entehrt, da keine Secten unter uns herrschen, so sind die Talente seiner Feinde nie mit Vorsatz her- abgewürdigt. Er hat nicht die Absicht ge- habt, Worten, welchen der Gebrauch die Bedeu- tung der Liebe und Liebhaber der Weisheit gegeben hat, eine gehässige Bedeutung beizulegen. Kurz er hat aus einem Buche, dessen Erfindung auf den ersten Anblick sehr verächtlich scheint, einen heiligen Tempel gemacht, wo die Nation in den künftigen Jahrhunderten das wahre Verdienst an- beten muß.
Glückliche Megapatagonen! rief Hermantin aus: Ach welch Vergnügen würde mein ehrwür- diger Grosvater empfinden, wenn er euch sehn und sprechen könte! Er würde seine Bewunderung besonders darüber äussern, daß ihr noch mehr die moralischen Gegenfüßler seines Landes, als der La- ge nach auf der Erdkugel seid! .... Aber wir wollen sein Alter bald durch die Nachricht beleben, die wir ihm von allen dem, was wir bei euch ler- nen, geben werden, nicht als ob unser ehrwürdiger Grosvater nicht eben so fürtrefliche Grundsätze als die eurigen kente. Er hat auf eure Halbkugel, die gegenwärtig die unsrige ist, eine Religion ge- bracht, welche die Gleichheit und Bruderliebe lehrt und zum Gesetz macht; welche den Grundsatz an- nimt, daß wir ohne Mitleid, das ist ohne die- ienige Tugend, welche uns Liebe und Achtung gegen unsre Brüder einflößt, nichts als niedrige und unglückliche Wesen sind. Alle Gesetze dieser Reli-
gion
entehrt, da keine Secten unter uns herrſchen, ſo ſind die Talente ſeiner Feinde nie mit Vorſatz her- abgewuͤrdigt. Er hat nicht die Abſicht ge- habt, Worten, welchen der Gebrauch die Bedeu- tung der Liebe und Liebhaber der Weisheit gegeben hat, eine gehaͤſſige Bedeutung beizulegen. Kurz er hat aus einem Buche, deſſen Erfindung auf den erſten Anblick ſehr veraͤchtlich ſcheint, einen heiligen Tempel gemacht, wo die Nation in den kuͤnftigen Jahrhunderten das wahre Verdienſt an- beten muß.
Gluͤckliche Megapatagonen! rief Hermantin aus: Ach welch Vergnuͤgen wuͤrde mein ehrwuͤr- diger Grosvater empfinden, wenn er euch ſehn und ſprechen koͤnte! Er wuͤrde ſeine Bewunderung beſonders daruͤber aͤuſſern, daß ihr noch mehr die moraliſchen Gegenfuͤßler ſeines Landes, als der La- ge nach auf der Erdkugel ſeid! …. Aber wir wollen ſein Alter bald durch die Nachricht beleben, die wir ihm von allen dem, was wir bei euch ler- nen, geben werden, nicht als ob unſer ehrwuͤrdiger Grosvater nicht eben ſo fuͤrtrefliche Grundſaͤtze als die eurigen kente. Er hat auf eure Halbkugel, die gegenwaͤrtig die unſrige iſt, eine Religion ge- bracht, welche die Gleichheit und Bruderliebe lehrt und zum Geſetz macht; welche den Grundſatz an- nimt, daß wir ohne Mitleid, das iſt ohne die- ienige Tugend, welche uns Liebe und Achtung gegen unſre Bruͤder einfloͤßt, nichts als niedrige und ungluͤckliche Weſen ſind. Alle Geſetze dieſer Reli-
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entehrt, da keine Secten unter uns herrſchen, ſo
ſind die Talente ſeiner Feinde nie mit Vorſatz her-
abgewuͤrdigt. Er hat nicht die Abſicht ge-
habt, Worten, welchen der Gebrauch die Bedeu-
tung der Liebe und Liebhaber der Weisheit gegeben
hat, eine gehaͤſſige Bedeutung beizulegen. Kurz
er hat aus einem Buche, deſſen Erfindung auf
den erſten Anblick ſehr veraͤchtlich ſcheint, einen
heiligen Tempel gemacht, wo die Nation in den
kuͤnftigen Jahrhunderten das wahre Verdienſt an-
beten muß.
Gluͤckliche Megapatagonen! rief Hermantin
aus: Ach welch Vergnuͤgen wuͤrde mein ehrwuͤr-
diger Grosvater empfinden, wenn er euch ſehn
und ſprechen koͤnte! Er wuͤrde ſeine Bewunderung
beſonders daruͤber aͤuſſern, daß ihr noch mehr die
moraliſchen Gegenfuͤßler ſeines Landes, als der La-
ge nach auf der Erdkugel ſeid! …. Aber wir
wollen ſein Alter bald durch die Nachricht beleben,
die wir ihm von allen dem, was wir bei euch ler-
nen, geben werden, nicht als ob unſer ehrwuͤrdiger
Grosvater nicht eben ſo fuͤrtrefliche Grundſaͤtze als
die eurigen kente. Er hat auf eure Halbkugel,
die gegenwaͤrtig die unſrige iſt, eine Religion ge-
bracht, welche die Gleichheit und Bruderliebe lehrt
und zum Geſetz macht; welche den Grundſatz an-
nimt, daß wir ohne Mitleid, das iſt ohne die-
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Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/355>, abgerufen am 17.07.2024.
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