er aus, kam vor Tages Anbruch an, kaufte ein, und brachte die Sachen die folgende Nacht fort, nachdem er die Vorsicht gebraucht hatte, sie gegen Abend an einen ihm bequemen Ort zu bringen.
Endlich war alles zu Christinens Aufnahme vor- bereitet. Nach geendigter Erndte, ließ er eine Windmühle bauen, um das Getreide darauf zu mahlen; Alles zur Nothdurft gehörige war besorgt, und er beschloß nunmehr die Entführung seiner Ge- liebten. Ein glückliches Ohngefähr verschafte ihm sogar die Gelegenheit einen Koffer, worinn ihre schönsten Kostbarkeiten sich befanden, habhaft zu werden.
Christine sollte in die Stadt reisen; weil sich Victorin so gut da gebildet hatte, hielt der gnädige Herr diesen Aufenthalt auch für seine Tochter sehr nothwendig. Der Tag vor der Abreise erschien und der Wagen war schon aufgepackt. Victorin unter- suchte am Abend alles genau: Er trug in der Nacht fast alles, was seiner Gebieterinn gehörte, weg, und machte in dieser Nacht zwey Reisen nach dem unbe- steiglichen Berge. Jn der erstern trug er den Kof- fer weg, und in der zweyten lauert er auf den Au- genblick, wenn Christine zur Abreise erscheinen wür- de. Dies sollte sehr früh geschehen, weil man zum Mittagsessen in der Stadt seyn wollte.
Seine Erwartung betrog sich nicht. Mit An- bruch der Morgenröthe war auf dem Schlosse zu B-m-t alles munter. Es schien kein Mond, son- dern es herrschte eine völlige Dunkelheit. Victorin,
der
er aus, kam vor Tages Anbruch an, kaufte ein, und brachte die Sachen die folgende Nacht fort, nachdem er die Vorſicht gebraucht hatte, ſie gegen Abend an einen ihm bequemen Ort zu bringen.
Endlich war alles zu Chriſtinens Aufnahme vor- bereitet. Nach geendigter Erndte, ließ er eine Windmuͤhle bauen, um das Getreide darauf zu mahlen; Alles zur Nothdurft gehoͤrige war beſorgt, und er beſchloß nunmehr die Entfuͤhrung ſeiner Ge- liebten. Ein gluͤckliches Ohngefaͤhr verſchafte ihm ſogar die Gelegenheit einen Koffer, worinn ihre ſchoͤnſten Koſtbarkeiten ſich befanden, habhaft zu werden.
Chriſtine ſollte in die Stadt reiſen; weil ſich Victorin ſo gut da gebildet hatte, hielt der gnaͤdige Herr dieſen Aufenthalt auch fuͤr ſeine Tochter ſehr nothwendig. Der Tag vor der Abreiſe erſchien und der Wagen war ſchon aufgepackt. Victorin unter- ſuchte am Abend alles genau: Er trug in der Nacht faſt alles, was ſeiner Gebieterinn gehoͤrte, weg, und machte in dieſer Nacht zwey Reiſen nach dem unbe- ſteiglichen Berge. Jn der erſtern trug er den Kof- fer weg, und in der zweyten lauert er auf den Au- genblick, wenn Chriſtine zur Abreiſe erſcheinen wuͤr- de. Dies ſollte ſehr fruͤh geſchehen, weil man zum Mittagseſſen in der Stadt ſeyn wollte.
Seine Erwartung betrog ſich nicht. Mit An- bruch der Morgenroͤthe war auf dem Schloſſe zu B-m-t alles munter. Es ſchien kein Mond, ſon- dern es herrſchte eine voͤllige Dunkelheit. Victorin,
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er aus, kam vor Tages Anbruch an, kaufte ein,
und brachte die Sachen die folgende Nacht fort,
nachdem er die Vorſicht gebraucht hatte, ſie gegen
Abend an einen ihm bequemen Ort zu bringen.
Endlich war alles zu Chriſtinens Aufnahme vor-
bereitet. Nach geendigter Erndte, ließ er eine
Windmuͤhle bauen, um das Getreide darauf zu
mahlen; Alles zur Nothdurft gehoͤrige war beſorgt,
und er beſchloß nunmehr die Entfuͤhrung ſeiner Ge-
liebten. Ein gluͤckliches Ohngefaͤhr verſchafte ihm
ſogar die Gelegenheit einen Koffer, worinn ihre
ſchoͤnſten Koſtbarkeiten ſich befanden, habhaft zu
werden.
Chriſtine ſollte in die Stadt reiſen; weil ſich
Victorin ſo gut da gebildet hatte, hielt der gnaͤdige
Herr dieſen Aufenthalt auch fuͤr ſeine Tochter ſehr
nothwendig. Der Tag vor der Abreiſe erſchien und
der Wagen war ſchon aufgepackt. Victorin unter-
ſuchte am Abend alles genau: Er trug in der Nacht
faſt alles, was ſeiner Gebieterinn gehoͤrte, weg, und
machte in dieſer Nacht zwey Reiſen nach dem unbe-
ſteiglichen Berge. Jn der erſtern trug er den Kof-
fer weg, und in der zweyten lauert er auf den Au-
genblick, wenn Chriſtine zur Abreiſe erſcheinen wuͤr-
de. Dies ſollte ſehr fruͤh geſchehen, weil man zum
Mittagseſſen in der Stadt ſeyn wollte.
Seine Erwartung betrog ſich nicht. Mit An-
bruch der Morgenroͤthe war auf dem Schloſſe zu
B-m-t alles munter. Es ſchien kein Mond, ſon-
dern es herrſchte eine voͤllige Dunkelheit. Victorin,
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Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/64>, abgerufen am 15.08.2024.
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