Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite


Hermantin wolte dieser ehrwürdigen Nation eine
Anrede halten; aber er war ungewis, in welcher
Sprache. Ganz von ungefähr wählt' er die pata-
gonische, aber er merkte bald, daß sie nicht
die Landessprache war, ob man sie gleich ver-
stand; denn man antwortete ihm zwar in dieser
Sprache, aber die Einwohner unter sich redeten
dieienige, von welcher ich bereits einige Worte
angeführt habe. Hier ist die patagonische Rede,
welche Hermantin hielt, als er sich von einer zahl-
reichen Versamlung beiderlei Geschlechts umringt
sah. Die Weiber standen auf der einen, die Män-
ner auf der andern Seite, in einer ziemlich sonder-
baren Kleidung, denn ihr Kopfputz war unsern
Schuhen ähnlich, ihre Schuhe hingegen hatten
bei den Mannspersonen die Gestalt eines Huthes,
und bei den Frauenzimmern die Form einer Haube.

-- Jhr, die ihr uns so gütig aufnehmt, er-
lauchte Einwohner des schönsten Landes auf der
Welt, ihr Grösten und Weisesten unter den Men-
schen; wir kommen aus einem sehr entfernten Lan-
de, meine Brüder und ich, um eure nützliche Un-
terhaltungen und eure erhabenen Kentnisse zu ge-
nüssen. Ganz Patagonien ist eures Lobes voll:
sind wir, wie ihr aus unserm Wuchse sehen wer-
det, gleich keine Patagonen, so sind wir doch mit
dieser ehrwürdigen Nation von mütterlicher Seite
verwand. Jhr fürtreflichen Männer werdet
wissen, daß Patagonien, wo wir herkommen,
an eine Jnsel stößt, welche ehmals die Nachtinsel

hieß,
d. fl. Mensch. T


Hermantin wolte dieſer ehrwuͤrdigen Nation eine
Anrede halten; aber er war ungewis, in welcher
Sprache. Ganz von ungefaͤhr waͤhlt’ er die pata-
goniſche, aber er merkte bald, daß ſie nicht
die Landesſprache war, ob man ſie gleich ver-
ſtand; denn man antwortete ihm zwar in dieſer
Sprache, aber die Einwohner unter ſich redeten
dieienige, von welcher ich bereits einige Worte
angefuͤhrt habe. Hier iſt die patagoniſche Rede,
welche Hermantin hielt, als er ſich von einer zahl-
reichen Verſamlung beiderlei Geſchlechts umringt
ſah. Die Weiber ſtanden auf der einen, die Maͤn-
ner auf der andern Seite, in einer ziemlich ſonder-
baren Kleidung, denn ihr Kopfputz war unſern
Schuhen aͤhnlich, ihre Schuhe hingegen hatten
bei den Mannsperſonen die Geſtalt eines Huthes,
und bei den Frauenzimmern die Form einer Haube.

— Jhr, die ihr uns ſo guͤtig aufnehmt, er-
lauchte Einwohner des ſchoͤnſten Landes auf der
Welt, ihr Groͤſten und Weiſeſten unter den Men-
ſchen; wir kommen aus einem ſehr entfernten Lan-
de, meine Bruͤder und ich, um eure nuͤtzliche Un-
terhaltungen und eure erhabenen Kentniſſe zu ge-
nuͤſſen. Ganz Patagonien iſt eures Lobes voll:
ſind wir, wie ihr aus unſerm Wuchſe ſehen wer-
det, gleich keine Patagonen, ſo ſind wir doch mit
dieſer ehrwuͤrdigen Nation von muͤtterlicher Seite
verwand. Jhr fuͤrtreflichen Maͤnner werdet
wiſſen, daß Patagonien, wo wir herkommen,
an eine Jnſel ſtoͤßt, welche ehmals die Nachtinſel

