Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.ganz recht, und wir finden es ja auch, aber man kann sich nicht darüber verständigen. Maria liebt die Enormen, und sie liebt uns -- sie liebt überhaupt alles, aber man sieht es nicht gerne, daß sie so universell ist und vor allem ihren Verkehr im Eckhaus -- wir ziehen sie herunter, wir sind Schmarotzer und Vampire an ihrer Seele." Er war ganz traurig. Ich betrachtete den genannten Hallwig genauer -- ich hatte ja auch schon gemerkt, daß Heinz es vermeidet, mich mit ihm bekannt zu machen. (Woher wissen sie denn so genau, daß ich "belanglos" bin?) -- Ein auffallend schöner Mensch, und Maria scheint ihn sehr zu lieben. Vielleicht war sie deshalb heute abend im Eckhaus so melancholisch und verstand mich so gut. "Und wer ist der kleine Brünette, der so zärtlich den Arm um sie legt?" "Das ist Konstantin, der Sonnenknabe, er ist auch enorm, und deshalb darf er alles -- er darf sogar Maria lieben. Bei ihm ist es eben das Enorme, daß er alle Frauen liebt, auch wenn er sie eigentlich gar nicht mag -- dann läßt er sich wenigstens lieben -- die Mädchen sind alle hinter ihm her -- Sehen Sie, lieber Dame, ich habe gar nichts gegen die Enormen, ich verehre sie sogar aus der Ferne, und ziemlich hoffnungslos -- denn sie schätzen meine Rasse nicht -- sie lassen nur blonde Langschädel gelten, und ich sehe ganz recht, und wir finden es ja auch, aber man kann sich nicht darüber verständigen. Maria liebt die Enormen, und sie liebt uns — sie liebt überhaupt alles, aber man sieht es nicht gerne, daß sie so universell ist und vor allem ihren Verkehr im Eckhaus — wir ziehen sie herunter, wir sind Schmarotzer und Vampire an ihrer Seele.“ Er war ganz traurig. Ich betrachtete den genannten Hallwig genauer — ich hatte ja auch schon gemerkt, daß Heinz es vermeidet, mich mit ihm bekannt zu machen. (Woher wissen sie denn so genau, daß ich „belanglos“ bin?) — Ein auffallend schöner Mensch, und Maria scheint ihn sehr zu lieben. Vielleicht war sie deshalb heute abend im Eckhaus so melancholisch und verstand mich so gut. „Und wer ist der kleine Brünette, der so zärtlich den Arm um sie legt?“ „Das ist Konstantin, der Sonnenknabe, er ist auch enorm, und deshalb darf er alles — er darf sogar Maria lieben. Bei ihm ist es eben das Enorme, daß er alle Frauen liebt, auch wenn er sie eigentlich gar nicht mag — dann läßt er sich wenigstens lieben — die Mädchen sind alle hinter ihm her — Sehen Sie, lieber Dame, ich habe gar nichts gegen die Enormen, ich verehre sie sogar aus der Ferne, und ziemlich hoffnungslos — denn sie schätzen meine Rasse nicht — sie lassen nur blonde Langschädel gelten, und ich sehe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="letter" n="2"> <p><pb facs="#f0058" n="54"/> ganz recht, und wir finden es ja auch, aber man kann sich nicht darüber verständigen. Maria liebt die Enormen, und sie liebt uns — sie liebt überhaupt alles, aber man sieht es nicht gerne, daß sie so universell ist und vor allem ihren Verkehr im Eckhaus — wir ziehen sie herunter, wir sind Schmarotzer und Vampire an ihrer Seele.“</p> <p>Er war ganz traurig. Ich betrachtete den genannten Hallwig genauer — ich hatte ja auch schon gemerkt, daß Heinz es vermeidet, mich mit ihm bekannt zu machen. (Woher wissen sie denn so genau, daß ich „belanglos“ bin?) — Ein auffallend schöner Mensch, und Maria scheint ihn sehr zu lieben. Vielleicht war sie deshalb heute abend im Eckhaus so melancholisch und verstand mich so gut.</p> <p>„Und wer ist der kleine Brünette, der so zärtlich den Arm um sie legt?“</p> <p>„Das ist Konstantin, der Sonnenknabe, er ist auch enorm, und deshalb darf er alles — er darf sogar Maria lieben. Bei ihm ist es eben das Enorme, daß er alle Frauen liebt, auch wenn er sie eigentlich gar nicht mag — dann läßt er sich wenigstens lieben — die Mädchen sind alle hinter ihm her — Sehen Sie, lieber Dame, ich habe gar nichts gegen die Enormen, ich verehre sie sogar aus der Ferne, und ziemlich hoffnungslos — denn sie schätzen meine Rasse nicht — sie lassen nur blonde Langschädel gelten, und ich sehe </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [54/0058]
ganz recht, und wir finden es ja auch, aber man kann sich nicht darüber verständigen. Maria liebt die Enormen, und sie liebt uns — sie liebt überhaupt alles, aber man sieht es nicht gerne, daß sie so universell ist und vor allem ihren Verkehr im Eckhaus — wir ziehen sie herunter, wir sind Schmarotzer und Vampire an ihrer Seele.“
Er war ganz traurig. Ich betrachtete den genannten Hallwig genauer — ich hatte ja auch schon gemerkt, daß Heinz es vermeidet, mich mit ihm bekannt zu machen. (Woher wissen sie denn so genau, daß ich „belanglos“ bin?) — Ein auffallend schöner Mensch, und Maria scheint ihn sehr zu lieben. Vielleicht war sie deshalb heute abend im Eckhaus so melancholisch und verstand mich so gut.
„Und wer ist der kleine Brünette, der so zärtlich den Arm um sie legt?“
„Das ist Konstantin, der Sonnenknabe, er ist auch enorm, und deshalb darf er alles — er darf sogar Maria lieben. Bei ihm ist es eben das Enorme, daß er alle Frauen liebt, auch wenn er sie eigentlich gar nicht mag — dann läßt er sich wenigstens lieben — die Mädchen sind alle hinter ihm her — Sehen Sie, lieber Dame, ich habe gar nichts gegen die Enormen, ich verehre sie sogar aus der Ferne, und ziemlich hoffnungslos — denn sie schätzen meine Rasse nicht — sie lassen nur blonde Langschädel gelten, und ich sehe
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