Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite



mann Halley kömmt zwar daher (1700:) und hat
nichts der Rede werth alda gefunden; aber er kann
sich geirret haben, und du wirst es hundertmal bes-
ser als er sehn. Alsdann wird meine Tochter eine
wirkliche Königin seyn. Vor Freuden stand der Al-
te auf, um seinen Schwiegersohn zu umarmen --

Mit solchen Dingen unterhielt Victorin seinen
Schwiegervater während seines Aufenthalts auf dem
unbesteiglichen Berge. Endlich nach acht Tagen
trug er den guten Herrn gegen zehn Uhr des Abends
wieder nach seinem Wohnsitz hin. Seine ganze Fa-
milie begleitete ihn; im Schlosse merkte niemand was
davon: Seine Tochter und Enkel brachten ihn ins
Bette; umarmten ihn und kehrten auf ihren Berg
zurück.

Wie staunten die Bedienten des Herrn von
B-m-t nicht, als sie den andern Morgen ihren
Herrn seine Pfeife Taback auf dem Balcon rauchen
sahen: kaum trauten sie ihren Augen, und hielten
ihn für eine Erscheinung. Aber bald überzeugte sie
sein lermender Ton, mit dem er alle zum Empfang seiner
Befehle rufte, von der Wirklichkeit seiner Rückkunft.
Doch wagt' es kein Mensch ihn deshalb zu fragen,
denn der gute Herr war ein wenig stolz, ausser eine
alte Ausgeberin, die noch um einige Jahr länger im
Hause war als ihr Herr.

"J gnädiger Herr! wenn sind sie denn zurück-
gekommen?"

"Gestern Abend meine beste."

"Es hat sie ja kein Mensch gesehn?"

"Zum



mann Halley koͤmmt zwar daher (1700:) und hat
nichts der Rede werth alda gefunden; aber er kann
ſich geirret haben, und du wirſt es hundertmal beſ-
ſer als er ſehn. Alsdann wird meine Tochter eine
wirkliche Koͤnigin ſeyn. Vor Freuden ſtand der Al-
te auf, um ſeinen Schwiegerſohn zu umarmen —

Mit ſolchen Dingen unterhielt Victorin ſeinen
Schwiegervater waͤhrend ſeines Aufenthalts auf dem
unbeſteiglichen Berge. Endlich nach acht Tagen
trug er den guten Herrn gegen zehn Uhr des Abends
wieder nach ſeinem Wohnſitz hin. Seine ganze Fa-
milie begleitete ihn; im Schloſſe merkte niemand was
davon: Seine Tochter und Enkel brachten ihn ins
Bette; umarmten ihn und kehrten auf ihren Berg
zuruͤck.

Wie ſtaunten die Bedienten des Herrn von
B-m-t nicht, als ſie den andern Morgen ihren
Herrn ſeine Pfeife Taback auf dem Balcon rauchen
ſahen: kaum trauten ſie ihren Augen, und hielten
ihn fuͤr eine Erſcheinung. Aber bald uͤberzeugte ſie
ſein lermender Ton, mit dem er alle zum Empfang ſeiner
Befehle rufte, von der Wirklichkeit ſeiner Ruͤckkunft.
Doch wagt’ es kein Menſch ihn deshalb zu fragen,
denn der gute Herr war ein wenig ſtolz, auſſer eine
alte Ausgeberin, die noch um einige Jahr laͤnger im
Hauſe war als ihr Herr.

