bin, und daß dies die Ursach meiner Armuth und Hanreyschaft ist.
Der Südmann schüttelte den Kopf, und fragte, warum man mir den Fluch gegeben habe? Jch er- zählt' ihm meine ganze Geschichte, so wie man sie in gewissen Briefen antrifft, die aber erst nach meinem Tode bekannt gemacht werden sollen. Noch immer schüttelt' er den Kopf; doch antwortete er nichts auf meine Erzählung.
Wir nahten uns der Hauptstadt. Da unser Gespräch sehr einseitig gewesen war, so wollten wir, des Anstands wegen, beym Auseinanderscheiden un- sern Reisegefehrten keine üble Meynung von uns beybringen; machten ihnen daher viel Komplimente und Lobeserhebungen, und erhielten sie gleichmäßig von allen, die nichtswürdige Schauspielerinn aus- genommen, die den Weihrauch zwar einnahm, aber niemanden opferte, alles zu verdienen, aber nichts schuldig zu seyn glaubte. Endlich langten wir an.
Der Benediktiner erhob sich zuerst um abzustei- gen; er schüttelte sein Kleid ab, und machte uns alle, den Kaufmann ausgenommen, sechsmal niesen. Wir trennten mit einer solchen Gleichgültigkeit, als hätten wir uns nie gesehen. Die Schauspieler und Schau- spielerinnen nahmen ihre Wohnung im Carrussel; der Benediktiner zu Saintgermain-des-pres; der Advokat in der Straße de-la-Calendre; der Kaufmann in der Straße des-Bourdonnais. Die Hunde, Pappogeyen, der Angala folgten wahr- scheinlich ihren Gebieterinnen. Jch, meines Theils
nahm
bin, und daß dies die Urſach meiner Armuth und Hanreyſchaft iſt.
Der Suͤdmann ſchuͤttelte den Kopf, und fragte, warum man mir den Fluch gegeben habe? Jch er- zaͤhlt’ ihm meine ganze Geſchichte, ſo wie man ſie in gewiſſen Briefen antrifft, die aber erſt nach meinem Tode bekannt gemacht werden ſollen. Noch immer ſchuͤttelt’ er den Kopf; doch antwortete er nichts auf meine Erzaͤhlung.
Wir nahten uns der Hauptſtadt. Da unſer Geſpraͤch ſehr einſeitig geweſen war, ſo wollten wir, des Anſtands wegen, beym Auseinanderſcheiden un- ſern Reiſegefehrten keine uͤble Meynung von uns beybringen; machten ihnen daher viel Komplimente und Lobeserhebungen, und erhielten ſie gleichmaͤßig von allen, die nichtswuͤrdige Schauſpielerinn aus- genommen, die den Weihrauch zwar einnahm, aber niemanden opferte, alles zu verdienen, aber nichts ſchuldig zu ſeyn glaubte. Endlich langten wir an.
Der Benediktiner erhob ſich zuerſt um abzuſtei- gen; er ſchuͤttelte ſein Kleid ab, und machte uns alle, den Kaufmann ausgenommen, ſechsmal nieſen. Wir trennten mit einer ſolchen Gleichguͤltigkeit, als haͤtten wir uns nie geſehen. Die Schauſpieler und Schau- ſpielerinnen nahmen ihre Wohnung im Carruſſel; der Benediktiner zu Saintgermain-des-pres; der Advokat in der Straße de-la-Calendre; der Kaufmann in der Straße des-Bourdonnais. Die Hunde, Pappogeyen, der Angala folgten wahr- ſcheinlich ihren Gebieterinnen. Jch, meines Theils
nahm
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0014"n="6"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
bin, und daß dies die Urſach meiner Armuth und<lb/>
Hanreyſchaft iſt.</p><lb/><p>Der Suͤdmann ſchuͤttelte den Kopf, und fragte,<lb/>
warum man mir den Fluch gegeben habe? Jch er-<lb/>
zaͤhlt’ ihm meine ganze Geſchichte, ſo wie man ſie in<lb/>
gewiſſen Briefen antrifft, die aber erſt nach meinem<lb/>
Tode bekannt gemacht werden ſollen. Noch immer<lb/>ſchuͤttelt’ er den Kopf; doch antwortete er nichts auf<lb/>
meine Erzaͤhlung.</p><lb/><p>Wir nahten uns der Hauptſtadt. Da unſer<lb/>
Geſpraͤch ſehr einſeitig geweſen war, ſo wollten wir,<lb/>
des Anſtands wegen, beym Auseinanderſcheiden un-<lb/>ſern Reiſegefehrten keine uͤble Meynung von uns<lb/>
beybringen; machten ihnen daher viel Komplimente<lb/>
und Lobeserhebungen, und erhielten ſie gleichmaͤßig<lb/>
von allen, die nichtswuͤrdige Schauſpielerinn aus-<lb/>
genommen, die den Weihrauch zwar einnahm, aber<lb/>
niemanden opferte, alles zu verdienen, aber nichts<lb/>ſchuldig zu ſeyn glaubte. Endlich langten wir an.</p><lb/><p>Der Benediktiner erhob ſich zuerſt um abzuſtei-<lb/>
gen; er ſchuͤttelte ſein Kleid ab, und machte uns alle,<lb/>
den Kaufmann ausgenommen, ſechsmal nieſen. Wir<lb/>
trennten mit einer ſolchen Gleichguͤltigkeit, als haͤtten<lb/>
wir uns nie geſehen. Die Schauſpieler und Schau-<lb/>ſpielerinnen nahmen ihre Wohnung im <hirendition="#fr">Carruſſel;</hi><lb/>
der Benediktiner zu <hirendition="#fr">Saintgermain-des-pres;</hi><lb/>
der Advokat in der Straße <hirendition="#fr">de-la-Calendre;</hi> der<lb/>
Kaufmann in der Straße <hirendition="#fr">des-Bourdonnais.</hi><lb/>
Die Hunde, Pappogeyen, der Angala folgten wahr-<lb/>ſcheinlich ihren Gebieterinnen. Jch, meines Theils<lb/><fwplace="bottom"type="catch">nahm</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[6/0014]
bin, und daß dies die Urſach meiner Armuth und
Hanreyſchaft iſt.
Der Suͤdmann ſchuͤttelte den Kopf, und fragte,
warum man mir den Fluch gegeben habe? Jch er-
zaͤhlt’ ihm meine ganze Geſchichte, ſo wie man ſie in
gewiſſen Briefen antrifft, die aber erſt nach meinem
Tode bekannt gemacht werden ſollen. Noch immer
ſchuͤttelt’ er den Kopf; doch antwortete er nichts auf
meine Erzaͤhlung.
Wir nahten uns der Hauptſtadt. Da unſer
Geſpraͤch ſehr einſeitig geweſen war, ſo wollten wir,
des Anſtands wegen, beym Auseinanderſcheiden un-
ſern Reiſegefehrten keine uͤble Meynung von uns
beybringen; machten ihnen daher viel Komplimente
und Lobeserhebungen, und erhielten ſie gleichmaͤßig
von allen, die nichtswuͤrdige Schauſpielerinn aus-
genommen, die den Weihrauch zwar einnahm, aber
niemanden opferte, alles zu verdienen, aber nichts
ſchuldig zu ſeyn glaubte. Endlich langten wir an.
Der Benediktiner erhob ſich zuerſt um abzuſtei-
gen; er ſchuͤttelte ſein Kleid ab, und machte uns alle,
den Kaufmann ausgenommen, ſechsmal nieſen. Wir
trennten mit einer ſolchen Gleichguͤltigkeit, als haͤtten
wir uns nie geſehen. Die Schauſpieler und Schau-
ſpielerinnen nahmen ihre Wohnung im Carruſſel;
der Benediktiner zu Saintgermain-des-pres;
der Advokat in der Straße de-la-Calendre; der
Kaufmann in der Straße des-Bourdonnais.
Die Hunde, Pappogeyen, der Angala folgten wahr-
ſcheinlich ihren Gebieterinnen. Jch, meines Theils
nahm
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/14>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.