Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite



ihnen, als sie einander verstehen konten, auf fran-
zösisch zu. "Franzosen und Menschenfreunde"
antwortete Alexander. Den Augenblick fiel der
Alte auf seine Knie und streckte die Hände mit ei-
ner Entzückensvollen Miene gen Himmel. Da er
Alexandern nebst seinen Gefährten, mit abgelegten
Flügeln, näher kommen sah, blieb er stehn, und
blickte, als sie heran kamen, dem Victorin ins Ge-
sicht, warf sich ihm um den Hals und rief: Ja
ich fühl es, daß es ein Franzose ist, den ich um-
arme! ... Grosser Gott! sei gebenedeiet! Vic-
torin erwiederte die Höflichkeiten des Alten und er-
klärt' ihm in wenig Worten das Geheimniß ihres
Fluges. -- Aber welcher Unstern hat euch auf die-
se wüfte Jnsel geführt? setzt' er hinzu.

Ach entgegnete der Alte, ihr seht aus meiner
Kleidung, daß wir schon lange hier schmachten,
denn ich bin nicht allein. Jch war Kapitain des
Schifs genant der .... Meine Manschaft em-
pörte sich und verließ mich mit meiner Frau und
zwei Kindern, einem Sohn und einer Tochter, die
damals fünf und sechs Jahr alt waren, auf die-
ser Jnsel. Die Treulosen begingen die Grausam-
keit, mich fast aller Lebensmittel zu berauben.
Glücklicherweise fand ein kleiner Schifferknabe,
aus Mitleid bewogen, Gelegenheit, ein Fäschen
Pulver ins Meer zu werfen, das auf eine Eis-
scholle fiel, die ich an mich zog. Hierzu fügte
er diese Flinte und einen ganz guten Degen. Die
Manschaft, welche für dieses Verbrechen keine

Scho-
O 2



ihnen, als ſie einander verſtehen konten, auf fran-
zoͤſiſch zu. „Franzoſen und Menſchenfreunde‟
antwortete Alexander. Den Augenblick fiel der
Alte auf ſeine Knie und ſtreckte die Haͤnde mit ei-
ner Entzuͤckensvollen Miene gen Himmel. Da er
Alexandern nebſt ſeinen Gefaͤhrten, mit abgelegten
Fluͤgeln, naͤher kommen ſah, blieb er ſtehn, und
blickte, als ſie heran kamen, dem Victorin ins Ge-
ſicht, warf ſich ihm um den Hals und rief: Ja
ich fuͤhl es, daß es ein Franzoſe iſt, den ich um-
arme! … Groſſer Gott! ſei gebenedeiet! Vic-
torin erwiederte die Hoͤflichkeiten des Alten und er-
klaͤrt’ ihm in wenig Worten das Geheimniß ihres
Fluges. — Aber welcher Unſtern hat euch auf die-
ſe wuͤfte Jnſel gefuͤhrt? ſetzt’ er hinzu.

Ach entgegnete der Alte, ihr ſeht aus meiner
Kleidung, daß wir ſchon lange hier ſchmachten,
denn ich bin nicht allein. Jch war Kapitain des
Schifs genant der …. Meine Manſchaft em-
poͤrte ſich und verließ mich mit meiner Frau und
zwei Kindern, einem Sohn und einer Tochter, die
damals fuͤnf und ſechs Jahr alt waren, auf die-
ſer Jnſel. Die Treuloſen begingen die Grauſam-
keit, mich faſt aller Lebensmittel zu berauben.
Gluͤcklicherweiſe fand ein kleiner Schifferknabe,
aus Mitleid bewogen, Gelegenheit, ein Faͤschen
Pulver ins Meer zu werfen, das auf eine Eis-
ſcholle fiel, die ich an mich zog. Hierzu fuͤgte
er dieſe Flinte und einen ganz guten Degen. Die
Manſchaft, welche fuͤr dieſes Verbrechen keine

