Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.galanten Schaaren darboten. Auf der andern Seite bestrebten die Männer sich nicht minder zu gefallen: sie theilten sich in Legionen und stelten allerhand Uebungen vor den Frauenzimmern an, von denen sie durch Schranken abgesondert waren. Während der Zeit daß sie ausruhten, tanzten die Frauenzimmer. (Was wollen eure Opern in Ver- gleichung dieses Tanzes sagen, dessen Bewegungen von dem Verlangen einem Manne, den das Herz erkohren hat, zu gefallen, und durch den An- blick so vieler von neuem Feuer bereits entbranten Liebhaber beseelt werden!) Die Frauenzimmer, sag' ich, unternahmen wollüstige Tänze. Während der Liebeszeit wurden alle Arbeiten eingestelt; doch litt die Geselschaft darunter keinen Schaden, weil man diese Ruhe vorausgesehn und alles nöthige in Menge vorbereitet hatte. Es ist unbeschreiblich, in wel- chem Taumel von Freude und Trunkenheit ganz Megapatagonien sich zu dieser Zeit befand. Die Fastnachtslustbarkeiten in Europa, die von Vene- dig nicht ausgeschlossen, sind dagegen traurige Bilder. Hermantin hüpfte vor Freuden. Die ganze Nation schien veriüngt. Das Alter war bei beiden Geschlechtern verschwunden: Geputzt, liebenswürdig, heiter und gesund schmachteten sie alle, eins wie das andere nach dem Vergnügen, das eine neue Wahl ihnen versprach. Doch sahe man einige ruhiger, als die andern; eine gewisse Zufriedenheit, die sich über ihr Gesicht verbreitete, kündigte ihre Verfassung an; das waren dieienigen, die ihre Wahl von neuem bestätigten. Die Wei- ber
galanten Schaaren darboten. Auf der andern Seite beſtrebten die Maͤnner ſich nicht minder zu gefallen: ſie theilten ſich in Legionen und ſtelten allerhand Uebungen vor den Frauenzimmern an, von denen ſie durch Schranken abgeſondert waren. Waͤhrend der Zeit daß ſie ausruhten, tanzten die Frauenzimmer. (Was wollen eure Opern in Ver- gleichung dieſes Tanzes ſagen, deſſen Bewegungen von dem Verlangen einem Manne, den das Herz erkohren hat, zu gefallen, und durch den An- blick ſo vieler von neuem Feuer bereits entbranten Liebhaber beſeelt werden!) Die Frauenzimmer, ſag’ ich, unternahmen wolluͤſtige Taͤnze. Waͤhrend der Liebeszeit wurden alle Arbeiten eingeſtelt; doch litt die Geſelſchaft darunter keinen Schaden, weil man dieſe Ruhe vorausgeſehn und alles noͤthige in Menge vorbereitet hatte. Es iſt unbeſchreiblich, in wel- chem Taumel von Freude und Trunkenheit ganz Megapatagonien ſich zu dieſer Zeit befand. Die Faſtnachtsluſtbarkeiten in Europa, die von Vene- dig nicht ausgeſchloſſen, ſind dagegen traurige Bilder. Hermantin huͤpfte vor Freuden. Die ganze Nation ſchien veriuͤngt. Das Alter war bei beiden Geſchlechtern verſchwunden: Geputzt, liebenswuͤrdig, heiter und geſund ſchmachteten ſie alle, eins wie das andere nach dem Vergnuͤgen, das eine neue Wahl ihnen verſprach. Doch ſahe man einige ruhiger, als die andern; eine gewiſſe Zufriedenheit, die ſich uͤber ihr Geſicht verbreitete, kuͤndigte ihre Verfaſſung an; das waren dieienigen, die ihre Wahl von neuem beſtaͤtigten. Die Wei- ber
