Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite



ich will ihnen eine Maschine zeigen, mit welcher es
ein Pferd thun soll."

"O so schenk ich dir das erstere, sprach der gute
Herr für Freuden, denn dies ist nützlicher! ...
Aber mein Kind, weißt du auch, daß dein Glück ge-
macht ist, so bald du willst."

"Jch fühle keinen Ehrgeiz, erwiderte Victorin,
und wenn das menschliche Herz keiner sanftern Lei-
denschaften fähig wäre, würd' ich in meinem gegen-
wärtigen Zustande glücklich genug seyn. ... seine
Augen wandten sich hier wider seinen Willen auf
Christinen, mit einem solchen Ausdruck der Achtung
und der Zärtlichkeit, daß es die junge Dame wahr-
scheinlich verstand, denn sie ward einer an einem
schönen Tage aufblühenden Rose ähnlich."

"Du sollst nur eine kleine Verbesserung an
Christinens Wagen machen."

"Morgen des Tages antwortete der junge
Mensch mit Wärme."

Alle Damen machten bey Victorin Bestellungen
und die Männer kamen mit unterthänigen Bittschrei-
ben bey ihm ein: er versprach zu thun, was ihm
möglich wäre.

Gleich den folgenden Morgen legt' er für seinen
gnädigen Herrn die Hand ans Werk, und durch
Hülfe des Schlossers und des Rademachers bracht'
er die Maschine in drey Tagen zu Stande. Er kam
sie zu versuchen, als Christinens Vater nicht zu Hause
war; aber die Schöne fand sich dabey ein, und

sahe



ich will ihnen eine Maſchine zeigen, mit welcher es
ein Pferd thun ſoll.‟

„O ſo ſchenk ich dir das erſtere, ſprach der gute
Herr fuͤr Freuden, denn dies iſt nuͤtzlicher! …
Aber mein Kind, weißt du auch, daß dein Gluͤck ge-
macht iſt, ſo bald du willſt.‟

„Jch fuͤhle keinen Ehrgeiz, erwiderte Victorin,
und wenn das menſchliche Herz keiner ſanftern Lei-
denſchaften faͤhig waͤre, wuͤrd’ ich in meinem gegen-
waͤrtigen Zuſtande gluͤcklich genug ſeyn. … ſeine
Augen wandten ſich hier wider ſeinen Willen auf
Chriſtinen, mit einem ſolchen Ausdruck der Achtung
und der Zaͤrtlichkeit, daß es die junge Dame wahr-
ſcheinlich verſtand, denn ſie ward einer an einem
ſchoͤnen Tage aufbluͤhenden Roſe aͤhnlich.‟

„Du ſollſt nur eine kleine Verbeſſerung an
Chriſtinens Wagen machen.‟

„Morgen des Tages antwortete der junge
Menſch mit Waͤrme.‟

Alle Damen machten bey Victorin Beſtellungen
und die Maͤnner kamen mit unterthaͤnigen Bittſchrei-
ben bey ihm ein: er verſprach zu thun, was ihm
moͤglich waͤre.

Gleich den folgenden Morgen legt’ er fuͤr ſeinen
gnaͤdigen Herrn die Hand ans Werk, und durch
Huͤlfe des Schloſſers und des Rademachers bracht’
er die Maſchine in drey Tagen zu Stande. Er kam
ſie zu verſuchen, als Chriſtinens Vater nicht zu Hauſe
war; aber die Schoͤne fand ſich dabey ein, und

