Während sie sich in dieser Ungewisheit befan- den, sahe Alexander, aufmerksamer als Victorin, ein haarichtes Thier auf vier Füßen, einem Affen sehr ähnlich, eine krumme Hand nach seinem Vater ausstrecken.
Er that einen Schrei, und da ihre leichten Flü- gel allezeit in Bereitschaft waren, so erhoben sie sich mit einem einzigen Schwunge des Parasols ein zwanzig Fuß in die Luft. Jndem sie so schwebten, sahen sie zwischen den Bäumen ein Hundert dem erstern ähnliche Thiere hervorkommen, wel- che ihren Flug betrachteten und deren verschiedene sich auf die Hinterfüsse stellten. Sie bemerkten zu- gleich, daß diese Thiere, ungeachtet sie mit Haaren bedeckt, doch eine Mittelgestalt zwischen Affen und Menschen hatten. Ja sie hörten solche sogar sprechen, indem sie einander ansahen, völlig wie die Affen, wenn sie schreien. Doch war dies Ge- schrei zusammenhängend; welches eine Verbindung der Begriffe, mit einem Worte, eine Sprache ver- rieth. -- Dies sind die Bewohner dieser Jnsel, sprach Victorin zu seinem Sohn: der Mensch kann in der Gestalt, Haut, Bewegung des Körpers ver- schieden seyn, zu dem Tage- oder Nachtgeschlecht gehören: aber die Vernunft, dieser göttliche Strahl zeichnet ihn überall aus. Diese Wesen da reden mit einander und verstehen sich: sieh nur, mein Sohn, sie berathschlagen und überlegen zusammen; sie blicken auf uns; dort gehen einige aufrecht und haben das Ansehn, uns nachzuahmen, indem sie
auf
d. fl. Mensch. M
Waͤhrend ſie ſich in dieſer Ungewisheit befan- den, ſahe Alexander, aufmerkſamer als Victorin, ein haarichtes Thier auf vier Fuͤßen, einem Affen ſehr aͤhnlich, eine krumme Hand nach ſeinem Vater ausſtrecken.
Er that einen Schrei, und da ihre leichten Fluͤ- gel allezeit in Bereitſchaft waren, ſo erhoben ſie ſich mit einem einzigen Schwunge des Paraſols ein zwanzig Fuß in die Luft. Jndem ſie ſo ſchwebten, ſahen ſie zwiſchen den Baͤumen ein Hundert dem erſtern aͤhnliche Thiere hervorkommen, wel- che ihren Flug betrachteten und deren verſchiedene ſich auf die Hinterfuͤſſe ſtellten. Sie bemerkten zu- gleich, daß dieſe Thiere, ungeachtet ſie mit Haaren bedeckt, doch eine Mittelgeſtalt zwiſchen Affen und Menſchen hatten. Ja ſie hoͤrten ſolche ſogar ſprechen, indem ſie einander anſahen, voͤllig wie die Affen, wenn ſie ſchreien. Doch war dies Ge- ſchrei zuſammenhaͤngend; welches eine Verbindung der Begriffe, mit einem Worte, eine Sprache ver- rieth. — Dies ſind die Bewohner dieſer Jnſel, ſprach Victorin zu ſeinem Sohn: der Menſch kann in der Geſtalt, Haut, Bewegung des Koͤrpers ver- ſchieden ſeyn, zu dem Tage- oder Nachtgeſchlecht gehoͤren: aber die Vernunft, dieſer goͤttliche Strahl zeichnet ihn uͤberall aus. Dieſe Weſen da reden mit einander und verſtehen ſich: ſieh nur, mein Sohn, ſie berathſchlagen und uͤberlegen zuſammen; ſie blicken auf uns; dort gehen einige aufrecht und haben das Anſehn, uns nachzuahmen, indem ſie
auf
d. fl. Menſch. M
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0185"n="177"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Waͤhrend ſie ſich in dieſer Ungewisheit befan-<lb/>
den, ſahe Alexander, aufmerkſamer als Victorin,<lb/>
