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Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.

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schönsten Trompeten die man je gesehn hat. Sobald
dies Jnstrument erscholl, sah man die Herrn Patago-
nen mit ihren zwei Eimern Wein im Leibe, das
Meerfüllen, die Schlange und Elephantenleber un-
gerechnet, sich in Bewegung setzen; und nach einer
Stunde ungefähr befanden sie sich in einem hüpfenden
Zustande. Welcher Tanz! man hätte gemeint, es
wären Glockenthürme die sich erhöhten und erniedrig-
ten. Die um ein vieles bethulichere Jugend tanzte
nach andern sanftern Jnstrumenten; denn die schöne
Trompete Marine war als das stärkste und edelste
Jnstrument blos ein Vorzug der Erwachsenen. Aber
die Christinier, betäubt durch die Trompete und übri-
gen patagonischen Jnstrumente, entfernten sich soweit
als möglich und tanzten nach der Violine und andern
europäischen Jnstrumenten. Einige Patagonen bei-
derlei Geschlechts folgten ihnen aus Neugierde und
legten sich nieder, um unsre Musik zu hören. Sie lob-
ten solche als ungemein wohlklingend, vernahmen
aber nicht mehr davon, als wir von dem Gesumse der
Mücken am Abend.

Bräutigam und Braut tanzten wechselsweise in
beyden Versammlungen. Der arme Prinz muste
von der Trompete Marine freilich viel ausstehn;
doch stellt' er sich sie zu bewundern, und unterließ
nicht mittelst eines Sprachrohrs, das ihm sein jün-
gerer Bruder, der geschickteste Mechaniker, gefertigt
hatte, den Patagonen viel schönes darüber zu sa-
gen. -- -- Du bist sehr liebenswürdig, sagte
Jshmichtriß leise zu ihm; aber du handelst weis-

lich,
d. fl. Mensch. L



ſchoͤnſten Trompeten die man je geſehn hat. Sobald
dies Jnſtrument erſcholl, ſah man die Herrn Patago-
nen mit ihren zwei Eimern Wein im Leibe, das
Meerfuͤllen, die Schlange und Elephantenleber un-
gerechnet, ſich in Bewegung ſetzen; und nach einer
Stunde ungefaͤhr befanden ſie ſich in einem huͤpfenden
Zuſtande. Welcher Tanz! man haͤtte gemeint, es
waͤren Glockenthuͤrme die ſich erhoͤhten und erniedrig-
ten. Die um ein vieles bethulichere Jugend tanzte
nach andern ſanftern Jnſtrumenten; denn die ſchoͤne
Trompete Marine war als das ſtaͤrkſte und edelſte
Jnſtrument blos ein Vorzug der Erwachſenen. Aber
die Chriſtinier, betaͤubt durch die Trompete und uͤbri-
gen patagoniſchen Jnſtrumente, entfernten ſich ſoweit
als moͤglich und tanzten nach der Violine und andern
europaͤiſchen Jnſtrumenten. Einige Patagonen bei-
derlei Geſchlechts folgten ihnen aus Neugierde und
legten ſich nieder, um unſre Muſik zu hoͤren. Sie lob-
ten ſolche als ungemein wohlklingend, vernahmen
aber nicht mehr davon, als wir von dem Geſumſe der
Muͤcken am Abend.

Braͤutigam und Braut tanzten wechſelsweiſe in
beyden Verſammlungen. Der arme Prinz muſte
von der Trompete Marine freilich viel ausſtehn;
doch ſtellt’ er ſich ſie zu bewundern, und unterließ
nicht mittelſt eines Sprachrohrs, das ihm ſein juͤn-
gerer Bruder, der geſchickteſte Mechaniker, gefertigt
hatte, den Patagonen viel ſchoͤnes daruͤber zu ſa-
gen. — — Du biſt ſehr liebenswuͤrdig, ſagte
Jſhmichtriß leiſe zu ihm; aber du handelſt weis-

lich,
d. fl. Menſch. L
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[161/0169] ſchoͤnſten Trompeten die man je geſehn hat. Sobald dies Jnſtrument erſcholl, ſah man die Herrn Patago- nen mit ihren zwei Eimern Wein im Leibe, das Meerfuͤllen, die Schlange und Elephantenleber un- gerechnet, ſich in Bewegung ſetzen; und nach einer Stunde ungefaͤhr befanden ſie ſich in einem huͤpfenden Zuſtande. Welcher Tanz! man haͤtte gemeint, es waͤren Glockenthuͤrme die ſich erhoͤhten und erniedrig- ten. Die um ein vieles bethulichere Jugend tanzte nach andern ſanftern Jnſtrumenten; denn die ſchoͤne Trompete Marine war als das ſtaͤrkſte und edelſte Jnſtrument blos ein Vorzug der Erwachſenen. Aber die Chriſtinier, betaͤubt durch die Trompete und uͤbri- gen patagoniſchen Jnſtrumente, entfernten ſich ſoweit als moͤglich und tanzten nach der Violine und andern europaͤiſchen Jnſtrumenten. Einige Patagonen bei- derlei Geſchlechts folgten ihnen aus Neugierde und legten ſich nieder, um unſre Muſik zu hoͤren. Sie lob- ten ſolche als ungemein wohlklingend, vernahmen aber nicht mehr davon, als wir von dem Geſumſe der Muͤcken am Abend. Braͤutigam und Braut tanzten wechſelsweiſe in beyden Verſammlungen. Der arme Prinz muſte von der Trompete Marine freilich viel ausſtehn; doch ſtellt’ er ſich ſie zu bewundern, und unterließ nicht mittelſt eines Sprachrohrs, das ihm ſein juͤn- gerer Bruder, der geſchickteſte Mechaniker, gefertigt hatte, den Patagonen viel ſchoͤnes daruͤber zu ſa- gen. — — Du biſt ſehr liebenswuͤrdig, ſagte Jſhmichtriß leiſe zu ihm; aber du handelſt weis- lich, d. fl. Menſch. L

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Zitationshilfe: Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/169>, abgerufen am 09.11.2024.