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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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2. Nährpflanzen.
Betrieb und, wie bereits angegeben wurde, die Resultate derjenigen
in der Poebene in keiner Weise.

Nirgends auf der Erde ist wohl das Bewässerungssystem so gross-
artig, plan- und zweckmässig durchgeführt, als dasjenige, durch
welches die "Societa d'Irrigazione dell'Ovest della Sesia", das Wasser
der Sesia den Reisfeldern bei Vercelli und Umgegend zuführt, von
dem jedes Liter bezahlt werden muss, dessen rationelle Verwendung
jedoch durch hohe Erträge diese und andere Auslagen reichlich lohnt.

Im Juni -- selten früher oder später, und etwa 30--45 Tage
nach der Aussaat -- werden die jungen Reispflanzen vom Saatbeet
auf das zubereitete und 6--10 cm hoch überrieselte Land verpflanzt.
Die Setzlinge (nae) haben dann eine Länge von 18--24 cm. Nach
dem Ausrupfen bindet man sie in kleine Bündel, so gross, dass man
sie mit der Hand noch umfassen kann. Ein Mann nimmt eine Menge
solcher Päckchen unter den Arm, und indem er damit sein Feld durch-
watet, wirft er sie einzeln und nach Bedarf rechts und links auf das
Wasser. Andere, Männer und Frauen, heben dieselben auf und das
Pflanzen beginnt. Man setzt je 4--6 Pflänzchen zusammen, die ein-
zelnen Büschel in Reihen und bestimmt die Abstände von 20--25 cm
durch das geübte Augenmaass, so dass zwischen 1200 und 3000 Büschel
auf eine Are kommen. Silberreiher und Kraniche folgen den emsigen
Pflanzern, wie bei uns Stare und Bachstelzen dem Pflug des Ackers-
manns, und haschen die vorkommenden Larven und Schnecken auf.

Von dem erstaunlich raschen Verlauf, den all die erwähnten
Arbeiten auf dem Reisfelde nehmen, möge hier ein Beispiel zeugen:

Im Frühjahr 1875 hatte ich zu verschiedenen Zeiten Gelegenheit,
die Ebene von Ozaka, welche vom Yodogawa, dem Abfluss des Biwa-
Sees, bewässert wird, zu durchreisen. Am 1. April zeigten sich darin
die ersten Rapsblüthen, Gerste und Weizen hatten noch keine Halme
gebildet, von brachliegenden Reisfeldern war wenig zu sehen. Am
3. Juni, also kaum 9 Wochen später, als ich abermals desselben Weges
kam, hatte die Raps- und Gerstenernte begonnen und auch der Weizen
näherte sich rasch der Reife. Wiederum bot sich mir am 26. Juni, also
drei Wochen später, Gelegenheit, diese fruchtbare Ebene zu sehen und
mich ihrer schönen Cultur zu erfreuen. Welch ein Wechsel hatte sich
in der kurzen Zeit vollzogen! Von den Winterfrüchten: Raps, Gerste,
Weizen, Erbsen, Saubohnen, von den hohen Beeten und tiefen Furchen
der trocknen Felder, von den zahlreichen vergnügten Menschen, welche
am 3. Juni emsig mit der Ernte beschäftigt waren: von dem allen ist
jetzt nichts mehr zu sehen. Wie durch einen Zauber umgewandelt,
erscheint das ganze weite Feld. Grosse Strecken desselben sind

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2. Nährpflanzen.
Betrieb und, wie bereits angegeben wurde, die Resultate derjenigen
in der Poebene in keiner Weise.

Nirgends auf der Erde ist wohl das Bewässerungssystem so gross-
artig, plan- und zweckmässig durchgeführt, als dasjenige, durch
welches die »Società d’Irrigazione dell’Ovest della Sesia«, das Wasser
der Sesia den Reisfeldern bei Vercelli und Umgegend zuführt, von
dem jedes Liter bezahlt werden muss, dessen rationelle Verwendung
jedoch durch hohe Erträge diese und andere Auslagen reichlich lohnt.

Im Juni — selten früher oder später, und etwa 30—45 Tage
nach der Aussaat — werden die jungen Reispflanzen vom Saatbeet
auf das zubereitete und 6—10 cm hoch überrieselte Land verpflanzt.
Die Setzlinge (naë) haben dann eine Länge von 18—24 cm. Nach
dem Ausrupfen bindet man sie in kleine Bündel, so gross, dass man
sie mit der Hand noch umfassen kann. Ein Mann nimmt eine Menge
solcher Päckchen unter den Arm, und indem er damit sein Feld durch-
watet, wirft er sie einzeln und nach Bedarf rechts und links auf das
Wasser. Andere, Männer und Frauen, heben dieselben auf und das
Pflanzen beginnt. Man setzt je 4—6 Pflänzchen zusammen, die ein-
zelnen Büschel in Reihen und bestimmt die Abstände von 20—25 cm
durch das geübte Augenmaass, so dass zwischen 1200 und 3000 Büschel
auf eine Are kommen. Silberreiher und Kraniche folgen den emsigen
Pflanzern, wie bei uns Stare und Bachstelzen dem Pflug des Ackers-
manns, und haschen die vorkommenden Larven und Schnecken auf.

Von dem erstaunlich raschen Verlauf, den all die erwähnten
Arbeiten auf dem Reisfelde nehmen, möge hier ein Beispiel zeugen:

Im Frühjahr 1875 hatte ich zu verschiedenen Zeiten Gelegenheit,
die Ebene von Ôzaka, welche vom Yodógawa, dem Abfluss des Biwa-
Sees, bewässert wird, zu durchreisen. Am 1. April zeigten sich darin
die ersten Rapsblüthen, Gerste und Weizen hatten noch keine Halme
gebildet, von brachliegenden Reisfeldern war wenig zu sehen. Am
3. Juni, also kaum 9 Wochen später, als ich abermals desselben Weges
kam, hatte die Raps- und Gerstenernte begonnen und auch der Weizen
näherte sich rasch der Reife. Wiederum bot sich mir am 26. Juni, also
drei Wochen später, Gelegenheit, diese fruchtbare Ebene zu sehen und
mich ihrer schönen Cultur zu erfreuen. Welch ein Wechsel hatte sich
in der kurzen Zeit vollzogen! Von den Winterfrüchten: Raps, Gerste,
Weizen, Erbsen, Saubohnen, von den hohen Beeten und tiefen Furchen
der trocknen Felder, von den zahlreichen vergnügten Menschen, welche
am 3. Juni emsig mit der Ernte beschäftigt waren: von dem allen ist
jetzt nichts mehr zu sehen. Wie durch einen Zauber umgewandelt,
erscheint das ganze weite Feld. Grosse Strecken desselben sind

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[51/0071] 2. Nährpflanzen. Betrieb und, wie bereits angegeben wurde, die Resultate derjenigen in der Poebene in keiner Weise. Nirgends auf der Erde ist wohl das Bewässerungssystem so gross- artig, plan- und zweckmässig durchgeführt, als dasjenige, durch welches die »Società d’Irrigazione dell’Ovest della Sesia«, das Wasser der Sesia den Reisfeldern bei Vercelli und Umgegend zuführt, von dem jedes Liter bezahlt werden muss, dessen rationelle Verwendung jedoch durch hohe Erträge diese und andere Auslagen reichlich lohnt. Im Juni — selten früher oder später, und etwa 30—45 Tage nach der Aussaat — werden die jungen Reispflanzen vom Saatbeet auf das zubereitete und 6—10 cm hoch überrieselte Land verpflanzt. Die Setzlinge (naë) haben dann eine Länge von 18—24 cm. Nach dem Ausrupfen bindet man sie in kleine Bündel, so gross, dass man sie mit der Hand noch umfassen kann. Ein Mann nimmt eine Menge solcher Päckchen unter den Arm, und indem er damit sein Feld durch- watet, wirft er sie einzeln und nach Bedarf rechts und links auf das Wasser. Andere, Männer und Frauen, heben dieselben auf und das Pflanzen beginnt. Man setzt je 4—6 Pflänzchen zusammen, die ein- zelnen Büschel in Reihen und bestimmt die Abstände von 20—25 cm durch das geübte Augenmaass, so dass zwischen 1200 und 3000 Büschel auf eine Are kommen. Silberreiher und Kraniche folgen den emsigen Pflanzern, wie bei uns Stare und Bachstelzen dem Pflug des Ackers- manns, und haschen die vorkommenden Larven und Schnecken auf. Von dem erstaunlich raschen Verlauf, den all die erwähnten Arbeiten auf dem Reisfelde nehmen, möge hier ein Beispiel zeugen: Im Frühjahr 1875 hatte ich zu verschiedenen Zeiten Gelegenheit, die Ebene von Ôzaka, welche vom Yodógawa, dem Abfluss des Biwa- Sees, bewässert wird, zu durchreisen. Am 1. April zeigten sich darin die ersten Rapsblüthen, Gerste und Weizen hatten noch keine Halme gebildet, von brachliegenden Reisfeldern war wenig zu sehen. Am 3. Juni, also kaum 9 Wochen später, als ich abermals desselben Weges kam, hatte die Raps- und Gerstenernte begonnen und auch der Weizen näherte sich rasch der Reife. Wiederum bot sich mir am 26. Juni, also drei Wochen später, Gelegenheit, diese fruchtbare Ebene zu sehen und mich ihrer schönen Cultur zu erfreuen. Welch ein Wechsel hatte sich in der kurzen Zeit vollzogen! Von den Winterfrüchten: Raps, Gerste, Weizen, Erbsen, Saubohnen, von den hohen Beeten und tiefen Furchen der trocknen Felder, von den zahlreichen vergnügten Menschen, welche am 3. Juni emsig mit der Ernte beschäftigt waren: von dem allen ist jetzt nichts mehr zu sehen. Wie durch einen Zauber umgewandelt, erscheint das ganze weite Feld. Grosse Strecken desselben sind 4*

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/71>, abgerufen am 20.04.2024.