Jch werde in die vergangene Zeit zurückgehen müssen, um diese Sache ins Licht zu setzen; und vielleicht sind Jhnen einige Umstände ohnehin be- kannt, die ich um des Zusammenhanges willen anführen muß. Mein jetziges Schreiben kan eine Ergäntzung dessen seyn, was ich in meinen Brie- fen vom 15ten und 20ten Jan. ausgelassen habe.
Jch sehe aus dem kurtzen Auszuge, den ich von diesen Briefen behalten habe, daß ich Jhnen be- reits von der Unversöhnlichkeit meines Bruders und meiner Schwester Nachricht gegeben habe, wie auch von den mir bekannt gewordenen Kün- sten, dadurch sie ihn bey meinen übrigen Verwand- ten anzuschwärtzen gesucht haben. Jch habe unter andern gemeldet, daß sie sich zu Anfang kaltsinnig gegen ihn bewiesen haben, doch ohne ihn eigentlich zu beleidigen: und daß sie auf einmahl heftiger ge- worden, und ihm auf das schimpflichste begegnet sind, bis zuletzt die unglückliche Schlägerey zwi- schen ihm und meinem Bruder erfolget ist.
Jn meiner letzten Unterredung mit meiner Mut- ter Schwester habe ich erfahren, daß diese unver- muthete Veränderung in der Aufführung meines Bruders und meiner Schwester nicht aus einer alten Universitäts-Feindschafft, oder aus verach- teter Liebe, sondern aus andern und stärckern Ursa- chen herzuleiten ist, nemlich aus einer Beysorge, daß meines Vaters Brüder dem Beyspiel meines Grosvaters in Absicht auf mich zu folgen geneigt seyn möchten, und daß sie wenigstens mehr thun möchten, als mein Bruder und Schwester wünsch-
ten.
Die Geſchichte
Jch werde in die vergangene Zeit zuruͤckgehen muͤſſen, um dieſe Sache ins Licht zu ſetzen; und vielleicht ſind Jhnen einige Umſtaͤnde ohnehin be- kannt, die ich um des Zuſammenhanges willen anfuͤhren muß. Mein jetziges Schreiben kan eine Ergaͤntzung deſſen ſeyn, was ich in meinen Brie- fen vom 15ten und 20ten Jan. ausgelaſſen habe.
Jch ſehe aus dem kurtzen Auszuge, den ich von dieſen Briefen behalten habe, daß ich Jhnen be- reits von der Unverſoͤhnlichkeit meines Bruders und meiner Schweſter Nachricht gegeben habe, wie auch von den mir bekannt gewordenen Kuͤn- ſten, dadurch ſie ihn bey meinen uͤbrigen Verwand- ten anzuſchwaͤrtzen geſucht haben. Jch habe unter andern gemeldet, daß ſie ſich zu Anfang kaltſinnig gegen ihn bewieſen haben, doch ohne ihn eigentlich zu beleidigen: und daß ſie auf einmahl heftiger ge- worden, und ihm auf das ſchimpflichſte begegnet ſind, bis zuletzt die ungluͤckliche Schlaͤgerey zwi- ſchen ihm und meinem Bruder erfolget iſt.
Jn meiner letzten Unterredung mit meiner Mut- ter Schweſter habe ich erfahren, daß dieſe unver- muthete Veraͤnderung in der Auffuͤhrung meines Bruders und meiner Schweſter nicht aus einer alten Univerſitaͤts-Feindſchafft, oder aus verach- teter Liebe, ſondern aus andern und ſtaͤrckern Urſa- chen herzuleiten iſt, nemlich aus einer Beyſorge, daß meines Vaters Bruͤder dem Beyſpiel meines Grosvaters in Abſicht auf mich zu folgen geneigt ſeyn moͤchten, und daß ſie wenigſtens mehr thun moͤchten, als mein Bruder und Schweſter wuͤnſch-
ten.
