Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite



gerader Linie unter dem Pole. Weiter hin fand
man blos das südliche Ende von Victorique. Dies
hat sich seitdem noch mehr bestätigt, denn die
Christinischen Prinzen haben, nach vielen Versu-
chen, das Mittel erfunden, durch Hülfe gewisser
Vorkehrungen und durch die äusserste Güte ihrer
Flügel unter dem Pol zu reisen, ohne von der
Kälte zu sehr angegriffen zu werden. Den
21. December 1774. am längsten Tage des südli-
chen Jahres haben sie diese Reise gemacht, und
daselbst das Schauspiel mit angesehn, wie die
Sonne ohne merkliche Abnahme in vier und zwan-
zig Stunden um die Erdkugel sich bewegt. Da-
bei machten sie die Bemerkung, daß die Luft, wi-
der die Gewohnheit, weit kälter dicht über dem
Meere, als ein fünf und zwanzig Fuß in der Höhe
war: aber weiter hinauf spürte man bald eine un-
erträgliche Kälte. Jm kurzen werden sie auch die
nämliche Reise um den Nordpol anstellen, und die
Abweichung von dem Südpol bemerken.

Als die fliegenden Prinzen ungefähr noch zwei
Meilen von der neuen Jnsel entfernt waren, lies-
sen sich auf einen freien, ungefähr funfzig Fuß
über dem Wasser erhabenen Felsen nieder. Hier
Hier nahm Hermantin sein fürtrefliches Sehglas
hervor, um die Küste zu untersuchen. Er be-
merkte, daß sie sehr steil und senkrecht abgeschnit-
ten war; welches ihn auf die Gedanken brachte,
daß es vielleicht blos ein grosser, unfruchtbarer
und unbewohnter Felsen sei. Der Tag ging zu

Ende



gerader Linie unter dem Pole. Weiter hin fand
man blos das ſuͤdliche Ende von Victorique. Dies
hat ſich ſeitdem noch mehr beſtaͤtigt, denn die
Chriſtiniſchen Prinzen haben, nach vielen Verſu-
chen, das Mittel erfunden, durch Huͤlfe gewiſſer
Vorkehrungen und durch die aͤuſſerſte Guͤte ihrer
Fluͤgel unter dem Pol zu reiſen, ohne von der
Kaͤlte zu ſehr angegriffen zu werden. Den
21. December 1774. am laͤngſten Tage des ſuͤdli-
chen Jahres haben ſie dieſe Reiſe gemacht, und
daſelbſt das Schauſpiel mit angeſehn, wie die
Sonne ohne merkliche Abnahme in vier und zwan-
zig Stunden um die Erdkugel ſich bewegt. Da-
bei machten ſie die Bemerkung, daß die Luft, wi-
der die Gewohnheit, weit kaͤlter dicht uͤber dem
Meere, als ein fuͤnf und zwanzig Fuß in der Hoͤhe
war: aber weiter hinauf ſpuͤrte man bald eine un-
ertraͤgliche Kaͤlte. Jm kurzen werden ſie auch die
naͤmliche Reiſe um den Nordpol anſtellen, und die
Abweichung von dem Suͤdpol bemerken.

Als die fliegenden Prinzen ungefaͤhr noch zwei
Meilen von der neuen Jnſel entfernt waren, lieſ-
ſen ſich auf einen freien, ungefaͤhr funfzig Fuß
uͤber dem Waſſer erhabenen Felſen nieder. Hier
Hier nahm Hermantin ſein fuͤrtrefliches Sehglas
hervor, um die Kuͤſte zu unterſuchen. Er be-
merkte, daß ſie ſehr ſteil und ſenkrecht abgeſchnit-
ten war; welches ihn auf die Gedanken brachte,
daß es vielleicht blos ein groſſer, unfruchtbarer
und unbewohnter Felſen ſei. Der Tag ging zu