hieß,
d. fl. Menſch. T
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0297" n="289"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Hermantin wolte die&#x017F;er ehrwu&#x0364;rdigen Nation eine<lb/>
Anrede halten; aber er war ungewis, in welcher<lb/>
Sprache. Ganz von ungefa&#x0364;hr wa&#x0364;hlt&#x2019; er die pata-<lb/>
goni&#x017F;che, aber er merkte bald, daß &#x017F;ie nicht<lb/>
die Landes&#x017F;prache war, ob man &#x017F;ie gleich ver-<lb/>
&#x017F;tand; denn man antwortete ihm zwar in die&#x017F;er<lb/>
Sprache, aber die Einwohner unter &#x017F;ich redeten<lb/>
dieienige, von welcher ich bereits einige Worte<lb/>
angefu&#x0364;hrt habe. Hier i&#x017F;t die patagoni&#x017F;che Rede,<lb/>
welche Hermantin hielt, als er &#x017F;ich von einer zahl-<lb/>
reichen Ver&#x017F;amlung beiderlei Ge&#x017F;chlechts umringt<lb/>
&#x017F;ah. Die Weiber &#x017F;tanden auf der einen, die Ma&#x0364;n-<lb/>
ner auf der andern Seite, in einer ziemlich &#x017F;onder-<lb/>
baren Kleidung, denn ihr Kopfputz war un&#x017F;ern<lb/>
Schuhen a&#x0364;hnlich, ihre Schuhe hingegen hatten<lb/>
bei den Mannsper&#x017F;onen die Ge&#x017F;talt eines Huthes,<lb/>
und bei den Frauenzimmern die Form einer Haube.</p><lb/>
          <p>&#x2014; Jhr, die ihr uns &#x017F;o gu&#x0364;tig aufnehmt, er-<lb/>
lauchte Einwohner des &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Landes auf der<lb/>
Welt, ihr Gro&#x0364;&#x017F;ten und Wei&#x017F;e&#x017F;ten unter den Men-<lb/>
&#x017F;chen; wir kommen aus einem &#x017F;ehr entfernten Lan-<lb/>
de, meine Bru&#x0364;der und ich, um eure nu&#x0364;tzliche Un-<lb/>
terhaltungen und eure erhabenen Kentni&#x017F;&#x017F;e zu ge-<lb/>
nu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Ganz Patagonien i&#x017F;t eures Lobes voll:<lb/>
&#x017F;ind wir, wie ihr aus un&#x017F;erm Wuch&#x017F;e &#x017F;ehen wer-<lb/>
det, gleich keine Patagonen, &#x017F;o &#x017F;ind wir doch mit<lb/>
die&#x017F;er ehrwu&#x0364;rdigen Nation von mu&#x0364;tterlicher Seite<lb/>
verwand. Jhr fu&#x0364;rtreflichen Ma&#x0364;nner werdet<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en, daß Patagonien, wo wir herkommen,<lb/>
an eine Jn&#x017F;el &#x017F;to&#x0364;ßt, welche ehmals die Nachtin&#x017F;el<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">d. fl. Men&#x017F;ch.</hi> T</fw><fw place="bottom" type="catch">hieß,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[289/0297] Hermantin wolte dieſer ehrwuͤrdigen Nation eine Anrede halten; aber er war ungewis, in welcher Sprache. Ganz von ungefaͤhr waͤhlt’ er die pata- goniſche, aber er merkte bald, daß ſie nicht die Landesſprache war, ob man ſie gleich ver- ſtand; denn man antwortete ihm zwar in dieſer Sprache, aber die Einwohner unter ſich redeten dieienige, von welcher ich bereits einige Worte angefuͤhrt habe. Hier iſt die patagoniſche Rede, welche Hermantin hielt, als er ſich von einer zahl- reichen Verſamlung beiderlei Geſchlechts umringt ſah. Die Weiber ſtanden auf der einen, die Maͤn- ner auf der andern Seite, in einer ziemlich ſonder- baren Kleidung, denn ihr Kopfputz war unſern Schuhen aͤhnlich, ihre Schuhe hingegen hatten bei den Mannsperſonen die Geſtalt eines Huthes, und bei den Frauenzimmern die Form einer Haube. — Jhr, die ihr uns ſo guͤtig aufnehmt, er- lauchte Einwohner des ſchoͤnſten Landes auf der Welt, ihr Groͤſten und Weiſeſten unter den Men- ſchen; wir kommen aus einem ſehr entfernten Lan- de, meine Bruͤder und ich, um eure nuͤtzliche Un- terhaltungen und eure erhabenen Kentniſſe zu ge- nuͤſſen. Ganz Patagonien iſt eures Lobes voll: ſind wir, wie ihr aus unſerm Wuchſe ſehen wer- det, gleich keine Patagonen, ſo ſind wir doch mit dieſer ehrwuͤrdigen Nation von muͤtterlicher Seite verwand. Jhr fuͤrtreflichen Maͤnner werdet wiſſen, daß Patagonien, wo wir herkommen, an eine Jnſel ſtoͤßt, welche ehmals die Nachtinſel hieß, d. fl. Menſch. T

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/297
Zitationshilfe: Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/297>, abgerufen am 20.05.2024.