Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.

Bild:
<< vorherige Seite

nachher unsere Kostüme wieder anziehen und heute abend auf den Gauklerball gehen. -- Die anderen wollen wir gar nicht erst wecken, das Weitere wird sich hier dann schon irgendwie entwickeln," sie seufzte ein bißchen -- "ach Gott, es ist wirklich keine Kleinigkeit, wenn die Verantwortung für so vieler Leute Wohlergehen auf einem ruht."

Ermattet legt sie sich auf die Polster in die Nähe des Ofens, schließt die Augen und scheint in eine Art Halbschlaf zu versinken. Willy und ich sprechen mit gedämpfter Stimme weiter -- hier und da ermuntert Susanna sich ein wenig, beteiligt sich am Gespräch oder langt nach ihrer Teetasse. Unvermerkt geraten wir wieder auf die heidnischen Ideen und ihre Verwirklichung in unserer heutigen Welt. Ich erzähle von meiner nächtlichen Unterhaltung mit dem Herrn im Frack.

"Ach, der Georg," -- sagt Willy -- "er möchte sie immer noch gerne heiraten, und ich nenne ihn den standhaften Zinnsoldaten -- Maria ärgert sich darüber, aber sie hat immer einen oder den anderen Zinnsoldaten, als Gegengewicht oder zur Erholung von ihrer heidnischen Betätigung."

Ein Wort gab das andere, und ich erkundigte mich mit größtmöglicher Diskretion, ob es etwa Marias Kind sei, das hier im Hause wohne. Susanna

nachher unsere Kostüme wieder anziehen und heute abend auf den Gauklerball gehen. — Die anderen wollen wir gar nicht erst wecken, das Weitere wird sich hier dann schon irgendwie entwickeln,“ sie seufzte ein bißchen — „ach Gott, es ist wirklich keine Kleinigkeit, wenn die Verantwortung für so vieler Leute Wohlergehen auf einem ruht.“

Ermattet legt sie sich auf die Polster in die Nähe des Ofens, schließt die Augen und scheint in eine Art Halbschlaf zu versinken. Willy und ich sprechen mit gedämpfter Stimme weiter — hier und da ermuntert Susanna sich ein wenig, beteiligt sich am Gespräch oder langt nach ihrer Teetasse. Unvermerkt geraten wir wieder auf die heidnischen Ideen und ihre Verwirklichung in unserer heutigen Welt. Ich erzähle von meiner nächtlichen Unterhaltung mit dem Herrn im Frack.

„Ach, der Georg,“ — sagt Willy — „er möchte sie immer noch gerne heiraten, und ich nenne ihn den standhaften Zinnsoldaten — Maria ärgert sich darüber, aber sie hat immer einen oder den anderen Zinnsoldaten, als Gegengewicht oder zur Erholung von ihrer heidnischen Betätigung.“

Ein Wort gab das andere, und ich erkundigte mich mit größtmöglicher Diskretion, ob es etwa Marias Kind sei, das hier im Hause wohne. Susanna

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="letter" n="2">
          <p><pb facs="#f0101" n="97"/>
nachher unsere Kostüme wieder anziehen und heute abend auf den Gauklerball gehen. &#x2014; Die anderen wollen wir gar nicht erst wecken, das Weitere wird sich hier dann schon irgendwie entwickeln,&#x201C; sie seufzte ein bißchen &#x2014; &#x201E;ach Gott, es ist wirklich keine Kleinigkeit, wenn die Verantwortung für so vieler Leute Wohlergehen auf einem ruht.&#x201C;</p>
          <p>Ermattet legt sie sich auf die Polster in die Nähe des Ofens, schließt die Augen und scheint in eine Art Halbschlaf zu versinken. Willy und ich sprechen mit gedämpfter Stimme weiter &#x2014; hier und da ermuntert Susanna sich ein wenig, beteiligt sich am Gespräch oder langt nach ihrer Teetasse. Unvermerkt geraten wir wieder auf die heidnischen Ideen und ihre Verwirklichung in unserer heutigen Welt. Ich erzähle von meiner nächtlichen Unterhaltung mit dem Herrn im Frack.</p>
          <p>&#x201E;Ach, der Georg,&#x201C; &#x2014; sagt Willy &#x2014; &#x201E;er möchte sie immer noch gerne heiraten, und ich nenne ihn den standhaften Zinnsoldaten &#x2014; Maria ärgert sich darüber, aber sie hat immer einen oder den anderen Zinnsoldaten, als Gegengewicht oder zur Erholung von ihrer heidnischen Betätigung.&#x201C;</p>
          <p>Ein Wort gab das andere, und ich erkundigte mich mit größtmöglicher Diskretion, ob es etwa Marias Kind sei, das hier im Hause wohne. Susanna
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0101] nachher unsere Kostüme wieder anziehen und heute abend auf den Gauklerball gehen. — Die anderen wollen wir gar nicht erst wecken, das Weitere wird sich hier dann schon irgendwie entwickeln,“ sie seufzte ein bißchen — „ach Gott, es ist wirklich keine Kleinigkeit, wenn die Verantwortung für so vieler Leute Wohlergehen auf einem ruht.“ Ermattet legt sie sich auf die Polster in die Nähe des Ofens, schließt die Augen und scheint in eine Art Halbschlaf zu versinken. Willy und ich sprechen mit gedämpfter Stimme weiter — hier und da ermuntert Susanna sich ein wenig, beteiligt sich am Gespräch oder langt nach ihrer Teetasse. Unvermerkt geraten wir wieder auf die heidnischen Ideen und ihre Verwirklichung in unserer heutigen Welt. Ich erzähle von meiner nächtlichen Unterhaltung mit dem Herrn im Frack. „Ach, der Georg,“ — sagt Willy — „er möchte sie immer noch gerne heiraten, und ich nenne ihn den standhaften Zinnsoldaten — Maria ärgert sich darüber, aber sie hat immer einen oder den anderen Zinnsoldaten, als Gegengewicht oder zur Erholung von ihrer heidnischen Betätigung.“ Ein Wort gab das andere, und ich erkundigte mich mit größtmöglicher Diskretion, ob es etwa Marias Kind sei, das hier im Hause wohne. Susanna

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913/101
Zitationshilfe: Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913/101>, abgerufen am 03.05.2024.