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Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.

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hatte gerade einen wachen Moment und richtete sich halb auf.

"Aber ich bitte Sie -- das ist doch meins -- --"

"Ihres? -- --"

"Ja, natürlich -- wußten Sie das nicht?"

"Woher sollte ich das wissen, das Kind ist einfach da, und man hat niemals davon gesprochen, wem es gehört."

"Marias Kind -- ja, Maria ist ein komplizierter Fall" -- erläuterte Willy dann weiter, "Sie müssen wissen, -- in Heidenkreisen hatte man schon lange die Frage aufgeworfen, wie es mit der Vereinigung von Mutterschaft und Hetärentum stände -- beides natürlich in möglichster Vollendung gedacht --, aber die Beobachtung an lebenden Objekten war immer ziemlich ungünstig ausgefallen. Die Mädchen, die als Hetären in Betracht kamen, hatten eben keine Kinder und waren froh, daß sie keine hatten. Andere wünschten sich wohl Kinder, strebten dann aber nach Heirat und gaben das Hetärentum auf. -- Nun tauchte Maria hier in aller Fröhlichkeit mit ihrem Lebenswandel und einem Baby auf. Durch ihr bloßes Dasein, in dem sie unbewußt, aber mit ,königlicher Selbstverstandlichkeit' -- so sagt man dort -- ihren heidnischen Instinkten nachgelebt hatte, stellte sie das gelöste Problem: Mutter und Hetäre dar und wurde sehr gefeiert."

"Ja, Ähnliches hat mir der Herr von gestern nacht

hatte gerade einen wachen Moment und richtete sich halb auf.

„Aber ich bitte Sie — das ist doch meins — —“

„Ihres? — —“

„Ja, natürlich — wußten Sie das nicht?“

„Woher sollte ich das wissen, das Kind ist einfach da, und man hat niemals davon gesprochen, wem es gehört.“

„Marias Kind — ja, Maria ist ein komplizierter Fall“ — erläuterte Willy dann weiter, „Sie müssen wissen, — in Heidenkreisen hatte man schon lange die Frage aufgeworfen, wie es mit der Vereinigung von Mutterschaft und Hetärentum stände — beides natürlich in möglichster Vollendung gedacht —, aber die Beobachtung an lebenden Objekten war immer ziemlich ungünstig ausgefallen. Die Mädchen, die als Hetären in Betracht kamen, hatten eben keine Kinder und waren froh, daß sie keine hatten. Andere wünschten sich wohl Kinder, strebten dann aber nach Heirat und gaben das Hetärentum auf. — Nun tauchte Maria hier in aller Fröhlichkeit mit ihrem Lebenswandel und einem Baby auf. Durch ihr bloßes Dasein, in dem sie unbewußt, aber mit ‚königlicher Selbstverstandlichkeit‘ — so sagt man dort — ihren heidnischen Instinkten nachgelebt hatte, stellte sie das gelöste Problem: Mutter und Hetäre dar und wurde sehr gefeiert.“

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[98/0102] hatte gerade einen wachen Moment und richtete sich halb auf. „Aber ich bitte Sie — das ist doch meins — —“ „Ihres? — —“ „Ja, natürlich — wußten Sie das nicht?“ „Woher sollte ich das wissen, das Kind ist einfach da, und man hat niemals davon gesprochen, wem es gehört.“ „Marias Kind — ja, Maria ist ein komplizierter Fall“ — erläuterte Willy dann weiter, „Sie müssen wissen, — in Heidenkreisen hatte man schon lange die Frage aufgeworfen, wie es mit der Vereinigung von Mutterschaft und Hetärentum stände — beides natürlich in möglichster Vollendung gedacht —, aber die Beobachtung an lebenden Objekten war immer ziemlich ungünstig ausgefallen. Die Mädchen, die als Hetären in Betracht kamen, hatten eben keine Kinder und waren froh, daß sie keine hatten. Andere wünschten sich wohl Kinder, strebten dann aber nach Heirat und gaben das Hetärentum auf. — Nun tauchte Maria hier in aller Fröhlichkeit mit ihrem Lebenswandel und einem Baby auf. Durch ihr bloßes Dasein, in dem sie unbewußt, aber mit ‚königlicher Selbstverstandlichkeit‘ — so sagt man dort — ihren heidnischen Instinkten nachgelebt hatte, stellte sie das gelöste Problem: Mutter und Hetäre dar und wurde sehr gefeiert.“ „Ja, Ähnliches hat mir der Herr von gestern nacht

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Zitationshilfe: Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913/102>, abgerufen am 02.05.2024.