"Ach, Victorin! ... Aber lassen sie uns den Priester hier behalten, wir haben lange keinem Got- tesdienst beygewohnt" ...
"Ein glücklicher Einfall! aber wenn der Groß- vogel uns ihn wegholt, sogar am hellen Tage, wie er es schon gethan hat?"
"Sie haben Recht, Victorin!"
"Ach Madam! daß ich ihrer würdig wäre!"
"Hören sie, Victorin, im Ernst, sind wir auf unsre ganze Lebenszeit hier? ... Hintergehn sie mich nicht!"
"O mein Gott, freylich Madam, zum Unglück für sie! ... denn ... für meinen Theil, ich bin überall glücklich, wo sie sich befinden."
"Auf den Fall, Victorin ...
"Reden sie, Madam! ... Ach wär' ich ihres gleichen, dann wollt' ich sie nicht in die Verlegenheit setzen, die erste Erklärung zu thun! Aber die Ehr- furcht wird in Ewigkeit meine Lippen verschließen ... Rechnen sie übrigens drauf, Madam, in mir einen eben so untergebenen als zärtlichen Liebhaber zu fin- den ... Befördern sie mein Glück, und ich wollte ihnen beynah für das ihrige Bürge seyn.
"Aber Victorin! was würde mein Vater sa- gen!"
"Wir wollen ihn schon auf andre Gedanken brin- gen, Madam: ich werde mich nicht eher vor ihm
sehn
„Ach, Victorin! … Aber laſſen ſie uns den Prieſter hier behalten, wir haben lange keinem Got- tesdienſt beygewohnt‟ …
„Ein gluͤcklicher Einfall! aber wenn der Groß- vogel uns ihn wegholt, ſogar am hellen Tage, wie er es ſchon gethan hat?‟
„Sie haben Recht, Victorin!‟
„Ach Madam! daß ich ihrer wuͤrdig waͤre!‟
„Hoͤren ſie, Victorin, im Ernſt, ſind wir auf unſre ganze Lebenszeit hier? … Hintergehn ſie mich nicht!‟
„O mein Gott, freylich Madam, zum Ungluͤck fuͤr ſie! … denn … fuͤr meinen Theil, ich bin uͤberall gluͤcklich, wo ſie ſich befinden.‟
„Auf den Fall, Victorin …
„Reden ſie, Madam! … Ach waͤr’ ich ihres gleichen, dann wollt’ ich ſie nicht in die Verlegenheit ſetzen, die erſte Erklaͤrung zu thun! Aber die Ehr- furcht wird in Ewigkeit meine Lippen verſchließen … Rechnen ſie uͤbrigens drauf, Madam, in mir einen eben ſo untergebenen als zaͤrtlichen Liebhaber zu fin- den … Befoͤrdern ſie mein Gluͤck, und ich wollte ihnen beynah fuͤr das ihrige Buͤrge ſeyn.
„Aber Victorin! was wuͤrde mein Vater ſa- gen!‟
„Wir wollen ihn ſchon auf andre Gedanken brin- gen, Madam: ich werde mich nicht eher vor ihm
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„Ach, Victorin! … Aber laſſen ſie uns den
Prieſter hier behalten, wir haben lange keinem Got-
tesdienſt beygewohnt‟ …
„Ein gluͤcklicher Einfall! aber wenn der Groß-
vogel uns ihn wegholt, ſogar am hellen Tage, wie
er es ſchon gethan hat?‟
„Sie haben Recht, Victorin!‟
„Ach Madam! daß ich ihrer wuͤrdig waͤre!‟
„Hoͤren ſie, Victorin, im Ernſt, ſind wir auf
unſre ganze Lebenszeit hier? … Hintergehn ſie
mich nicht!‟
„O mein Gott, freylich Madam, zum Ungluͤck
fuͤr ſie! … denn … fuͤr meinen Theil, ich bin
uͤberall gluͤcklich, wo ſie ſich befinden.‟
„Auf den Fall, Victorin …
„Reden ſie, Madam! … Ach waͤr’ ich ihres
gleichen, dann wollt’ ich ſie nicht in die Verlegenheit
ſetzen, die erſte Erklaͤrung zu thun! Aber die Ehr-
furcht wird in Ewigkeit meine Lippen verſchließen …
Rechnen ſie uͤbrigens drauf, Madam, in mir einen
eben ſo untergebenen als zaͤrtlichen Liebhaber zu fin-
den … Befoͤrdern ſie mein Gluͤck, und ich wollte
ihnen beynah fuͤr das ihrige Buͤrge ſeyn.
„Aber Victorin! was wuͤrde mein Vater ſa-
gen!‟
„Wir wollen ihn ſchon auf andre Gedanken brin-
gen, Madam: ich werde mich nicht eher vor ihm
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Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/82>, abgerufen am 17.02.2025.
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