„J gnaͤdiger Herr! wenn ſind ſie denn zuruͤck-
gekommen?‟

„Geſtern Abend meine beſte.‟

„Es hat ſie ja kein Menſch geſehn?‟

„Zum
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0118" n="110"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
mann Halley ko&#x0364;mmt zwar daher (1700:) und hat<lb/>
nichts der Rede werth alda gefunden; aber er kann<lb/>
&#x017F;ich geirret haben, und du wir&#x017F;t es hundertmal be&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er als er &#x017F;ehn. Alsdann wird meine Tochter eine<lb/>
wirkliche Ko&#x0364;nigin &#x017F;eyn. Vor Freuden &#x017F;tand der Al-<lb/>
te auf, um &#x017F;einen Schwieger&#x017F;ohn zu umarmen &#x2014;</p><lb/>
        <p>Mit &#x017F;olchen Dingen unterhielt Victorin &#x017F;einen<lb/>
Schwiegervater wa&#x0364;hrend &#x017F;eines Aufenthalts auf dem<lb/>
unbe&#x017F;teiglichen Berge. Endlich nach acht Tagen<lb/>
trug er den guten Herrn gegen zehn Uhr des Abends<lb/>
wieder nach &#x017F;einem Wohn&#x017F;itz hin. Seine ganze Fa-<lb/>
milie begleitete ihn; im Schlo&#x017F;&#x017F;e merkte niemand was<lb/>
davon: Seine Tochter und Enkel brachten ihn ins<lb/>
Bette; umarmten ihn und kehrten auf ihren Berg<lb/>
zuru&#x0364;ck.</p><lb/>
        <p>Wie &#x017F;taunten die Bedienten des Herrn von<lb/>
B-m-t nicht, als &#x017F;ie den andern Morgen ihren<lb/>
Herrn &#x017F;eine Pfeife Taback auf dem Balcon rauchen<lb/>
&#x017F;ahen: kaum trauten &#x017F;ie ihren Augen, und hielten<lb/>
ihn fu&#x0364;r eine Er&#x017F;cheinung. Aber bald u&#x0364;berzeugte &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ein lermender Ton, mit dem er alle zum Empfang &#x017F;einer<lb/>
Befehle rufte, von der Wirklichkeit &#x017F;einer Ru&#x0364;ckkunft.<lb/>
Doch wagt&#x2019; es kein Men&#x017F;ch ihn deshalb zu fragen,<lb/>
denn der gute Herr war ein wenig &#x017F;tolz, au&#x017F;&#x017F;er eine<lb/>
alte Ausgeberin, die noch um einige Jahr la&#x0364;nger im<lb/>
Hau&#x017F;e war als ihr Herr.</p><lb/>
        <p>&#x201E;J gna&#x0364;diger Herr! wenn &#x017F;ind &#x017F;ie denn zuru&#x0364;ck-<lb/>
gekommen?&#x201F;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ge&#x017F;tern Abend meine be&#x017F;te.&#x201F;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es hat &#x017F;ie ja kein Men&#x017F;ch ge&#x017F;ehn?&#x201F;</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Zum</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0118] mann Halley koͤmmt zwar daher (1700:) und hat nichts der Rede werth alda gefunden; aber er kann ſich geirret haben, und du wirſt es hundertmal beſ- ſer als er ſehn. Alsdann wird meine Tochter eine wirkliche Koͤnigin ſeyn. Vor Freuden ſtand der Al- te auf, um ſeinen Schwiegerſohn zu umarmen — Mit ſolchen Dingen unterhielt Victorin ſeinen Schwiegervater waͤhrend ſeines Aufenthalts auf dem unbeſteiglichen Berge. Endlich nach acht Tagen trug er den guten Herrn gegen zehn Uhr des Abends wieder nach ſeinem Wohnſitz hin. Seine ganze Fa- milie begleitete ihn; im Schloſſe merkte niemand was davon: Seine Tochter und Enkel brachten ihn ins Bette; umarmten ihn und kehrten auf ihren Berg zuruͤck. Wie ſtaunten die Bedienten des Herrn von B-m-t nicht, als ſie den andern Morgen ihren Herrn ſeine Pfeife Taback auf dem Balcon rauchen ſahen: kaum trauten ſie ihren Augen, und hielten ihn fuͤr eine Erſcheinung. Aber bald uͤberzeugte ſie ſein lermender Ton, mit dem er alle zum Empfang ſeiner Befehle rufte, von der Wirklichkeit ſeiner Ruͤckkunft. Doch wagt’ es kein Menſch ihn deshalb zu fragen, denn der gute Herr war ein wenig ſtolz, auſſer eine alte Ausgeberin, die noch um einige Jahr laͤnger im Hauſe war als ihr Herr. „J gnaͤdiger Herr! wenn ſind ſie denn zuruͤck- gekommen?‟ „Geſtern Abend meine beſte.‟ „Es hat ſie ja kein Menſch geſehn?‟ „Zum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/118
Zitationshilfe: Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/118>, abgerufen am 07.05.2024.