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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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2. Sonstige Verkehrsmittel.
hunderts unüberwindliche Fesseln angelegt. Ueber 250 Jahre lang bis
zur Restauration der Mikadoherrschaft blieb die japanische Schifffahrt
auf den Küstenverkehr des eigenen Landes beschränkt und in einer
Zwangsjacke, wie der Verkehr überhaupt, zu deren Abwerfung die
Anregung von aussen kommen musste. Was aber wiederholten Ver-
suchen Seitens der Engländer und Russen nicht gelungen war, nämlich
das Land auf friedlichem Wege aus seiner Abgeschlossenheit heraus-
zureissen und zum freien Verkehr mit den grossen seefahrenden
Mächten zu veranlassen, das vermochte Commodore Perry 1854. Wie zur
Zeit der ersten Landung des Mendez Pinto und seiner Gefährten im
Jahre 1542 nichts so sehr die Aufmerksamkeit und das Erstaunen der
Japaner erregte, als die lange Flinte, welche sie mit sich führten, und
wie man alsbald mit Erfolg bestrebt war, dieselbe gleich dem Schiess-
pulver nachzumachen, so ging es auch jetzt. Commodore Perry im-
ponierte viel mehr durch die Anlage einer kleinen Telegraphenlinie
und einer Miniatureisenbahn, als durch sein stattliches Geschwader.
Diese Dinge erregten das höchste Interesse und den Wunsch, sie als
Verkehrsmittel dauernd zu besitzen. Kein Wunder, dass nach Eröff-
nung des Verkehrs mit den christlichen Nationen und nach Beseitigung
des Shogunats die Erwerbung von Dampfschiffen, wie nicht minder die
Anlagen von Telegraphen und Eisenbahnen zu den ersten Sorgen der
neuen Regierung unter dem Mikado gehörten; denn die einflussreichsten
Anhänger des letzteren und Vertheidiger seiner alten Rechte gegen
das Shogunat und dessen Stützen hatten schon ehe es zu den Ent-
scheidungskämpfen im Jahre 1868 kam (siehe Band I pg. 413 ff.),
ihre Abneigung gegen die eingedrungenen Barbaren abgelegt und er-
kannt, dass nur auf der vom Bakufu (Regierung in Yedo) geschaffenen
neuen Basis durch Annahme und Weiterführung aller mit fremder
Hülfe eingeleiteten Neuerungen Japan wieder erstarken und sich fort-
entwickeln könne. Aber erst im Jahre 1870 begann diese neue Re-
gierung, nachdem sie die ersten grossen Schwierigkeiten der inneren
Organisation überwunden hatte, mit einem Unternehmungsgeist und
Reformendrang auf den verschiedensten Gebieten des Erwerbslebens
und insbesondere des öffentlichen Verkehrs hervorzutreten, der manchem
Zuschauer zuweitgehend schien und viele Befürchtungen bezüglich des
Ausgangs wachrief. Zum Glück haben sich dieselben nicht erfüllt.
Wer heute unparteiisch überblickt, was in Japan im Verkehrsleben zu
Land und zu Wasser seitdem geleistet worden ist, kann den Männern,
welche an der Spitze dieser Unternehmungen standen, seine Aner-
kennung nicht versagen. Auf andern Gebieten, so namentlich auf dem des
Unterrichts, sind die Reformen und ihre Erfolge nicht minder belangreich.

2. Sonstige Verkehrsmittel.
hunderts unüberwindliche Fesseln angelegt. Ueber 250 Jahre lang bis
zur Restauration der Mikadoherrschaft blieb die japanische Schifffahrt
auf den Küstenverkehr des eigenen Landes beschränkt und in einer
Zwangsjacke, wie der Verkehr überhaupt, zu deren Abwerfung die
Anregung von aussen kommen musste. Was aber wiederholten Ver-
suchen Seitens der Engländer und Russen nicht gelungen war, nämlich
das Land auf friedlichem Wege aus seiner Abgeschlossenheit heraus-
zureissen und zum freien Verkehr mit den grossen seefahrenden
Mächten zu veranlassen, das vermochte Commodore Perry 1854. Wie zur
Zeit der ersten Landung des Mendez Pinto und seiner Gefährten im
Jahre 1542 nichts so sehr die Aufmerksamkeit und das Erstaunen der
Japaner erregte, als die lange Flinte, welche sie mit sich führten, und
wie man alsbald mit Erfolg bestrebt war, dieselbe gleich dem Schiess-
pulver nachzumachen, so ging es auch jetzt. Commodore Perry im-
ponierte viel mehr durch die Anlage einer kleinen Telegraphenlinie
und einer Miniatureisenbahn, als durch sein stattliches Geschwader.