Scho-
O 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0219" n="211"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ihnen, als &#x017F;ie einander ver&#x017F;tehen konten, auf fran-<lb/>
zo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;ch zu. &#x201E;Franzo&#x017F;en und Men&#x017F;chenfreunde&#x201F;<lb/>
antwortete Alexander. Den Augenblick fiel der<lb/>
Alte auf &#x017F;eine Knie und &#x017F;treckte die Ha&#x0364;nde mit ei-<lb/>
ner Entzu&#x0364;ckensvollen Miene gen Himmel. Da er<lb/>
Alexandern neb&#x017F;t &#x017F;einen Gefa&#x0364;hrten, mit abgelegten<lb/>
Flu&#x0364;geln, na&#x0364;her kommen &#x017F;ah, blieb er &#x017F;tehn, und<lb/>
blickte, als &#x017F;ie heran kamen, dem Victorin ins Ge-<lb/>
&#x017F;icht, warf &#x017F;ich ihm um den Hals und rief: Ja<lb/>
ich fu&#x0364;hl es, daß es ein Franzo&#x017F;e i&#x017F;t, den ich um-<lb/>
arme! &#x2026; Gro&#x017F;&#x017F;er Gott! &#x017F;ei gebenedeiet! Vic-<lb/>
torin erwiederte die Ho&#x0364;flichkeiten des Alten und er-<lb/>
kla&#x0364;rt&#x2019; ihm in wenig Worten das Geheimniß ihres<lb/>
Fluges. &#x2014; Aber welcher Un&#x017F;tern hat euch auf die-<lb/>
&#x017F;e wu&#x0364;fte Jn&#x017F;el gefu&#x0364;hrt? &#x017F;etzt&#x2019; er hinzu.</p><lb/>
          <p>Ach entgegnete der Alte, ihr &#x017F;eht aus meiner<lb/>
Kleidung, daß wir &#x017F;chon lange hier &#x017F;chmachten,<lb/>
denn ich bin nicht allein. Jch war Kapitain des<lb/>
Schifs genant der &#x2026;. Meine Man&#x017F;chaft em-<lb/>
po&#x0364;rte &#x017F;ich und verließ mich mit meiner Frau und<lb/>
zwei Kindern, einem Sohn und einer Tochter, die<lb/>
damals fu&#x0364;nf und &#x017F;echs Jahr alt waren, auf die-<lb/>
&#x017F;er Jn&#x017F;el. Die Treulo&#x017F;en begingen die Grau&#x017F;am-<lb/>
keit, mich fa&#x017F;t aller Lebensmittel zu berauben.<lb/>
Glu&#x0364;cklicherwei&#x017F;e fand ein kleiner Schifferknabe,<lb/>
aus Mitleid bewogen, Gelegenheit, ein Fa&#x0364;schen<lb/>
Pulver ins Meer zu werfen, das auf eine Eis-<lb/>
&#x017F;cholle fiel, die ich an mich zog. Hierzu fu&#x0364;gte<lb/>
er die&#x017F;e Flinte und einen ganz guten Degen. Die<lb/>
Man&#x017F;chaft, welche fu&#x0364;r die&#x017F;es Verbrechen keine<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Scho-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[211/0219] ihnen, als ſie einander verſtehen konten, auf fran- zoͤſiſch zu. „Franzoſen und Menſchenfreunde‟ antwortete Alexander. Den Augenblick fiel der Alte auf ſeine Knie und ſtreckte die Haͤnde mit ei- ner Entzuͤckensvollen Miene gen Himmel. Da er Alexandern nebſt ſeinen Gefaͤhrten, mit abgelegten Fluͤgeln, naͤher kommen ſah, blieb er ſtehn, und blickte, als ſie heran kamen, dem Victorin ins Ge- ſicht, warf ſich ihm um den Hals und rief: Ja ich fuͤhl es, daß es ein Franzoſe iſt, den ich um- arme! … Groſſer Gott! ſei gebenedeiet! Vic- torin erwiederte die Hoͤflichkeiten des Alten und er- klaͤrt’ ihm in wenig Worten das Geheimniß ihres Fluges. — Aber welcher Unſtern hat euch auf die- ſe wuͤfte Jnſel gefuͤhrt? ſetzt’ er hinzu. Ach entgegnete der Alte, ihr ſeht aus meiner Kleidung, daß wir ſchon lange hier ſchmachten, denn ich bin nicht allein. Jch war Kapitain des Schifs genant der …. Meine Manſchaft em- poͤrte ſich und verließ mich mit meiner Frau und zwei Kindern, einem Sohn und einer Tochter, die damals fuͤnf und ſechs Jahr alt waren, auf die- ſer Jnſel. Die Treuloſen begingen die Grauſam- keit, mich faſt aller Lebensmittel zu berauben. Gluͤcklicherweiſe fand ein kleiner Schifferknabe, aus Mitleid bewogen, Gelegenheit, ein Faͤschen Pulver ins Meer zu werfen, das auf eine Eis- ſcholle fiel, die ich an mich zog. Hierzu fuͤgte er dieſe Flinte und einen ganz guten Degen. Die Manſchaft, welche fuͤr dieſes Verbrechen keine Scho- O 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/219
Zitationshilfe: Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/219>, abgerufen am 06.05.2024.