Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.ratheten Personen. Das Verdienst giebt das Recht, das schönste Mädchen zu heirathen. Man ist eben nicht darum besorgt, der Neigung zu fol- gen, weil diese Ehen zu kurz sind, als daß sie die Verheiratheten unglücklich machen könten. Wann indes vor der Volziehung, oder an dem Tage selbst der iunge Mann und das iunge Mädchen die Schei- dung verlangen, so giebt man ihnen diese Erlaub- niß iedoch mit der Einschränkung, daß sie bis aufs künftige Jahr warten müssen, ehe sie sich wieder verheirathen. Diese Ehescheidung fält fast nie vor; weil allen nach dem Genus lüstet, und die dadurch erworbene Freiheit künftig nach Geschmack zu wählen, ihnen eine hinläng- liche Entschädigung scheint. Ein Ehebruch während der iährlichen Verbindung ist bei uns gänzlich unbekant und kein Beispiel davon vor- handen. Unsere Vorfahren hatten die Veranstal- tung getroffen, daß die Weiber ausdrücklich ge- meinschaftlich sein, und die Kinder keinem andern bekanten Vater als den Staat, und keine andre Mutter als das Vaterland haben solten; man hat aber gefunden, daß die Empfindung der Vater- schaft zu süß ist, als sich solcher zu berauben. Uebrigens ist das Betragen der Väter gegen die Kinder und dieser gegen die Eltern beinah eben so, als wenn sie einander unbekant waren. Alle Kin- der gehören der Nation: Vater und Mutter er- halten nur einige besondere Zärtlichkeiten mehr: die iungen Leute bedienen alles ohn' Unterschied, was älter, als sie ist, bis auf funfzig Jahr: in die-
ratheten Perſonen. Das Verdienſt giebt das Recht, das ſchoͤnſte Maͤdchen zu heirathen. Man iſt eben nicht darum beſorgt, der Neigung zu fol- gen, weil dieſe Ehen zu kurz ſind, als daß ſie die Verheiratheten ungluͤcklich machen koͤnten. Wann indes vor der Volziehung, oder an dem Tage ſelbſt der iunge Mann und das iunge Maͤdchen die Schei- dung verlangen, ſo giebt man ihnen dieſe Erlaub- niß iedoch mit der Einſchraͤnkung, daß ſie bis aufs kuͤnftige Jahr warten muͤſſen, ehe ſie ſich wieder verheirathen. Dieſe Eheſcheidung faͤlt faſt nie vor; weil allen nach dem Genus luͤſtet, und die dadurch erworbene Freiheit kuͤnftig nach Geſchmack zu waͤhlen, ihnen eine hinlaͤng- liche Entſchaͤdigung ſcheint. Ein Ehebruch waͤhrend der iaͤhrlichen Verbindung iſt bei uns gaͤnzlich unbekant und kein Beiſpiel davon vor- handen. Unſere Vorfahren hatten die Veranſtal- tung getroffen, daß die Weiber ausdruͤcklich ge- meinſchaftlich ſein, und die Kinder keinem andern bekanten Vater als den Staat, und keine andre Mutter als das Vaterland haben ſolten; man hat aber gefunden, daß die Empfindung der Vater- ſchaft zu ſuͤß iſt, als ſich ſolcher zu berauben. Uebrigens iſt das Betragen der Vaͤter gegen die Kinder und dieſer gegen die Eltern beinah eben ſo, als wenn ſie einander unbekant waren. Alle Kin- der gehoͤren der Nation: Vater und Mutter er- halten nur einige beſondere Zaͤrtlichkeiten mehr: die iungen Leute bedienen alles ohn’ Unterſchied, was aͤlter, als ſie iſt, bis auf funfzig Jahr: in die-
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ratheten Perſonen. Das Verdienſt giebt das
Recht, das ſchoͤnſte Maͤdchen zu heirathen. Man
iſt eben nicht darum beſorgt, der Neigung zu fol-
gen, weil dieſe Ehen zu kurz ſind, als daß ſie
die Verheiratheten ungluͤcklich machen koͤnten. Wann
indes vor der Volziehung, oder an dem Tage ſelbſt
der iunge Mann und das iunge Maͤdchen die Schei-
dung verlangen, ſo giebt man ihnen dieſe Erlaub-
niß iedoch mit der Einſchraͤnkung, daß ſie bis aufs
kuͤnftige Jahr warten muͤſſen, ehe ſie ſich wieder
verheirathen. Dieſe Eheſcheidung faͤlt faſt nie
vor; weil allen nach dem Genus luͤſtet, und
die dadurch erworbene Freiheit kuͤnftig nach
Geſchmack zu waͤhlen, ihnen eine hinlaͤng-
liche Entſchaͤdigung ſcheint. Ein Ehebruch
waͤhrend der iaͤhrlichen Verbindung iſt bei uns
gaͤnzlich unbekant und kein Beiſpiel davon vor-
handen. Unſere Vorfahren hatten die Veranſtal-
tung getroffen, daß die Weiber ausdruͤcklich ge-
meinſchaftlich ſein, und die Kinder keinem andern
bekanten Vater als den Staat, und keine andre
Mutter als das Vaterland haben ſolten; man hat
aber gefunden, daß die Empfindung der Vater-
ſchaft zu ſuͤß iſt, als ſich ſolcher zu berauben.
Uebrigens iſt das Betragen der Vaͤter gegen die
Kinder und dieſer gegen die Eltern beinah eben ſo,
als wenn ſie einander unbekant waren. Alle Kin-
der gehoͤren der Nation: Vater und Mutter er-
halten nur einige beſondere Zaͤrtlichkeiten mehr:
die iungen Leute bedienen alles ohn’ Unterſchied,
was aͤlter, als ſie iſt, bis auf funfzig Jahr: in
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