ſahe
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0062" n="54"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ich will ihnen eine Ma&#x017F;chine zeigen, mit welcher es<lb/>
ein Pferd thun &#x017F;oll.&#x201F;</p><lb/>
        <p>&#x201E;O &#x017F;o &#x017F;chenk ich dir das er&#x017F;tere, &#x017F;prach der gute<lb/>
Herr fu&#x0364;r Freuden, denn dies i&#x017F;t nu&#x0364;tzlicher! &#x2026;<lb/>
Aber mein Kind, weißt du auch, daß dein Glu&#x0364;ck ge-<lb/>
macht i&#x017F;t, &#x017F;o bald du will&#x017F;t.&#x201F;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jch fu&#x0364;hle keinen Ehrgeiz, erwiderte Victorin,<lb/>
und wenn das men&#x017F;chliche Herz keiner &#x017F;anftern Lei-<lb/>
den&#x017F;chaften fa&#x0364;hig wa&#x0364;re, wu&#x0364;rd&#x2019; ich in meinem gegen-<lb/>
wa&#x0364;rtigen Zu&#x017F;tande glu&#x0364;cklich genug &#x017F;eyn. &#x2026; &#x017F;eine<lb/>
Augen wandten &#x017F;ich hier wider &#x017F;einen Willen auf<lb/>
Chri&#x017F;tinen, mit einem &#x017F;olchen Ausdruck der Achtung<lb/>
und der Za&#x0364;rtlichkeit, daß es die junge Dame wahr-<lb/>
&#x017F;cheinlich ver&#x017F;tand, denn &#x017F;ie ward einer an einem<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;nen Tage aufblu&#x0364;henden Ro&#x017F;e a&#x0364;hnlich.&#x201F;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du &#x017F;oll&#x017F;t nur eine kleine Verbe&#x017F;&#x017F;erung an<lb/>
Chri&#x017F;tinens Wagen machen.&#x201F;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Morgen des Tages antwortete der junge<lb/>
Men&#x017F;ch mit Wa&#x0364;rme.&#x201F;</p><lb/>
        <p>Alle Damen machten bey Victorin Be&#x017F;tellungen<lb/>
und die Ma&#x0364;nner kamen mit untertha&#x0364;nigen Bitt&#x017F;chrei-<lb/>
ben bey ihm ein: er ver&#x017F;prach zu thun, was ihm<lb/>
mo&#x0364;glich wa&#x0364;re.</p><lb/>
        <p>Gleich den folgenden Morgen legt&#x2019; er fu&#x0364;r &#x017F;einen<lb/>
gna&#x0364;digen Herrn die Hand ans Werk, und durch<lb/>
Hu&#x0364;lfe des Schlo&#x017F;&#x017F;ers und des Rademachers bracht&#x2019;<lb/>
er die Ma&#x017F;chine in drey Tagen zu Stande. Er kam<lb/>
&#x017F;ie zu ver&#x017F;uchen, als Chri&#x017F;tinens Vater nicht zu Hau&#x017F;e<lb/>
war; aber die Scho&#x0364;ne fand &#x017F;ich dabey ein, und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ahe</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0062] ich will ihnen eine Maſchine zeigen, mit welcher es ein Pferd thun ſoll.‟ „O ſo ſchenk ich dir das erſtere, ſprach der gute Herr fuͤr Freuden, denn dies iſt nuͤtzlicher! … Aber mein Kind, weißt du auch, daß dein Gluͤck ge- macht iſt, ſo bald du willſt.‟ „Jch fuͤhle keinen Ehrgeiz, erwiderte Victorin, und wenn das menſchliche Herz keiner ſanftern Lei- denſchaften faͤhig waͤre, wuͤrd’ ich in meinem gegen- waͤrtigen Zuſtande gluͤcklich genug ſeyn. … ſeine Augen wandten ſich hier wider ſeinen Willen auf Chriſtinen, mit einem ſolchen Ausdruck der Achtung und der Zaͤrtlichkeit, daß es die junge Dame wahr- ſcheinlich verſtand, denn ſie ward einer an einem ſchoͤnen Tage aufbluͤhenden Roſe aͤhnlich.‟ „Du ſollſt nur eine kleine Verbeſſerung an Chriſtinens Wagen machen.‟ „Morgen des Tages antwortete der junge Menſch mit Waͤrme.‟ Alle Damen machten bey Victorin Beſtellungen und die Maͤnner kamen mit unterthaͤnigen Bittſchrei- ben bey ihm ein: er verſprach zu thun, was ihm moͤglich waͤre. Gleich den folgenden Morgen legt’ er fuͤr ſeinen gnaͤdigen Herrn die Hand ans Werk, und durch Huͤlfe des Schloſſers und des Rademachers bracht’ er die Maſchine in drey Tagen zu Stande. Er kam ſie zu verſuchen, als Chriſtinens Vater nicht zu Hauſe war; aber die Schoͤne fand ſich dabey ein, und ſahe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/62
Zitationshilfe: Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/62>, abgerufen am 07.05.2024.