Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.Aufzeichnungen und Notizen, besonders wenn ich mit dem Philosophen zusammen bin. Da war der Abend mit Heinz Kellermann und seinen Freunden. Der eine mit dem scharfen Gesicht sah fast wie ein Indianer aus. Als ich das sagte, wurde Heinz ganz ärgerlich und behauptete, er sei doch blond, dunkelblond wenigstens und ein absolut germanischer Typus. Es gab eine förmliche Diskussion darüber, aus der ich entnahm, daß sie die blonden Menschen mehr ästimieren als die dunklen, und daß das irgendeine besondere Bedeutung hat. Es war auch ein junges Mädchen dabei -- eine Malerin --, das übrigens ausgesprochen schwarzes Haar hatte, aber ich wagte keine Bemerkung darüber, denn mir schien, daß sie der Unterhaltung etwas deprimiert zuhörte, und ich muß gestehen, ich freute mich zum erstenmal darüber, daß ich blond bin. Im ganzen hatte ich aber wieder das Gefühl, nicht recht mitzukönnen. Ich weiß nicht, ob man diese Ausdrucksweise eigentlich "geschraubt" nennen kann, aber sie kommt einem manchmal so vor, und man muß sich erst daran gewöhnen. Was meinen sie zum Beispiel damit: man müsse einen Menschen erst "erleben", um ihn zu verstehen? Heinz machte manchmal ganz treffende Bemerkungen -- das kann er überhaupt sehr gut --, und dann hieß es: Aufzeichnungen und Notizen, besonders wenn ich mit dem Philosophen zusammen bin. Da war der Abend mit Heinz Kellermann und seinen Freunden. Der eine mit dem scharfen Gesicht sah fast wie ein Indianer aus. Als ich das sagte, wurde Heinz ganz ärgerlich und behauptete, er sei doch blond, dunkelblond wenigstens und ein absolut germanischer Typus. Es gab eine förmliche Diskussion darüber, aus der ich entnahm, daß sie die blonden Menschen mehr ästimieren als die dunklen, und daß das irgendeine besondere Bedeutung hat. Es war auch ein junges Mädchen dabei — eine Malerin —, das übrigens ausgesprochen schwarzes Haar hatte, aber ich wagte keine Bemerkung darüber, denn mir schien, daß sie der Unterhaltung etwas deprimiert zuhörte, und ich muß gestehen, ich freute mich zum erstenmal darüber, daß ich blond bin. Im ganzen hatte ich aber wieder das Gefühl, nicht recht mitzukönnen. Ich weiß nicht, ob man diese Ausdrucksweise eigentlich „geschraubt“ nennen kann, aber sie kommt einem manchmal so vor, und man muß sich erst daran gewöhnen. Was meinen sie zum Beispiel damit: man müsse einen Menschen erst „erleben“, um ihn zu verstehen? Heinz machte manchmal ganz treffende Bemerkungen — das kann er überhaupt sehr gut —, und dann hieß es: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="letter" n="2"> <p><pb facs="#f0032" n="28"/> Aufzeichnungen und Notizen, besonders wenn ich mit dem Philosophen zusammen bin.</p> <p>Da war der Abend mit Heinz Kellermann und seinen Freunden. Der eine mit dem scharfen Gesicht sah fast wie ein Indianer aus. Als ich das sagte, wurde Heinz ganz ärgerlich und behauptete, er sei doch blond, dunkelblond wenigstens und ein absolut germanischer Typus. Es gab eine förmliche Diskussion darüber, aus der ich entnahm, daß sie die blonden Menschen mehr ästimieren als die dunklen, und daß das irgendeine besondere Bedeutung hat.</p> <p>Es war auch ein junges Mädchen dabei — eine Malerin —, das übrigens ausgesprochen schwarzes Haar hatte, aber ich wagte keine Bemerkung darüber, denn mir schien, daß sie der Unterhaltung etwas deprimiert zuhörte, und ich muß gestehen, ich freute mich zum erstenmal darüber, daß ich blond bin.</p> <p>Im ganzen hatte ich aber wieder das Gefühl, nicht recht mitzukönnen. Ich weiß nicht, ob man diese Ausdrucksweise eigentlich „geschraubt“ nennen kann, aber sie kommt einem manchmal so vor, und man muß sich erst daran gewöhnen.</p> <p>Was meinen sie zum Beispiel damit: man müsse einen Menschen erst „erleben“, um ihn zu verstehen?</p> <p>Heinz machte manchmal ganz treffende Bemerkungen — das kann er überhaupt sehr gut —, und dann hieß es:</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [28/0032]
Aufzeichnungen und Notizen, besonders wenn ich mit dem Philosophen zusammen bin.
Da war der Abend mit Heinz Kellermann und seinen Freunden. Der eine mit dem scharfen Gesicht sah fast wie ein Indianer aus. Als ich das sagte, wurde Heinz ganz ärgerlich und behauptete, er sei doch blond, dunkelblond wenigstens und ein absolut germanischer Typus. Es gab eine förmliche Diskussion darüber, aus der ich entnahm, daß sie die blonden Menschen mehr ästimieren als die dunklen, und daß das irgendeine besondere Bedeutung hat.
Es war auch ein junges Mädchen dabei — eine Malerin —, das übrigens ausgesprochen schwarzes Haar hatte, aber ich wagte keine Bemerkung darüber, denn mir schien, daß sie der Unterhaltung etwas deprimiert zuhörte, und ich muß gestehen, ich freute mich zum erstenmal darüber, daß ich blond bin.
Im ganzen hatte ich aber wieder das Gefühl, nicht recht mitzukönnen. Ich weiß nicht, ob man diese Ausdrucksweise eigentlich „geschraubt“ nennen kann, aber sie kommt einem manchmal so vor, und man muß sich erst daran gewöhnen.
Was meinen sie zum Beispiel damit: man müsse einen Menschen erst „erleben“, um ihn zu verstehen?
Heinz machte manchmal ganz treffende Bemerkungen — das kann er überhaupt sehr gut —, und dann hieß es:
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