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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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I. Land- und Forstwirthschaft.
verknüpft, wie mit dem des Malayen und Hindu. Dies zeigt sich
unter anderm auch darin, dass seine Sprache für fast jede besondere
Form ein anderes Wort hat. So heisst die auf dem Saatbeet erzielte
junge Reispflanze vor dem Versetzen Naye (sprich nae), die mehr
entwickelte auf dem Reisfelde Ine. Kome (oder Kuromai) ist der
Name für die Körner (Paddy), nachdem sie von der Spreu gereinigt
sind. Mit Momi oder Mominai bezeichnet man den ungeschälten,
mit Hakumai und Tsukigome den geschälten Reis. Ist letzterer
gekocht und warm, so nennt man ihn Meshi, Gozen, oder O-mamma
(Bezeichnung bei den Kindern), aber Hiya-meshi, wenn er kalt ist.
Nach der Zeit der Reife unterscheidet man Wase, Nakade und Oku,
d. h. Früh-, Mittel- und Spät-Reis. Der erstere wird Mitte September,
der Spätreis erst gegen Ende October geerntet. Letzterer wiegt bei
weitem vor und liefert die Haupternte.

Mit Okabo bezeichnet man, wie schon früher erwähnt wurde,
den Bergreis, mit Uruchi den gewöhnlichen Reis, mit Mochi-gome
(chin. no, malayisch pulut, in Java kattan, bei den Franzosen riz
gluante
) den Klebreis (Oryza glutinosa Rumph.), eine besondere,
vielfach schwarzspelzige Sorte, bei welcher man früher annahm, dass
ein Theil des Stärkemehls in Dextrin umgewandelt sei. *) Geschält sind
die Körner des Klebreis sofort durch ihre weissliche Farbe und Glanz-
losigkeit, sowie durch den stearinähnlichen Bruch zu erkennen. Das
Mehl liefert einen zähen, höchst elastischen Teig, wie das kleber-
reichste Weizenmehl. Man verwendet es besonders zur Darstellung
kleiner runder Kuchen, die, mit Bohnenmehl und Zucker gefüllt, unge-
backen gegessen werden und sehr beliebt sind, ferner zu Kleister.
Dieser Klebreis wird im ganzen Monsungebiete cultiviert und ist
in seinen Eigenschaften, keineswegs aber seinem Aussehen die auf-
fälligste von all den vielen Reisvarietäten.

Da der in Wasser oder Wasserdampf gekochte Reis bei jeder der
drei Mahlzeiten des Japaners das wichtigste Gericht bildet, so pflegt
man dieselben kurzer Hand Gozen zu nennen und als Asa-gozen,
Hiru-gozen
und Yu-gozen (wörtlich: Morgen-, Mittag- und Abend-
reis) zu unterscheiden, **) gerade so, wie wir von einem Morgen-,
Mittag- und Abendbrot reden.

Da die Hauptreisernte, die des Oku gegen Ende October fällt,
die Aussaat aber meist in die zweite Hälfte des April oder Anfang
Mai, so bedarf diese wichtigste japanische Reissorte ein volles halbes

*) Siehe Näheres weiter unten bei den Analysen.
**) In China heisst in ähnlicher Weise eine Mahlzeit nehmen "tschi fan", d. h.
Reis essen. Williams: The Middle Kingdom I. 772.

I. Land- und Forstwirthschaft.
verknüpft, wie mit dem des Malayen und Hindu. Dies zeigt sich
unter anderm auch darin, dass seine Sprache für fast jede besondere
Form ein anderes Wort hat. So heisst die auf dem Saatbeet erzielte
junge Reispflanze vor dem Versetzen Naye (sprich naë), die mehr
entwickelte auf dem Reisfelde İne. Kome (oder Kuromai) ist der
Name für die Körner (Paddy), nachdem sie von der Spreu gereinigt
sind. Mit Momi oder Mominai bezeichnet man den ungeschälten,
mit Hakumai und Tsukigome den geschälten Reis. Ist letzterer
gekocht und warm, so nennt man ihn Meshi, Gozen, oder O-mamma
(Bezeichnung bei den Kindern), aber Hiya-meshi, wenn er kalt ist.
Nach der Zeit der Reife unterscheidet man Wase, Nakade und Oku,
d. h. Früh-, Mittel- und Spät-Reis. Der erstere wird Mitte September,
der Spätreis erst gegen Ende October geerntet. Letzterer wiegt bei
weitem vor und liefert die Haupternte.