<TEI><text><body><divn="2"><pbfacs="#f0138"n="118"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Die Geſchichte</hi></hi></fw><lb/><p>Jch werde in die vergangene Zeit zuruͤckgehen<lb/>
muͤſſen, um dieſe Sache ins Licht zu ſetzen; und<lb/>
vielleicht ſind Jhnen einige Umſtaͤnde ohnehin be-<lb/>
kannt, die ich um des Zuſammenhanges willen<lb/>
anfuͤhren muß. Mein jetziges Schreiben kan eine<lb/>
Ergaͤntzung deſſen ſeyn, was ich in meinen Brie-<lb/>
fen vom 15ten und 20ten Jan. ausgelaſſen habe.</p><lb/><p>Jch ſehe aus dem kurtzen Auszuge, den ich von<lb/>
dieſen Briefen behalten habe, daß ich Jhnen be-<lb/>
reits von der Unverſoͤhnlichkeit meines Bruders<lb/>
und meiner Schweſter Nachricht gegeben habe,<lb/>
wie auch von den mir bekannt gewordenen Kuͤn-<lb/>ſten, dadurch ſie ihn bey meinen uͤbrigen Verwand-<lb/>
ten anzuſchwaͤrtzen geſucht haben. Jch habe unter<lb/>
andern gemeldet, daß ſie ſich zu Anfang kaltſinnig<lb/>
gegen ihn bewieſen haben, doch ohne ihn eigentlich<lb/>
zu beleidigen: und daß ſie auf einmahl heftiger ge-<lb/>
worden, und ihm auf das ſchimpflichſte begegnet<lb/>ſind, bis zuletzt die ungluͤckliche Schlaͤgerey zwi-<lb/>ſchen ihm und meinem Bruder erfolget iſt.</p><lb/><p>Jn meiner letzten Unterredung mit meiner Mut-<lb/>
ter Schweſter habe ich erfahren, daß dieſe unver-<lb/>
muthete Veraͤnderung in der Auffuͤhrung meines<lb/>
Bruders und meiner Schweſter nicht aus einer<lb/>
alten Univerſitaͤts-Feindſchafft, oder aus verach-<lb/>
teter Liebe, ſondern aus andern und ſtaͤrckern Urſa-<lb/>
chen herzuleiten iſt, nemlich aus einer Beyſorge,<lb/>
daß meines Vaters Bruͤder dem Beyſpiel meines<lb/>
Grosvaters in Abſicht auf mich zu folgen geneigt<lb/>ſeyn moͤchten, und daß ſie wenigſtens mehr thun<lb/>
moͤchten, als mein Bruder und Schweſter wuͤnſch-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ten.</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[118/0138]
Die Geſchichte
Jch werde in die vergangene Zeit zuruͤckgehen
muͤſſen, um dieſe Sache ins Licht zu ſetzen; und
vielleicht ſind Jhnen einige Umſtaͤnde ohnehin be-
kannt, die ich um des Zuſammenhanges willen
anfuͤhren muß. Mein jetziges Schreiben kan eine
Ergaͤntzung deſſen ſeyn, was ich in meinen Brie-
fen vom 15ten und 20ten Jan. ausgelaſſen habe.
Jch ſehe aus dem kurtzen Auszuge, den ich von
dieſen Briefen behalten habe, daß ich Jhnen be-
reits von der Unverſoͤhnlichkeit meines Bruders
und meiner Schweſter Nachricht gegeben habe,
wie auch von den mir bekannt gewordenen Kuͤn-
ſten, dadurch ſie ihn bey meinen uͤbrigen Verwand-
ten anzuſchwaͤrtzen geſucht haben. Jch habe unter
andern gemeldet, daß ſie ſich zu Anfang kaltſinnig
gegen ihn bewieſen haben, doch ohne ihn eigentlich
zu beleidigen: und daß ſie auf einmahl heftiger ge-
worden, und ihm auf das ſchimpflichſte begegnet
ſind, bis zuletzt die ungluͤckliche Schlaͤgerey zwi-
ſchen ihm und meinem Bruder erfolget iſt.
Jn meiner letzten Unterredung mit meiner Mut-
ter Schweſter habe ich erfahren, daß dieſe unver-
muthete Veraͤnderung in der Auffuͤhrung meines
Bruders und meiner Schweſter nicht aus einer
alten Univerſitaͤts-Feindſchafft, oder aus verach-
teter Liebe, ſondern aus andern und ſtaͤrckern Urſa-
chen herzuleiten iſt, nemlich aus einer Beyſorge,
daß meines Vaters Bruͤder dem Beyſpiel meines
Grosvaters in Abſicht auf mich zu folgen geneigt
ſeyn moͤchten, und daß ſie wenigſtens mehr thun
moͤchten, als mein Bruder und Schweſter wuͤnſch-
ten.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/138>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.