ein haarichtes Thier auf vier Fuͤßen, einem Affen<lb/>ſehr aͤhnlich, eine krumme Hand nach ſeinem Vater<lb/>
ausſtrecken.</p><lb/><p>Er that einen Schrei, und da ihre leichten Fluͤ-<lb/>
gel allezeit in Bereitſchaft waren, ſo erhoben ſie<lb/>ſich mit einem einzigen Schwunge des Paraſols ein<lb/>
zwanzig Fuß in die Luft. Jndem ſie ſo ſchwebten,<lb/>ſahen ſie zwiſchen den Baͤumen ein Hundert dem<lb/>
erſtern aͤhnliche Thiere hervorkommen, wel-<lb/>
che ihren Flug betrachteten und deren verſchiedene<lb/>ſich auf die Hinterfuͤſſe ſtellten. Sie bemerkten zu-<lb/>
gleich, daß dieſe Thiere, ungeachtet ſie mit Haaren<lb/>
bedeckt, doch eine Mittelgeſtalt zwiſchen Affen<lb/>
und Menſchen hatten. Ja ſie hoͤrten ſolche ſogar<lb/>ſprechen, indem ſie einander anſahen, voͤllig wie<lb/>
die Affen, wenn ſie ſchreien. Doch war dies Ge-<lb/>ſchrei zuſammenhaͤngend; welches eine Verbindung<lb/>
der Begriffe, mit einem Worte, eine Sprache ver-<lb/>
rieth. — Dies ſind die Bewohner dieſer Jnſel,<lb/>ſprach Victorin zu ſeinem Sohn: der Menſch kann<lb/>
in der Geſtalt, Haut, Bewegung des Koͤrpers ver-<lb/>ſchieden ſeyn, zu dem Tage- oder Nachtgeſchlecht<lb/>
gehoͤren: aber die Vernunft, dieſer goͤttliche Strahl<lb/>
zeichnet ihn uͤberall aus. Dieſe Weſen da reden<lb/>
mit einander und verſtehen ſich: ſieh nur, mein<lb/>
Sohn, ſie berathſchlagen und uͤberlegen zuſammen;<lb/>ſie blicken auf uns; dort gehen einige aufrecht und<lb/>
haben das Anſehn, uns nachzuahmen, indem ſie<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">d. fl. Menſch.</hi> M</fw><fwplace="bottom"type="catch">auf</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[177/0185]
Waͤhrend ſie ſich in dieſer Ungewisheit befan-
den, ſahe Alexander, aufmerkſamer als Victorin,
ein haarichtes Thier auf vier Fuͤßen, einem Affen
ſehr aͤhnlich, eine krumme Hand nach ſeinem Vater
ausſtrecken.
Er that einen Schrei, und da ihre leichten Fluͤ-
gel allezeit in Bereitſchaft waren, ſo erhoben ſie
ſich mit einem einzigen Schwunge des Paraſols ein
zwanzig Fuß in die Luft. Jndem ſie ſo ſchwebten,
ſahen ſie zwiſchen den Baͤumen ein Hundert dem
erſtern aͤhnliche Thiere hervorkommen, wel-
che ihren Flug betrachteten und deren verſchiedene
ſich auf die Hinterfuͤſſe ſtellten. Sie bemerkten zu-
gleich, daß dieſe Thiere, ungeachtet ſie mit Haaren
bedeckt, doch eine Mittelgeſtalt zwiſchen Affen
und Menſchen hatten. Ja ſie hoͤrten ſolche ſogar
ſprechen, indem ſie einander anſahen, voͤllig wie
die Affen, wenn ſie ſchreien. Doch war dies Ge-
ſchrei zuſammenhaͤngend; welches eine Verbindung
der Begriffe, mit einem Worte, eine Sprache ver-
rieth. — Dies ſind die Bewohner dieſer Jnſel,
ſprach Victorin zu ſeinem Sohn: der Menſch kann
in der Geſtalt, Haut, Bewegung des Koͤrpers ver-
ſchieden ſeyn, zu dem Tage- oder Nachtgeſchlecht
gehoͤren: aber die Vernunft, dieſer goͤttliche Strahl
zeichnet ihn uͤberall aus. Dieſe Weſen da reden
mit einander und verſtehen ſich: ſieh nur, mein
Sohn, ſie berathſchlagen und uͤberlegen zuſammen;
ſie blicken auf uns; dort gehen einige aufrecht und
haben das Anſehn, uns nachzuahmen, indem ſie
auf
d. fl. Menſch. M
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/185>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.