Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite


"Auch war dies ja meine Absicht nicht, mein
Herr, erwiderte Victorin: ihre Pferde sollen vor
dem Wagen bleiben, aber sie sollen blos mit den
Zügeln daran befestigt seyn; und dies soll die Be-
wunderung der ganzen Stadt auf sich ziehn."

Bey diesen Worten warf der Petitmaitre ganz
entzückt vor Freuden, so eingebildet, eitel und stolz
er war, sich dem Schreiber eines Sachwalters um
den Hals, küßt' ihn zweymal und nannt' ihn seinen
Freund. -- Wenn können sie dies Wunder aus-
führen? fragt' er ihn.

Sie müssen wissen, erwiderte Victorin, daß
ich mich hierzu keiner schwarzen Kunst bediene ...

"Wenn auch! unterbrach der Petitmaitre mit
Wärme ...."

"Und doch geschieht es nicht; Jch darf blos
gewisse Federn in ihrem Wagen anbringen: morgen
des Tages will ich Hand daran legen, und in acht
Tagen längstens sollen sie das Vergnügen haben die
Stadt in Staunen zu setzen, und in der ganzen Pro-
vinz, im ganzen Königreiche, in ganz Europa und
vielleicht in der ganzen Welt, denn ich will ihnen
die Ehre der Erfindung überlassen --"

Ach! die muß man keinem Menschen entdecken,
rufte der Petitmaitre aus, und drehte sich für Freu-
den einmal herum.

Von diesem Augenblick an, ward Victorin der
Vertraute dieses reichen jungen Mannes; überall

war


„Auch war dies ja meine Abſicht nicht, mein
Herr, erwiderte Victorin: ihre Pferde ſollen vor
dem Wagen bleiben, aber ſie ſollen blos mit den
Zuͤgeln daran befeſtigt ſeyn; und dies ſoll die Be-
wunderung der ganzen Stadt auf ſich ziehn.‟

Bey dieſen Worten warf der Petitmaitre ganz
entzuͤckt vor Freuden, ſo eingebildet, eitel und ſtolz
er war, ſich dem Schreiber eines Sachwalters um
den Hals, kuͤßt’ ihn zweymal und nannt’ ihn ſeinen
Freund. — Wenn koͤnnen ſie dies Wunder aus-
fuͤhren? fragt’ er ihn.

Sie muͤſſen wiſſen, erwiderte Victorin, daß
ich mich hierzu keiner ſchwarzen Kunſt bediene …

„Wenn auch! unterbrach der Petitmaitre mit
Waͤrme ….‟

„Und doch geſchieht es nicht; Jch darf blos
gewiſſe Federn in ihrem Wagen anbringen: morgen
des Tages will ich Hand daran legen, und in acht
Tagen laͤngſtens ſollen ſie das Vergnuͤgen haben die
Stadt in Staunen zu ſetzen, und in der ganzen Pro-
vinz, im ganzen Koͤnigreiche, in ganz Europa und
vielleicht in der ganzen Welt, denn ich will ihnen
die Ehre der Erfindung uͤberlaſſen —‟

Ach! die muß man keinem Menſchen entdecken,
rufte der Petitmaitre aus, und drehte ſich fuͤr Freu-
den einmal herum.

Von dieſem Augenblick an, ward Victorin der
Vertraute dieſes reichen jungen Mannes; uͤberall

war
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0051" n="43"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>&#x201E;Auch war dies ja meine Ab&#x017F;icht nicht, mein<lb/>
Herr, erwiderte Victorin: ihre Pferde &#x017F;ollen vor<lb/>
dem Wagen bleiben, aber &#x017F;ie &#x017F;ollen blos mit den<lb/>
Zu&#x0364;geln daran befe&#x017F;tigt &#x017F;eyn; und dies &#x017F;oll die Be-<lb/>
wunderung der ganzen Stadt auf &#x017F;ich ziehn.&#x201F;</p><lb/>
        <p>Bey die&#x017F;en Worten warf der Petitmaitre ganz<lb/>
entzu&#x0364;ckt vor Freuden, &#x017F;o eingebildet, eitel und &#x017F;tolz<lb/>
er war, &#x017F;ich dem Schreiber eines Sachwalters um<lb/>
den Hals, ku&#x0364;ßt&#x2019; ihn zweymal und nannt&#x2019; ihn &#x017F;einen<lb/>
Freund. &#x2014; Wenn ko&#x0364;nnen &#x017F;ie dies Wunder aus-<lb/>
fu&#x0364;hren? fragt&#x2019; er ihn.</p><lb/>
        <p>Sie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wi&#x017F;&#x017F;en, erwiderte Victorin, daß<lb/>
ich mich hierzu keiner &#x017F;chwarzen Kun&#x017F;t bediene &#x2026;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wenn auch! unterbrach der Petitmaitre mit<lb/>
Wa&#x0364;rme &#x2026;.&#x201F;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und doch ge&#x017F;chieht es nicht; Jch darf blos<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;e Federn in ihrem Wagen anbringen: morgen<lb/>
des Tages will ich Hand daran legen, und in acht<lb/>
Tagen la&#x0364;ng&#x017F;tens &#x017F;ollen &#x017F;ie das Vergnu&#x0364;gen haben die<lb/>
Stadt in Staunen zu &#x017F;etzen, und in der ganzen Pro-<lb/>
vinz, im ganzen Ko&#x0364;nigreiche, in ganz Europa und<lb/>
vielleicht in der ganzen Welt, denn ich will ihnen<lb/>
die Ehre der Erfindung u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en &#x2014;&#x201F;</p><lb/>
        <p>Ach! die muß man keinem Men&#x017F;chen entdecken,<lb/>
rufte der Petitmaitre aus, und drehte &#x017F;ich fu&#x0364;r Freu-<lb/>
den einmal herum.</p><lb/>
        <p>Von die&#x017F;em Augenblick an, ward Victorin der<lb/>
Vertraute die&#x017F;es reichen jungen Mannes; u&#x0364;berall<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">war</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0051] „Auch war dies ja meine Abſicht nicht, mein Herr, erwiderte Victorin: ihre Pferde ſollen vor dem Wagen bleiben, aber ſie ſollen blos mit den Zuͤgeln daran befeſtigt ſeyn; und dies ſoll die Be- wunderung der ganzen Stadt auf ſich ziehn.‟ Bey dieſen Worten warf der Petitmaitre ganz entzuͤckt vor Freuden, ſo eingebildet, eitel und ſtolz er war, ſich dem Schreiber eines Sachwalters um den Hals, kuͤßt’ ihn zweymal und nannt’ ihn ſeinen Freund. — Wenn koͤnnen ſie dies Wunder aus- fuͤhren? fragt’ er ihn. Sie muͤſſen wiſſen, erwiderte Victorin, daß ich mich hierzu keiner ſchwarzen Kunſt bediene … „Wenn auch! unterbrach der Petitmaitre mit Waͤrme ….‟ „Und doch geſchieht es nicht; Jch darf blos gewiſſe Federn in ihrem Wagen anbringen: morgen des Tages will ich Hand daran legen, und in acht Tagen laͤngſtens ſollen ſie das Vergnuͤgen haben die Stadt in Staunen zu ſetzen, und in der ganzen Pro- vinz, im ganzen Koͤnigreiche, in ganz Europa und vielleicht in der ganzen Welt, denn ich will ihnen die Ehre der Erfindung uͤberlaſſen —‟ Ach! die muß man keinem Menſchen entdecken, rufte der Petitmaitre aus, und drehte ſich fuͤr Freu- den einmal herum. Von dieſem Augenblick an, ward Victorin der Vertraute dieſes reichen jungen Mannes; uͤberall war

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/51
Zitationshilfe: Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/51>, abgerufen am 06.05.2024.