Ende
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0280" n="272"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
gerader Linie unter dem Pole. Weiter hin fand<lb/>
man blos das &#x017F;u&#x0364;dliche Ende von Victorique. Dies<lb/>
hat &#x017F;ich &#x017F;eitdem noch mehr be&#x017F;ta&#x0364;tigt, denn die<lb/>
Chri&#x017F;tini&#x017F;chen Prinzen haben, nach vielen Ver&#x017F;u-<lb/>
chen, das Mittel erfunden, durch Hu&#x0364;lfe gewi&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Vorkehrungen und durch die a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;te Gu&#x0364;te ihrer<lb/>
Flu&#x0364;gel unter dem Pol zu rei&#x017F;en, ohne von der<lb/>
Ka&#x0364;lte zu &#x017F;ehr angegriffen zu werden. Den<lb/>
21. December 1774. am la&#x0364;ng&#x017F;ten Tage des &#x017F;u&#x0364;dli-<lb/>
chen Jahres haben &#x017F;ie die&#x017F;e Rei&#x017F;e gemacht, und<lb/>
da&#x017F;elb&#x017F;t das Schau&#x017F;piel mit ange&#x017F;ehn, wie die<lb/>
Sonne ohne merkliche Abnahme in vier und zwan-<lb/>
zig Stunden um die Erdkugel &#x017F;ich bewegt. Da-<lb/>
bei machten &#x017F;ie die Bemerkung, daß die Luft, wi-<lb/>
der die Gewohnheit, weit ka&#x0364;lter dicht u&#x0364;ber dem<lb/>
Meere, als ein fu&#x0364;nf und zwanzig Fuß in der Ho&#x0364;he<lb/>
war: aber weiter hinauf &#x017F;pu&#x0364;rte man bald eine un-<lb/>
ertra&#x0364;gliche Ka&#x0364;lte. Jm kurzen werden &#x017F;ie auch die<lb/>
na&#x0364;mliche Rei&#x017F;e um den Nordpol an&#x017F;tellen, und die<lb/>
Abweichung von dem Su&#x0364;dpol bemerken.</p><lb/>
          <p>Als die fliegenden Prinzen ungefa&#x0364;hr noch zwei<lb/>
Meilen von der neuen Jn&#x017F;el entfernt waren, lie&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en &#x017F;ich auf einen freien, ungefa&#x0364;hr funfzig Fuß<lb/>
u&#x0364;ber dem Wa&#x017F;&#x017F;er erhabenen Fel&#x017F;en nieder. Hier<lb/>
Hier nahm Hermantin &#x017F;ein fu&#x0364;rtrefliches Sehglas<lb/>
hervor, um die Ku&#x0364;&#x017F;te zu unter&#x017F;uchen. Er be-<lb/>
merkte, daß &#x017F;ie &#x017F;ehr &#x017F;teil und &#x017F;enkrecht abge&#x017F;chnit-<lb/>
ten war; welches ihn auf die Gedanken brachte,<lb/>
daß es vielleicht blos ein gro&#x017F;&#x017F;er, unfruchtbarer<lb/>
und unbewohnter Fel&#x017F;en &#x017F;ei. Der Tag ging zu<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ende</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[272/0280] gerader Linie unter dem Pole. Weiter hin fand man blos das ſuͤdliche Ende von Victorique. Dies hat ſich ſeitdem noch mehr beſtaͤtigt, denn die Chriſtiniſchen Prinzen haben, nach vielen Verſu- chen, das Mittel erfunden, durch Huͤlfe gewiſſer Vorkehrungen und durch die aͤuſſerſte Guͤte ihrer Fluͤgel unter dem Pol zu reiſen, ohne von der Kaͤlte zu ſehr angegriffen zu werden. Den 21. December 1774. am laͤngſten Tage des ſuͤdli- chen Jahres haben ſie dieſe Reiſe gemacht, und daſelbſt das Schauſpiel mit angeſehn, wie die Sonne ohne merkliche Abnahme in vier und zwan- zig Stunden um die Erdkugel ſich bewegt. Da- bei machten ſie die Bemerkung, daß die Luft, wi- der die Gewohnheit, weit kaͤlter dicht uͤber dem Meere, als ein fuͤnf und zwanzig Fuß in der Hoͤhe war: aber weiter hinauf ſpuͤrte man bald eine un- ertraͤgliche Kaͤlte. Jm kurzen werden ſie auch die naͤmliche Reiſe um den Nordpol anſtellen, und die Abweichung von dem Suͤdpol bemerken. Als die fliegenden Prinzen ungefaͤhr noch zwei Meilen von der neuen Jnſel entfernt waren, lieſ- ſen ſich auf einen freien, ungefaͤhr funfzig Fuß uͤber dem Waſſer erhabenen Felſen nieder. Hier Hier nahm Hermantin ſein fuͤrtrefliches Sehglas hervor, um die Kuͤſte zu unterſuchen. Er be- merkte, daß ſie ſehr ſteil und ſenkrecht abgeſchnit- ten war; welches ihn auf die Gedanken brachte, daß es vielleicht blos ein groſſer, unfruchtbarer und unbewohnter Felſen ſei. Der Tag ging zu Ende

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/280
Zitationshilfe: Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/280>, abgerufen am 23.11.2024.