Diese Dinge erregten das höchste Interesse und den Wunsch, sie als
Verkehrsmittel dauernd zu besitzen. Kein Wunder, dass nach Eröff-
nung des Verkehrs mit den christlichen Nationen und nach Beseitigung
des Shôgunats die Erwerbung von Dampfschiffen, wie nicht minder die
Anlagen von Telegraphen und Eisenbahnen zu den ersten Sorgen der
neuen Regierung unter dem Mikado gehörten; denn die einflussreichsten
Anhänger des letzteren und Vertheidiger seiner alten Rechte gegen
das Shôgunat und dessen Stützen hatten schon ehe es zu den Ent-
scheidungskämpfen im Jahre 1868 kam (siehe Band I pg. 413 ff.),
ihre Abneigung gegen die eingedrungenen Barbaren abgelegt und er-
kannt, dass nur auf der vom Bakufu (Regierung in Yedo) geschaffenen
neuen Basis durch Annahme und Weiterführung aller mit fremder
Hülfe eingeleiteten Neuerungen Japan wieder erstarken und sich fort-
entwickeln könne. Aber erst im Jahre 1870 begann diese neue Re-
gierung, nachdem sie die ersten grossen Schwierigkeiten der inneren
Organisation überwunden hatte, mit einem Unternehmungsgeist und
Reformendrang auf den verschiedensten Gebieten des Erwerbslebens
und insbesondere des öffentlichen Verkehrs hervorzutreten, der manchem
Zuschauer zuweitgehend schien und viele Befürchtungen bezüglich des
Ausgangs wachrief. Zum Glück haben sich dieselben nicht erfüllt.
Wer heute unparteiisch überblickt, was in Japan im Verkehrsleben zu
Land und zu Wasser seitdem geleistet worden ist, kann den Männern,
welche an der Spitze dieser Unternehmungen standen, seine Aner-
kennung nicht versagen. Auf andern Gebieten, so namentlich auf dem des
Unterrichts, sind die Reformen und ihre Erfolge nicht minder belangreich.

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[605/0665] 2. Sonstige Verkehrsmittel. hunderts unüberwindliche Fesseln angelegt. Ueber 250 Jahre lang bis zur Restauration der Mikadoherrschaft blieb die japanische Schifffahrt auf den Küstenverkehr des eigenen Landes beschränkt und in einer Zwangsjacke, wie der Verkehr überhaupt, zu deren Abwerfung die Anregung von aussen kommen musste. Was aber wiederholten Ver- suchen Seitens der Engländer und Russen nicht gelungen war, nämlich das Land auf friedlichem Wege aus seiner Abgeschlossenheit heraus- zureissen und zum freien Verkehr mit den grossen seefahrenden Mächten zu veranlassen, das vermochte Commodore Perry 1854. Wie zur Zeit der ersten Landung des Mendez Pinto und seiner Gefährten im Jahre 1542 nichts so sehr die Aufmerksamkeit und das Erstaunen der Japaner erregte, als die lange Flinte, welche sie mit sich führten, und wie man alsbald mit Erfolg bestrebt war, dieselbe gleich dem Schiess- pulver nachzumachen, so ging es auch jetzt. Commodore Perry im- ponierte viel mehr durch die Anlage einer kleinen Telegraphenlinie und einer Miniatureisenbahn, als durch sein stattliches Geschwader. Diese Dinge erregten das höchste Interesse und den Wunsch, sie als Verkehrsmittel dauernd zu besitzen. Kein Wunder, dass nach Eröff- nung des Verkehrs mit den christlichen Nationen und nach Beseitigung des Shôgunats die Erwerbung von Dampfschiffen, wie nicht minder die Anlagen von Telegraphen und Eisenbahnen zu den ersten Sorgen der neuen Regierung unter dem Mikado gehörten; denn die einflussreichsten Anhänger des letzteren und Vertheidiger seiner alten Rechte gegen das Shôgunat und dessen Stützen hatten schon ehe es zu den Ent- scheidungskämpfen im Jahre 1868 kam (siehe Band I pg. 413 ff.), ihre Abneigung gegen die eingedrungenen Barbaren abgelegt und er- kannt, dass nur auf der vom Bakufu (Regierung in Yedo) geschaffenen neuen Basis durch Annahme und Weiterführung aller mit fremder Hülfe eingeleiteten Neuerungen Japan wieder erstarken und sich fort- entwickeln könne. Aber erst im Jahre 1870 begann diese neue Re- gierung, nachdem sie die ersten grossen Schwierigkeiten der inneren Organisation überwunden hatte, mit einem Unternehmungsgeist und Reformendrang auf den verschiedensten Gebieten des Erwerbslebens und insbesondere des öffentlichen Verkehrs hervorzutreten, der manchem Zuschauer zuweitgehend schien und viele Befürchtungen bezüglich des Ausgangs wachrief. Zum Glück haben sich dieselben nicht erfüllt. Wer heute unparteiisch überblickt, was in Japan im Verkehrsleben zu Land und zu Wasser seitdem geleistet worden ist, kann den Männern, welche an der Spitze dieser Unternehmungen standen, seine Aner- kennung nicht versagen. Auf andern Gebieten, so namentlich auf dem des Unterrichts, sind die Reformen und ihre Erfolge nicht minder belangreich.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 605. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/665>, abgerufen am 02.05.2024.