Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.nichts. Aber das hängt mit den biotischen Schichten zusammen, und da sind viele geheimnisvolle Dinge im Spiel," dies letzte klang, als ob er nur zu sich selber spräche und ganz vergessen hätte, daß alles ihm zuhörte. Frau Hofmann reichte ihm eine Tasse Tee, er nahm sie dankend entgegen, und nun sagte sie mit heller Stimme: "Ja, aber wenn nun Luther katholisch geblieben wäre -- --" "Aber Lotte!" -- fuhr ihr Gatte mit einem strafenden Blick dazwischen, und sie hielt inne. Delius war ganz in seine Gedanken versunken, er stand da, wiegte langsam den Kopf hin und her, nahm einen Schluck Tee und sprach noch einmal dumpf vor sich hin: "Ja, das sind allerdings sehr geheimnisvolle Dinge." Dann ergriff wieder die kappadozische Dame das Wort -- der Professor wanderte derweil unruhig hin und her, und es machte den Eindruck, als ob er sie gerne daran gehindert hätte. "Ich glaube, ich verstehe jetzt, was Sie damit sagen wollen, aber meinen Sie, daß Luther wirklich ein Jude war oder haben Sie sich nur bildlich ausgedrückt?" "Nun, -- mancher ist ein Jude, ohne es zu wissen," sagte Delius monoton und abwesend. "Und mancher andere ist keiner, obwohl er dafür gilt," bemerkte ein schlanker, schwarzer junger Mann, der neben mir stand. nichts. Aber das hängt mit den biotischen Schichten zusammen, und da sind viele geheimnisvolle Dinge im Spiel,“ dies letzte klang, als ob er nur zu sich selber spräche und ganz vergessen hätte, daß alles ihm zuhörte. Frau Hofmann reichte ihm eine Tasse Tee, er nahm sie dankend entgegen, und nun sagte sie mit heller Stimme: „Ja, aber wenn nun Luther katholisch geblieben wäre — —“ „Aber Lotte!“ — fuhr ihr Gatte mit einem strafenden Blick dazwischen, und sie hielt inne. Delius war ganz in seine Gedanken versunken, er stand da, wiegte langsam den Kopf hin und her, nahm einen Schluck Tee und sprach noch einmal dumpf vor sich hin: „Ja, das sind allerdings sehr geheimnisvolle Dinge.“ Dann ergriff wieder die kappadozische Dame das Wort — der Professor wanderte derweil unruhig hin und her, und es machte den Eindruck, als ob er sie gerne daran gehindert hätte. „Ich glaube, ich verstehe jetzt, was Sie damit sagen wollen, aber meinen Sie, daß Luther wirklich ein Jude war oder haben Sie sich nur bildlich ausgedrückt?“ „Nun, — mancher ist ein Jude, ohne es zu wissen,“ sagte Delius monoton und abwesend. „Und mancher andere ist keiner, obwohl er dafür gilt,“ bemerkte ein schlanker, schwarzer junger Mann, der neben mir stand. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="letter" n="2"> <p><pb facs="#f0066" n="62"/> nichts. Aber das hängt mit den biotischen Schichten zusammen, und da sind viele geheimnisvolle Dinge im Spiel,“ dies letzte klang, als ob er nur zu sich selber spräche und ganz vergessen hätte, daß alles ihm zuhörte.</p> <p>Frau Hofmann reichte ihm eine Tasse Tee, er nahm sie dankend entgegen, und nun sagte sie mit heller Stimme:</p> <p>„Ja, aber wenn nun Luther katholisch geblieben wäre — —“</p> <p>„Aber Lotte!“ — fuhr ihr Gatte mit einem strafenden Blick dazwischen, und sie hielt inne.</p> <p>Delius war ganz in seine Gedanken versunken, er stand da, wiegte langsam den Kopf hin und her, nahm einen Schluck Tee und sprach noch einmal dumpf vor sich hin:</p> <p>„Ja, das sind allerdings sehr geheimnisvolle Dinge.“ Dann ergriff wieder die kappadozische Dame das Wort — der Professor wanderte derweil unruhig hin und her, und es machte den Eindruck, als ob er sie gerne daran gehindert hätte.</p> <p>„Ich glaube, ich verstehe jetzt, was Sie damit sagen wollen, aber meinen Sie, daß Luther wirklich ein Jude war oder haben Sie sich nur bildlich ausgedrückt?“</p> <p>„Nun, — mancher ist ein Jude, ohne es zu wissen,“ sagte Delius monoton und abwesend.</p> <p>„Und mancher andere ist keiner, obwohl er dafür gilt,“ bemerkte ein schlanker, schwarzer junger Mann, der neben mir stand.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [62/0066]
nichts. Aber das hängt mit den biotischen Schichten zusammen, und da sind viele geheimnisvolle Dinge im Spiel,“ dies letzte klang, als ob er nur zu sich selber spräche und ganz vergessen hätte, daß alles ihm zuhörte.
Frau Hofmann reichte ihm eine Tasse Tee, er nahm sie dankend entgegen, und nun sagte sie mit heller Stimme:
„Ja, aber wenn nun Luther katholisch geblieben wäre — —“
„Aber Lotte!“ — fuhr ihr Gatte mit einem strafenden Blick dazwischen, und sie hielt inne.
Delius war ganz in seine Gedanken versunken, er stand da, wiegte langsam den Kopf hin und her, nahm einen Schluck Tee und sprach noch einmal dumpf vor sich hin:
„Ja, das sind allerdings sehr geheimnisvolle Dinge.“ Dann ergriff wieder die kappadozische Dame das Wort — der Professor wanderte derweil unruhig hin und her, und es machte den Eindruck, als ob er sie gerne daran gehindert hätte.
„Ich glaube, ich verstehe jetzt, was Sie damit sagen wollen, aber meinen Sie, daß Luther wirklich ein Jude war oder haben Sie sich nur bildlich ausgedrückt?“
„Nun, — mancher ist ein Jude, ohne es zu wissen,“ sagte Delius monoton und abwesend.
„Und mancher andere ist keiner, obwohl er dafür gilt,“ bemerkte ein schlanker, schwarzer junger Mann, der neben mir stand.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |