Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.unbemerkbare Hautwurm dem Elephanten helfen wol- te; Portugiesen, die Menschen von allen Religionen sind Brüder: der Stifter des Christenthums versi- chert den Juden ausdrücklich, daß der wohlthätige Samaritaner ihnen näher sei, als einer von ihren harten unbarmherzigen Brüdern. Betrachtet daher den Juden, den Türken, den Mauren, den Prote- stanten als euren Nächsten; denn sie sind es; Jesus hats gesagt: der erste unter euch, welcher es wagt in Eifer zu gerathen, müsse als ein Stifter öffentlicher Unruhen behandelt werden. Die Kezzermacherei ist das abscheulichste unter allen Lastern, das sich mit der Vernunft und dem gesunden Verstande am wenig- sten verträgt. Sie ist ein Gift, welches weit gefähr- licher als Ottern und Schlangen ist. Jhr Portugiesen von Goa, gebt auf diese Worte recht Achtung: Jch fliegender Mensch, der ich eure Schlachtopfer so eben dem Tode entrissen habe, ich werde die Menschlichkeit rächen, wenn ihr sie noch länger beleidigt; Lebt wohl!" Damit floh er fort, und versetzte das ganze Volk Meinung, A a 5
unbemerkbare Hautwurm dem Elephanten helfen wol- te; Portugieſen, die Menſchen von allen Religionen ſind Bruͤder: der Stifter des Chriſtenthums verſi- chert den Juden ausdruͤcklich, daß der wohlthaͤtige Samaritaner ihnen naͤher ſei, als einer von ihren harten unbarmherzigen Bruͤdern. Betrachtet daher den Juden, den Tuͤrken, den Mauren, den Prote- ſtanten als euren Naͤchſten; denn ſie ſind es; Jeſus hats geſagt: der erſte unter euch, welcher es wagt in Eifer zu gerathen, muͤſſe als ein Stifter oͤffentlicher Unruhen behandelt werden. Die Kezzermacherei iſt das abſcheulichſte unter allen Laſtern, das ſich mit der Vernunft und dem geſunden Verſtande am wenig- ſten vertraͤgt. Sie iſt ein Gift, welches weit gefaͤhr- licher als Ottern und Schlangen iſt. Jhr Portugieſen von Goa, gebt auf dieſe Worte recht Achtung: Jch fliegender Menſch, der ich eure Schlachtopfer ſo eben dem Tode entriſſen habe, ich werde die Menſchlichkeit raͤchen, wenn ihr ſie noch laͤnger beleidigt; Lebt wohl!‟ Damit floh er fort, und verſetzte das ganze Volk Meinung, A a 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0385" n="377"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> unbemerkbare Hautwurm dem Elephanten helfen wol-<lb/> te; Portugieſen, die Menſchen von allen Religionen<lb/> ſind Bruͤder: der Stifter des Chriſtenthums verſi-<lb/> chert den Juden ausdruͤcklich, daß der wohlthaͤtige<lb/> Samaritaner ihnen naͤher ſei, als einer von ihren<lb/> harten unbarmherzigen Bruͤdern. Betrachtet daher<lb/> den Juden, den Tuͤrken, den Mauren, den Prote-<lb/> ſtanten als euren Naͤchſten; denn ſie ſind es; Jeſus<lb/> hats geſagt: der erſte unter euch, welcher es wagt in<lb/> Eifer zu gerathen, muͤſſe als ein Stifter oͤffentlicher<lb/> Unruhen behandelt werden. Die Kezzermacherei iſt<lb/> das abſcheulichſte unter allen Laſtern, das ſich mit<lb/> der Vernunft und dem geſunden Verſtande am wenig-<lb/> ſten vertraͤgt. Sie iſt ein Gift, welches weit gefaͤhr-<lb/> licher als Ottern und Schlangen iſt. Jhr Portugieſen<lb/> von Goa, gebt auf dieſe Worte recht Achtung: Jch<lb/> fliegender Menſch, der ich eure Schlachtopfer ſo eben<lb/> dem Tode entriſſen habe, ich werde die Menſchlichkeit<lb/> raͤchen, wenn ihr ſie noch laͤnger beleidigt; Lebt wohl!‟</p><lb/> <p>Damit floh er fort, und verſetzte das ganze Volk<lb/> in Goa in ein ſo tiefes Staunen, daß der groͤßte Theil<lb/> der Einwohner den andern Morgen es fuͤr eine Taͤu-<lb/> ſchung hielt und glaubte, es waͤre kein fliegender<lb/> Menſch geſehn worden, ſondern eine Zuſammenrot-<lb/> tung haͤtte die Leidenden von dem Avto-da-fe befreit.<lb/> Deshalb hat der Vicekoͤnig, der dieſer Meinung war,<lb/> dieſen Vorfall niemals an ſeinen Hof berichtet, ſon-<lb/> dern ſich begnuͤgt, ſorgfaͤltige Unterſuchungen anzu-<lb/> ſtellen. Er hat aber, wie man ſich leicht vorſtellen<lb/> kan, nichts entdeckt. Demungeachtet iſt er der feſten<lb/> <fw place="bottom" type="sig">A a 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Meinung,</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [377/0385]
unbemerkbare Hautwurm dem Elephanten helfen wol-
te; Portugieſen, die Menſchen von allen Religionen
ſind Bruͤder: der Stifter des Chriſtenthums verſi-
chert den Juden ausdruͤcklich, daß der wohlthaͤtige
Samaritaner ihnen naͤher ſei, als einer von ihren
harten unbarmherzigen Bruͤdern. Betrachtet daher
den Juden, den Tuͤrken, den Mauren, den Prote-
ſtanten als euren Naͤchſten; denn ſie ſind es; Jeſus
hats geſagt: der erſte unter euch, welcher es wagt in
Eifer zu gerathen, muͤſſe als ein Stifter oͤffentlicher
Unruhen behandelt werden. Die Kezzermacherei iſt
das abſcheulichſte unter allen Laſtern, das ſich mit
der Vernunft und dem geſunden Verſtande am wenig-
ſten vertraͤgt. Sie iſt ein Gift, welches weit gefaͤhr-
licher als Ottern und Schlangen iſt. Jhr Portugieſen
von Goa, gebt auf dieſe Worte recht Achtung: Jch
fliegender Menſch, der ich eure Schlachtopfer ſo eben
dem Tode entriſſen habe, ich werde die Menſchlichkeit
raͤchen, wenn ihr ſie noch laͤnger beleidigt; Lebt wohl!‟
Damit floh er fort, und verſetzte das ganze Volk
in Goa in ein ſo tiefes Staunen, daß der groͤßte Theil
der Einwohner den andern Morgen es fuͤr eine Taͤu-
ſchung hielt und glaubte, es waͤre kein fliegender
Menſch geſehn worden, ſondern eine Zuſammenrot-
tung haͤtte die Leidenden von dem Avto-da-fe befreit.
Deshalb hat der Vicekoͤnig, der dieſer Meinung war,
dieſen Vorfall niemals an ſeinen Hof berichtet, ſon-
dern ſich begnuͤgt, ſorgfaͤltige Unterſuchungen anzu-
ſtellen. Er hat aber, wie man ſich leicht vorſtellen
kan, nichts entdeckt. Demungeachtet iſt er der feſten
Meinung,
A a 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |