unverheyrathet waͤren, ſo koͤnnten ſie uns ſo wohl verſorgen, und ſo vor- theilhaft verheyrathen, daß wenigſtens unſere Nach- H 4

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/139>, abgerufen am 23.11.2024.