Hermantin wolte dieser ehrwürdigen Nation eine Anrede halten; aber er war ungewis, in welcher Sprache. Ganz von ungefähr wählt' er die pata- gonische, aber er merkte bald, daß sie nicht die Landessprache war, ob man sie gleich ver- stand; denn man antwortete ihm zwar in dieser Sprache, aber die Einwohner unter sich redeten dieienige, von welcher ich bereits einige Worte angeführt habe. Hier ist die patagonische Rede, welche Hermantin hielt, als er sich von einer zahl- reichen Versamlung beiderlei Geschlechts umringt sah. Die Weiber standen auf der einen, die Män- ner auf der andern Seite, in einer ziemlich sonder- baren Kleidung, denn ihr Kopfputz war unsern Schuhen ähnlich, ihre Schuhe hingegen hatten bei den Mannspersonen die Gestalt eines Huthes, und bei den Frauenzimmern die Form einer Haube.
-- Jhr, die ihr uns so gütig aufnehmt, er- lauchte Einwohner des schönsten Landes auf der Welt, ihr Grösten und Weisesten unter den Men- schen; wir kommen aus einem sehr entfernten Lan- de, meine Brüder und ich, um eure nützliche Un- terhaltungen und eure erhabenen Kentnisse zu ge- nüssen. Ganz Patagonien ist eures Lobes voll: sind wir, wie ihr aus unserm Wuchse sehen wer- det, gleich keine Patagonen, so sind wir doch mit dieser ehrwürdigen Nation von mütterlicher Seite verwand. Jhr fürtreflichen Männer werdet wissen, daß Patagonien, wo wir herkommen, an eine Jnsel stößt, welche ehmals die Nachtinsel
hieß,
d. fl. Mensch. T
Hermantin wolte dieſer ehrwuͤrdigen Nation eine Anrede halten; aber er war ungewis, in welcher Sprache. Ganz von ungefaͤhr waͤhlt’ er die pata- goniſche, aber er merkte bald, daß ſie nicht die Landesſprache war, ob man ſie gleich ver- ſtand; denn man antwortete ihm zwar in dieſer Sprache, aber die Einwohner unter ſich redeten dieienige, von welcher ich bereits einige Worte angefuͤhrt habe. Hier iſt die patagoniſche Rede, welche Hermantin hielt, als er ſich von einer zahl- reichen Verſamlung beiderlei Geſchlechts umringt ſah. Die Weiber ſtanden auf der einen, die Maͤn- ner auf der andern Seite, in einer ziemlich ſonder- baren Kleidung, denn ihr Kopfputz war unſern Schuhen aͤhnlich, ihre Schuhe hingegen hatten bei den Mannsperſonen die Geſtalt eines Huthes, und bei den Frauenzimmern die Form einer Haube.
— Jhr, die ihr uns ſo guͤtig aufnehmt, er- lauchte Einwohner des ſchoͤnſten Landes auf der Welt, ihr Groͤſten und Weiſeſten unter den Men- ſchen; wir kommen aus einem ſehr entfernten Lan- de, meine Bruͤder und ich, um eure nuͤtzliche Un- terhaltungen und eure erhabenen Kentniſſe zu ge- nuͤſſen. Ganz Patagonien iſt eures Lobes voll: ſind wir, wie ihr aus unſerm Wuchſe ſehen wer- det, gleich keine Patagonen, ſo ſind wir doch mit dieſer ehrwuͤrdigen Nation von muͤtterlicher Seite verwand. Jhr fuͤrtreflichen Maͤnner werdet wiſſen, daß Patagonien, wo wir herkommen, an eine Jnſel ſtoͤßt, welche ehmals die Nachtinſel
hieß,
d. fl. Menſch. T
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Hermantin wolte dieſer ehrwuͤrdigen Nation eine
Anrede halten; aber er war ungewis, in welcher
Sprache. Ganz von ungefaͤhr waͤhlt’ er die pata-
goniſche, aber er merkte bald, daß ſie nicht
die Landesſprache war, ob man ſie gleich ver-
ſtand; denn man antwortete ihm zwar in dieſer
Sprache, aber die Einwohner unter ſich redeten
dieienige, von welcher ich bereits einige Worte
angefuͤhrt habe. Hier iſt die patagoniſche Rede,
welche Hermantin hielt, als er ſich von einer zahl-
reichen Verſamlung beiderlei Geſchlechts umringt
ſah. Die Weiber ſtanden auf der einen, die Maͤn-
ner auf der andern Seite, in einer ziemlich ſonder-
baren Kleidung, denn ihr Kopfputz war unſern
Schuhen aͤhnlich, ihre Schuhe hingegen hatten
bei den Mannsperſonen die Geſtalt eines Huthes,
und bei den Frauenzimmern die Form einer Haube.
— Jhr, die ihr uns ſo guͤtig aufnehmt, er-
lauchte Einwohner des ſchoͤnſten Landes auf der
Welt, ihr Groͤſten und Weiſeſten unter den Men-
ſchen; wir kommen aus einem ſehr entfernten Lan-
de, meine Bruͤder und ich, um eure nuͤtzliche Un-
terhaltungen und eure erhabenen Kentniſſe zu ge-
nuͤſſen. Ganz Patagonien iſt eures Lobes voll:
ſind wir, wie ihr aus unſerm Wuchſe ſehen wer-
det, gleich keine Patagonen, ſo ſind wir doch mit
dieſer ehrwuͤrdigen Nation von muͤtterlicher Seite
verwand. Jhr fuͤrtreflichen Maͤnner werdet
wiſſen, daß Patagonien, wo wir herkommen,
an eine Jnſel ſtoͤßt, welche ehmals die Nachtinſel
hieß,
d. fl. Menſch. T
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Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/297>, abgerufen am 23.11.2024.
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