Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.

Bild:
<< vorherige Seite

so gäbe es genau denselben Ton, wie die Posaunen von Jericho."

"Hatten Sie nicht Angst, daß auch bei Ihnen die Mauern einfallen könnten?" fragte der Philosoph.

"Nein, von den Mauern war gar nicht die Rede -- ich weiß nur, daß ich dann nach Spiritus suchte, um das Kästchen zu füllen, und ihn nicht finden konnte, aber mit einem Mal war er doch da, und das Kästchen war auch schon am Klavier angebracht. Der Professor blies in den Schlauch und es gab einen dumpfen Ton -- aber dann muß der Spiritus ausgelaufen sein, und plötzlich stand alles in Flammen. Niemand kümmerte sich darum, und ich dachte an meinen Perserteppich, der unter dem Flügel liegt. Sie wissen ja, ich bin etwas eigen mit meinen Sachen. Aber der Professor sagte, es sei gar kein Perser, es sei ein ,Beludschistan', und er habe keine Beziehung zum Wesen der Dinge, -- ist das nicht merkwürdig? Ja, und nun kam noch etwas ganz Triviales, ich meinte, der Flügel würde sicher auch anbrennen, und in diesem Moment stand der Professor in seiner ganzen Größe vor mir und sagte:

,Wenn Fräulein H... mir ihren Verlust genau beziffert, soll alles ersetzt werden.'"

"Und dann?" fragte der Philosoph.

"Das weiß ich selbst nicht mehr, es war ganz verschwommen, -- aber sagen Sie selbst, liebster Doktor,

so gäbe es genau denselben Ton, wie die Posaunen von Jericho.“

„Hatten Sie nicht Angst, daß auch bei Ihnen die Mauern einfallen könnten?“ fragte der Philosoph.

„Nein, von den Mauern war gar nicht die Rede — ich weiß nur, daß ich dann nach Spiritus suchte, um das Kästchen zu füllen, und ihn nicht finden konnte, aber mit einem Mal war er doch da, und das Kästchen war auch schon am Klavier angebracht. Der Professor blies in den Schlauch und es gab einen dumpfen Ton — aber dann muß der Spiritus ausgelaufen sein, und plötzlich stand alles in Flammen. Niemand kümmerte sich darum, und ich dachte an meinen Perserteppich, der unter dem Flügel liegt. Sie wissen ja, ich bin etwas eigen mit meinen Sachen. Aber der Professor sagte, es sei gar kein Perser, es sei ein ‚Beludschistan‘, und er habe keine Beziehung zum Wesen der Dinge, — ist das nicht merkwürdig? Ja, und nun kam noch etwas ganz Triviales, ich meinte, der Flügel würde sicher auch anbrennen, und in diesem Moment stand der Professor in seiner ganzen Größe vor mir und sagte:

‚Wenn Fräulein H… mir ihren Verlust genau beziffert, soll alles ersetzt werden.‘“

„Und dann?“ fragte der Philosoph.

„Das weiß ich selbst nicht mehr, es war ganz verschwommen, — aber sagen Sie selbst, liebster Doktor,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="letter" n="2">
          <p><pb facs="#f0027" n="23"/>
so gäbe es genau denselben Ton, wie die Posaunen von Jericho.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Hatten Sie nicht Angst, daß auch bei Ihnen die Mauern einfallen könnten?&#x201C; fragte der Philosoph.</p>
          <p>&#x201E;Nein, von den Mauern war gar nicht die Rede &#x2014; ich weiß nur, daß ich dann nach Spiritus suchte, um das Kästchen zu füllen, und ihn nicht finden konnte, aber mit einem Mal war er doch da, und das Kästchen war auch schon am Klavier angebracht. Der Professor blies in den Schlauch und es gab einen dumpfen Ton &#x2014; aber dann muß der Spiritus ausgelaufen sein, und plötzlich stand alles in Flammen. Niemand kümmerte sich darum, und ich dachte an meinen Perserteppich, der unter dem Flügel liegt. Sie wissen ja, ich bin etwas eigen mit meinen Sachen. Aber der Professor sagte, es sei gar kein Perser, es sei ein &#x201A;Beludschistan&#x2018;, und er habe keine Beziehung zum Wesen der Dinge, &#x2014; ist das nicht merkwürdig? Ja, und nun kam noch etwas ganz Triviales, ich meinte, der Flügel würde sicher auch anbrennen, und in diesem Moment stand der Professor in seiner ganzen Größe vor mir und sagte:</p>
          <p>&#x201A;Wenn Fräulein H&#x2026; mir ihren Verlust genau beziffert, soll alles ersetzt werden.&#x2018;&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Und dann?&#x201C; fragte der Philosoph.</p>
          <p>&#x201E;Das weiß ich selbst nicht mehr, es war ganz verschwommen, &#x2014; aber sagen Sie selbst, liebster Doktor,
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0027] so gäbe es genau denselben Ton, wie die Posaunen von Jericho.“ „Hatten Sie nicht Angst, daß auch bei Ihnen die Mauern einfallen könnten?“ fragte der Philosoph. „Nein, von den Mauern war gar nicht die Rede — ich weiß nur, daß ich dann nach Spiritus suchte, um das Kästchen zu füllen, und ihn nicht finden konnte, aber mit einem Mal war er doch da, und das Kästchen war auch schon am Klavier angebracht. Der Professor blies in den Schlauch und es gab einen dumpfen Ton — aber dann muß der Spiritus ausgelaufen sein, und plötzlich stand alles in Flammen. Niemand kümmerte sich darum, und ich dachte an meinen Perserteppich, der unter dem Flügel liegt. Sie wissen ja, ich bin etwas eigen mit meinen Sachen. Aber der Professor sagte, es sei gar kein Perser, es sei ein ‚Beludschistan‘, und er habe keine Beziehung zum Wesen der Dinge, — ist das nicht merkwürdig? Ja, und nun kam noch etwas ganz Triviales, ich meinte, der Flügel würde sicher auch anbrennen, und in diesem Moment stand der Professor in seiner ganzen Größe vor mir und sagte: ‚Wenn Fräulein H… mir ihren Verlust genau beziffert, soll alles ersetzt werden.‘“ „Und dann?“ fragte der Philosoph. „Das weiß ich selbst nicht mehr, es war ganz verschwommen, — aber sagen Sie selbst, liebster Doktor,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913/27
Zitationshilfe: Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913/27>, abgerufen am 25.04.2024.