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0359" n="351"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> galanten Schaaren darboten. Auf der andern<lb/> Seite beſtrebten die Maͤnner ſich nicht minder zu<lb/> gefallen: ſie theilten ſich in Legionen und ſtelten<lb/> allerhand Uebungen vor den Frauenzimmern an,<lb/> von denen ſie durch Schranken abgeſondert waren.<lb/> Waͤhrend der Zeit daß ſie ausruhten, tanzten die<lb/> Frauenzimmer. (Was wollen eure Opern in Ver-<lb/> gleichung dieſes Tanzes ſagen, deſſen Bewegungen<lb/> von dem Verlangen einem Manne, den das Herz<lb/> erkohren hat, zu gefallen, und durch den An-<lb/> blick ſo vieler von neuem Feuer bereits entbranten<lb/> Liebhaber beſeelt werden!) Die Frauenzimmer, ſag’<lb/> ich, unternahmen wolluͤſtige Taͤnze. Waͤhrend der<lb/> Liebeszeit wurden alle Arbeiten eingeſtelt; doch litt<lb/> die Geſelſchaft darunter keinen Schaden, weil man<lb/> dieſe Ruhe vorausgeſehn und alles noͤthige in Menge<lb/> vorbereitet hatte. Es iſt unbeſchreiblich, in wel-<lb/> chem Taumel von Freude und Trunkenheit ganz<lb/> Megapatagonien ſich zu dieſer Zeit befand. Die<lb/> Faſtnachtsluſtbarkeiten in Europa, die von Vene-<lb/> dig nicht ausgeſchloſſen, ſind dagegen traurige<lb/> Bilder. Hermantin huͤpfte vor Freuden. Die<lb/> ganze Nation ſchien veriuͤngt. Das Alter war<lb/> bei beiden Geſchlechtern verſchwunden: Geputzt,<lb/> liebenswuͤrdig, heiter und geſund ſchmachteten ſie<lb/> alle, eins wie das andere nach dem Vergnuͤgen,<lb/> das eine neue Wahl ihnen verſprach. Doch ſahe<lb/> man einige ruhiger, als die andern; eine gewiſſe<lb/> Zufriedenheit, die ſich uͤber ihr Geſicht verbreitete,<lb/> kuͤndigte ihre Verfaſſung an; das waren dieienigen,<lb/> die ihre Wahl von neuem beſtaͤtigten. Die Wei-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ber</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [351/0359]
galanten Schaaren darboten. Auf der andern
Seite beſtrebten die Maͤnner ſich nicht minder zu
gefallen: ſie theilten ſich in Legionen und ſtelten
allerhand Uebungen vor den Frauenzimmern an,
von denen ſie durch Schranken abgeſondert waren.
Waͤhrend der Zeit daß ſie ausruhten, tanzten die
Frauenzimmer. (Was wollen eure Opern in Ver-
gleichung dieſes Tanzes ſagen, deſſen Bewegungen
von dem Verlangen einem Manne, den das Herz
erkohren hat, zu gefallen, und durch den An-
blick ſo vieler von neuem Feuer bereits entbranten
Liebhaber beſeelt werden!) Die Frauenzimmer, ſag’
ich, unternahmen wolluͤſtige Taͤnze. Waͤhrend der
Liebeszeit wurden alle Arbeiten eingeſtelt; doch litt
die Geſelſchaft darunter keinen Schaden, weil man
dieſe Ruhe vorausgeſehn und alles noͤthige in Menge
vorbereitet hatte. Es iſt unbeſchreiblich, in wel-
chem Taumel von Freude und Trunkenheit ganz
Megapatagonien ſich zu dieſer Zeit befand. Die
Faſtnachtsluſtbarkeiten in Europa, die von Vene-
dig nicht ausgeſchloſſen, ſind dagegen traurige
Bilder. Hermantin huͤpfte vor Freuden. Die
ganze Nation ſchien veriuͤngt. Das Alter war
bei beiden Geſchlechtern verſchwunden: Geputzt,
liebenswuͤrdig, heiter und geſund ſchmachteten ſie
alle, eins wie das andere nach dem Vergnuͤgen,
das eine neue Wahl ihnen verſprach. Doch ſahe
man einige ruhiger, als die andern; eine gewiſſe
Zufriedenheit, die ſich uͤber ihr Geſicht verbreitete,
kuͤndigte ihre Verfaſſung an; das waren dieienigen,
die ihre Wahl von neuem beſtaͤtigten. Die Wei-
ber
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |