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Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.

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Mittagslinie hinaus zu gehen. Die größte Beschwer-
lichkeit auf dieser Reise wird mir die Trennung von
dir, geliebte Gattin, seyn: aber ich lasse dir unsern
ältesten Sohn und unsre Tochter zurück. B-m-t soll
hier meine Stelle vertreten, er mag öfters ihren und
meinen Vater holen, den ich mit Bedacht nicht noch
vorher sehen will; sie fühlen es selbst, ich wollte die
Zärtlichkeit ihres Vaters ersparen, und ihm die
Freyheit lassen, von seinem Schwiegersohn in den ihm
beliebigen Ausdrücken zu sprechen."

"Aber willst du denn so bald fort?"

"Jch mache schon Anstalt: Wir müssen dazu
weit stärkere Flügel haben, und die länger aushalten,
um unsre Lebensmittel mit fortzubringen: ein paar
leichtere nehmen wir mit zum Gebrauch im Lande,
und bey der Jagd."

Christine war über diese schleunige Abreise sehr
betrübt: aber ihrem Vater machte sie so viel Freude,
daß Victorin sich Mühe gab, von ihr zu erlangen,
daß er gegen die Mitte des Septembers mit seinem
jüngsten Sohne, benetzt mit Christinens, des älte-
sten Sohnes und der liebenswürdigen Sophie Thrä-
nen abreiste. Freudig gab ihnen der Schwiegervater
seinen Segen mit.

Die beyden fliegenden Männer, mit ihren star-
ken Flügeln versehn, erhoben sich von der steilsten
Spitze des unbesteiglichen Berges um zehn Uhr
Abends, in die Luft. Jeder trug einen Korb mit Le-
bensmitteln an dem ledernen Gurte, um seine Len-
den, welches ihnen von unten das Ansehn zwey

unbe-



Mittagslinie hinaus zu gehen. Die groͤßte Beſchwer-
lichkeit auf dieſer Reiſe wird mir die Trennung von
dir, geliebte Gattin, ſeyn: aber ich laſſe dir unſern
aͤlteſten Sohn und unſre Tochter zuruͤck. B-m-t ſoll
hier meine Stelle vertreten, er mag oͤfters ihren und
meinen Vater holen, den ich mit Bedacht nicht noch
vorher ſehen will; ſie fuͤhlen es ſelbſt, ich wollte die
Zaͤrtlichkeit ihres Vaters erſparen, und ihm die
Freyheit laſſen, von ſeinem Schwiegerſohn in den ihm
beliebigen Ausdruͤcken zu ſprechen.‟

„Aber willſt du denn ſo bald fort?‟

„Jch mache ſchon Anſtalt: Wir muͤſſen dazu
weit ſtaͤrkere Fluͤgel haben, und die laͤnger aushalten,
um unſre Lebensmittel mit fortzubringen: ein paar
leichtere nehmen wir mit zum Gebrauch im Lande,
und bey der Jagd.‟

Chriſtine war uͤber dieſe ſchleunige Abreiſe ſehr
betruͤbt: aber ihrem Vater machte ſie ſo viel Freude,
daß Victorin ſich Muͤhe gab, von ihr zu erlangen,
daß er gegen die Mitte des Septembers mit ſeinem
juͤngſten Sohne, benetzt mit Chriſtinens, des aͤlte-
ſten Sohnes und der liebenswuͤrdigen Sophie Thraͤ-
nen abreiſte. Freudig gab ihnen der Schwiegervater
ſeinen Segen mit.

Die beyden fliegenden Maͤnner, mit ihren ſtar-
ken Fluͤgeln verſehn, erhoben ſich von der ſteilſten
Spitze des unbeſteiglichen Berges um zehn Uhr
Abends, in die Luft. Jeder trug einen Korb mit Le-
bensmitteln an dem ledernen Gurte, um ſeine Len-
den, welches ihnen von unten das Anſehn zwey

unbe-
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[114/0122] Mittagslinie hinaus zu gehen. Die groͤßte Beſchwer- lichkeit auf dieſer Reiſe wird mir die Trennung von dir, geliebte Gattin, ſeyn: aber ich laſſe dir unſern aͤlteſten Sohn und unſre Tochter zuruͤck. B-m-t ſoll hier meine Stelle vertreten, er mag oͤfters ihren und meinen Vater holen, den ich mit Bedacht nicht noch vorher ſehen will; ſie fuͤhlen es ſelbſt, ich wollte die Zaͤrtlichkeit ihres Vaters erſparen, und ihm die Freyheit laſſen, von ſeinem Schwiegerſohn in den ihm beliebigen Ausdruͤcken zu ſprechen.‟ „Aber willſt du denn ſo bald fort?‟ „Jch mache ſchon Anſtalt: Wir muͤſſen dazu weit ſtaͤrkere Fluͤgel haben, und die laͤnger aushalten, um unſre Lebensmittel mit fortzubringen: ein paar leichtere nehmen wir mit zum Gebrauch im Lande, und bey der Jagd.‟ Chriſtine war uͤber dieſe ſchleunige Abreiſe ſehr betruͤbt: aber ihrem Vater machte ſie ſo viel Freude, daß Victorin ſich Muͤhe gab, von ihr zu erlangen, daß er gegen die Mitte des Septembers mit ſeinem juͤngſten Sohne, benetzt mit Chriſtinens, des aͤlte- ſten Sohnes und der liebenswuͤrdigen Sophie Thraͤ- nen abreiſte. Freudig gab ihnen der Schwiegervater ſeinen Segen mit. Die beyden fliegenden Maͤnner, mit ihren ſtar- ken Fluͤgeln verſehn, erhoben ſich von der ſteilſten Spitze des unbeſteiglichen Berges um zehn Uhr Abends, in die Luft. Jeder trug einen Korb mit Le- bensmitteln an dem ledernen Gurte, um ſeine Len- den, welches ihnen von unten das Anſehn zwey unbe-

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Zitationshilfe: Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/122>, abgerufen am 22.11.2024.