Mit Okabo bezeichnet man, wie schon früher erwähnt wurde,
den Bergreis, mit Uruchi den gewöhnlichen Reis, mit Mochi-gome
(chin. no, malayisch pulut, in Java kattan, bei den Franzosen riz
gluante
) den Klebreis (Oryza glutinosa Rumph.), eine besondere,
vielfach schwarzspelzige Sorte, bei welcher man früher annahm, dass
ein Theil des Stärkemehls in Dextrin umgewandelt sei. *) Geschält sind
die Körner des Klebreis sofort durch ihre weissliche Farbe und Glanz-
losigkeit, sowie durch den stearinähnlichen Bruch zu erkennen. Das
Mehl liefert einen zähen, höchst elastischen Teig, wie das kleber-
reichste Weizenmehl. Man verwendet es besonders zur Darstellung
kleiner runder Kuchen, die, mit Bohnenmehl und Zucker gefüllt, unge-
backen gegessen werden und sehr beliebt sind, ferner zu Kleister.
Dieser Klebreis wird im ganzen Monsungebiete cultiviert und ist
in seinen Eigenschaften, keineswegs aber seinem Aussehen die auf-
fälligste von all den vielen Reisvarietäten.

Da der in Wasser oder Wasserdampf gekochte Reis bei jeder der
drei Mahlzeiten des Japaners das wichtigste Gericht bildet, so pflegt
man dieselben kurzer Hand Gozen zu nennen und als Asa-gozen,
Hiru-gozen
und Yu-gozen (wörtlich: Morgen-, Mittag- und Abend-
reis) zu unterscheiden, **) gerade so, wie wir von einem Morgen-,
Mittag- und Abendbrot reden.

Da die Hauptreisernte, die des Oku gegen Ende October fällt,
die Aussaat aber meist in die zweite Hälfte des April oder Anfang
Mai, so bedarf diese wichtigste japanische Reissorte ein volles halbes

*) Siehe Näheres weiter unten bei den Analysen.
**) In China heisst in ähnlicher Weise eine Mahlzeit nehmen »tschi fan«, d. h.
Reis essen. Williams: The Middle Kingdom I. 772.
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[54/0074] I. Land- und Forstwirthschaft. verknüpft, wie mit dem des Malayen und Hindu. Dies zeigt sich unter anderm auch darin, dass seine Sprache für fast jede besondere Form ein anderes Wort hat. So heisst die auf dem Saatbeet erzielte junge Reispflanze vor dem Versetzen Naye (sprich naë), die mehr entwickelte auf dem Reisfelde İne. Kome (oder Kuromai) ist der Name für die Körner (Paddy), nachdem sie von der Spreu gereinigt sind. Mit Momi oder Mominai bezeichnet man den ungeschälten, mit Hakumai und Tsukigome den geschälten Reis. Ist letzterer gekocht und warm, so nennt man ihn Meshi, Gozen, oder O-mamma (Bezeichnung bei den Kindern), aber Hiya-meshi, wenn er kalt ist. Nach der Zeit der Reife unterscheidet man Wase, Nakade und Oku, d. h. Früh-, Mittel- und Spät-Reis. Der erstere wird Mitte September, der Spätreis erst gegen Ende October geerntet. Letzterer wiegt bei weitem vor und liefert die Haupternte. Mit Okabo bezeichnet man, wie schon früher erwähnt wurde, den Bergreis, mit Uruchi den gewöhnlichen Reis, mit Mochi-gome (chin. no, malayisch pulut, in Java kattan, bei den Franzosen riz gluante) den Klebreis (Oryza glutinosa Rumph.), eine besondere, vielfach schwarzspelzige Sorte, bei welcher man früher annahm, dass ein Theil des Stärkemehls in Dextrin umgewandelt sei. *) Geschält sind die Körner des Klebreis sofort durch ihre weissliche Farbe und Glanz- losigkeit, sowie durch den stearinähnlichen Bruch zu erkennen. Das Mehl liefert einen zähen, höchst elastischen Teig, wie das kleber- reichste Weizenmehl. Man verwendet es besonders zur Darstellung kleiner runder Kuchen, die, mit Bohnenmehl und Zucker gefüllt, unge- backen gegessen werden und sehr beliebt sind, ferner zu Kleister. Dieser Klebreis wird im ganzen Monsungebiete cultiviert und ist in seinen Eigenschaften, keineswegs aber seinem Aussehen die auf- fälligste von all den vielen Reisvarietäten. Da der in Wasser oder Wasserdampf gekochte Reis bei jeder der drei Mahlzeiten des Japaners das wichtigste Gericht bildet, so pflegt man dieselben kurzer Hand Gozen zu nennen und als Asa-gozen, Hiru-gozen und Yu-gozen (wörtlich: Morgen-, Mittag- und Abend- reis) zu unterscheiden, **) gerade so, wie wir von einem Morgen-, Mittag- und Abendbrot reden. Da die Hauptreisernte, die des Oku gegen Ende October fällt, die Aussaat aber meist in die zweite Hälfte des April oder Anfang Mai, so bedarf diese wichtigste japanische Reissorte ein volles halbes *) Siehe Näheres weiter unten bei den Analysen. **) In China heisst in ähnlicher Weise eine Mahlzeit nehmen »tschi fan«, d. h. Reis essen. Williams: The Middle Kingdom I. 772.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/74>, abgerufen am 22.11.2024.