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Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.

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wurde er stets etwas unsicher und fügte jedesmal hinzu: -- "Dame, ja -- ich heiße nämlich Dame".

Wir fragten ihn einmal, weshalb er das täte -- der Name sei doch nicht auffallender als viele andere, und er mache auf diese Weise eigentlich die Leute selbst erst aufmerksam, daß sich eine Seltsamkeit, sozusagen eine Art Naturspiel daraus konstruieren lasse.

Er entgegnete trübe: Ja, das wisse er wohl, aber er könne nicht anders, und es gehöre nun einmal zu seiner Biographie. (Diese Bemerkung lernten wir erst später bei der Lektüre seiner Aufzeichnungen verstehen.) Herr Dame war seinem Äußeren und seinem Wesen nach durchaus der Typus: junger Mann aus guter Familie und von sorgfältiger Erziehung mit einer Beimischung von mattem Lebemannstum -- sehr matt und sehr äußerlich. Er wäre nie ohne einwandfreie Bügelfalte auf die Straße gegangen, auch wenn ihm das Herz noch so weh tat -- und das Herz muß ihm wohl oft sehr weh getan haben. Die Grundnote seines Wesens war überhaupt eine gewisse betrübte Nachdenklichkeit oder nachdenkliche Trübsal, aber daneben liebte er Parfüms und schöne Taschentücher.

Als wir ihn kennen lernten, war er schweigsam und verstört; allmählich, besonders, wenn wir in den warmen Nächten an Deck saßen, ging ihm immer das Herz auf, und er erzählte von sich selbst und von seiner Biographie -- wie er längere Zeit unter eigentümlichen

wurde er stets etwas unsicher und fügte jedesmal hinzu: — „Dame, ja — ich heiße nämlich Dame“.

Wir fragten ihn einmal, weshalb er das täte — der Name sei doch nicht auffallender als viele andere, und er mache auf diese Weise eigentlich die Leute selbst erst aufmerksam, daß sich eine Seltsamkeit, sozusagen eine Art Naturspiel daraus konstruieren lasse.

Er entgegnete trübe: Ja, das wisse er wohl, aber er könne nicht anders, und es gehöre nun einmal zu seiner Biographie. (Diese Bemerkung lernten wir erst später bei der Lektüre seiner Aufzeichnungen verstehen.) Herr Dame war seinem Äußeren und seinem Wesen nach durchaus der Typus: junger Mann aus guter Familie und von sorgfältiger Erziehung mit einer Beimischung von mattem Lebemannstum — sehr matt und sehr äußerlich. Er wäre nie ohne einwandfreie Bügelfalte auf die Straße gegangen, auch wenn ihm das Herz noch so weh tat — und das Herz muß ihm wohl oft sehr weh getan haben. Die Grundnote seines Wesens war überhaupt eine gewisse betrübte Nachdenklichkeit oder nachdenkliche Trübsal, aber daneben liebte er Parfüms und schöne Taschentücher.

Als wir ihn kennen lernten, war er schweigsam und verstört; allmählich, besonders, wenn wir in den warmen Nächten an Deck saßen, ging ihm immer das Herz auf, und er erzählte von sich selbst und von seiner Biographie — wie er längere Zeit unter eigentümlichen

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[7/0011] wurde er stets etwas unsicher und fügte jedesmal hinzu: — „Dame, ja — ich heiße nämlich Dame“. Wir fragten ihn einmal, weshalb er das täte — der Name sei doch nicht auffallender als viele andere, und er mache auf diese Weise eigentlich die Leute selbst erst aufmerksam, daß sich eine Seltsamkeit, sozusagen eine Art Naturspiel daraus konstruieren lasse. Er entgegnete trübe: Ja, das wisse er wohl, aber er könne nicht anders, und es gehöre nun einmal zu seiner Biographie. (Diese Bemerkung lernten wir erst später bei der Lektüre seiner Aufzeichnungen verstehen.) Herr Dame war seinem Äußeren und seinem Wesen nach durchaus der Typus: junger Mann aus guter Familie und von sorgfältiger Erziehung mit einer Beimischung von mattem Lebemannstum — sehr matt und sehr äußerlich. Er wäre nie ohne einwandfreie Bügelfalte auf die Straße gegangen, auch wenn ihm das Herz noch so weh tat — und das Herz muß ihm wohl oft sehr weh getan haben. Die Grundnote seines Wesens war überhaupt eine gewisse betrübte Nachdenklichkeit oder nachdenkliche Trübsal, aber daneben liebte er Parfüms und schöne Taschentücher. Als wir ihn kennen lernten, war er schweigsam und verstört; allmählich, besonders, wenn wir in den warmen Nächten an Deck saßen, ging ihm immer das Herz auf, und er erzählte von sich selbst und von seiner Biographie — wie er längere Zeit unter eigentümlichen

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Zitationshilfe: Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913/11>, abgerufen am 29.03.2024.