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Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.

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Verehrter Freund und Gönner!

Sie wissen ja -- Sie wissen genug darüber, wer "Wir" sind -- womit wir uns unterhalten, und mit welchem Inhalt wir die uns zugemessenen Erdentage zu erfüllen suchen. Sie wissen auch, wie wir das Dasein je nachdem als ernste und schwerwiegende Sache -- als heiteren Zeitvertreib, als absoluten Stumpfsinn oder auch als recht schlechten Scherz hinzunehmen, aufzufassen und zu gestalten pflegen.

Sie waren es, der von jeher das richtige Verständnis für unseren Plural hatte -- für die große Vereinfachung und anderseits die ungeheure Bereicherung des Lebens, die wir ihm verdanken. Wie armselig, wie vereinzelt, wie prätentiös und peinlich unterstrichen steht das erzählende oder erlebende "Ich" da -- wie reich und stark dagegen das "Wir".

Wir können in dem, was um uns ist, irgendwie aufgehen, untergehen -- harmonisch damit verschmelzen. -- Ich springt immer wieder heraus, schnell wieder empor, wie die kleinen Teufel in Holzschachteln, die man auf

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Verehrter Freund und Gönner!

Sie wissen ja — Sie wissen genug darüber, wer „Wir“ sind — womit wir uns unterhalten, und mit welchem Inhalt wir die uns zugemessenen Erdentage zu erfüllen suchen. Sie wissen auch, wie wir das Dasein je nachdem als ernste und schwerwiegende Sache — als heiteren Zeitvertreib, als absoluten Stumpfsinn oder auch als recht schlechten Scherz hinzunehmen, aufzufassen und zu gestalten pflegen.

Sie waren es, der von jeher das richtige Verständnis für unseren Plural hatte — für die große Vereinfachung und anderseits die ungeheure Bereicherung des Lebens, die wir ihm verdanken. Wie armselig, wie vereinzelt, wie prätentiös und peinlich unterstrichen steht das erzählende oder erlebende „Ich“ da — wie reich und stark dagegen das „Wir“.

Wir können in dem, was um uns ist, irgendwie aufgehen, untergehen — harmonisch damit verschmelzen. — Ich springt immer wieder heraus, schnell wieder empor, wie die kleinen Teufel in Holzschachteln, die man auf

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[5/0009] I Verehrter Freund und Gönner! Sie wissen ja — Sie wissen genug darüber, wer „Wir“ sind — womit wir uns unterhalten, und mit welchem Inhalt wir die uns zugemessenen Erdentage zu erfüllen suchen. Sie wissen auch, wie wir das Dasein je nachdem als ernste und schwerwiegende Sache — als heiteren Zeitvertreib, als absoluten Stumpfsinn oder auch als recht schlechten Scherz hinzunehmen, aufzufassen und zu gestalten pflegen. Sie waren es, der von jeher das richtige Verständnis für unseren Plural hatte — für die große Vereinfachung und anderseits die ungeheure Bereicherung des Lebens, die wir ihm verdanken. Wie armselig, wie vereinzelt, wie prätentiös und peinlich unterstrichen steht das erzählende oder erlebende „Ich“ da — wie reich und stark dagegen das „Wir“. Wir können in dem, was um uns ist, irgendwie aufgehen, untergehen — harmonisch damit verschmelzen. — Ich springt immer wieder heraus, schnell wieder empor, wie die kleinen Teufel in Holzschachteln, die man auf

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Zitationshilfe: Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913/9>, abgerufen am 19.04.2024.