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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
Man verwendet dazu die beste, feingeschlemmte Masse, dreht die
Schalen und Tassen schon ziemlich dünn ab, wobei man sich einer
zugeschärften hölzernen Lehre (Schablone) bedient. Sie werden hierauf
mehrere Tage hindurch dem Trocknen an der Luft ausgesetzt, dann
ähnlich den Vasenstücken, aber allenthalben weiter abgedreht und
schliesslich in Kapseln gebrannt.

Ich sah in Arita ein Dutzend grosse Porzellanbrennereien. Die
liegenden Oefen übertreffen an Grösse alle sonst in Japan beobachteten.
Jeder besteht aus 12--16 Gewölben, welche etwa 25 Fuss (7,58 m)
tief, 15 Fuss (4,55 m) breit und 10--12 Fuss (3,03--3,64 m) hoch an-
einandergereiht auf schiefer Ebene emporsteigen. Sie sind aus feuer-
festem Thon und Lehm aufgebaut, auf dem Boden mit Quarzsand be-
deckt und haben 2/3 --1 m breite Gänge für den Eintritt und die
Feuerungen auf der einen Längsseite der Reihe, so wie je ein Probier-
loch, während die andere Längsseite ganz geschlossen ist. Etwa
25--30 cm über dem Boden trägt jede Zwischenwand eine Reihe
quadratischer Oeffnungen für den Eintritt der heissen Luft aus dem
tieferen Gewölbe in das zunächst höhere. Man unterhält die unterste
oder Hauptfeuerung fast einen ganzen Tag und beginnt die Seiten-
feuerungen etwa 6 Stunden nach dem Anfang der ersteren. C. Gümbel
hat neben dem Rohmaterial auch schönes weisses Porzellan von Arita
analysiert und dabei 70,74 % SiO2, 21,75 % Al2O3, 2,02 % FeO3,
0,72 % CaO, 0,02 % MgO, 3,23 % KaO und 2,43 % Na2O gefunden.

Die Industrie von Arita wird allgemein auf Gorodayu Shonsui,
einen Töpfer der Provinz Ise, welcher am Anfang des 16. Jahrhunderts
lebte, zurückgeführt. Angeregt durch die Schönheit und Werth-
schätzung des chinesischen Porzellans, welches damals nach Japan
gelangte, unternahm er eine Reise über Fu-tschau nach King-te-tschin,
wo er sich fünf Jahre lang behufs Erlernung der Industrie aufhielt.
Nach seiner Rückkehr im 10. Jahre Yeisho (1514) liess er sich in dem
damals unbedeutenden Orte Arita nieder und verfertigte aus den von
King-te-tschin mitgebrachten Materialien eine Anzahl grober Porzellan-
waaren mit blauer Kobaltverzierung unter der Glasur. Als jedoch sein
Vorrath an chinesischer Porzellanmasse erschöpft war und er sich ge-
nöthigt fand, zu einheimischem Thon zu greifen, gelang es ihm nur
Faience darzustellen, welches auch seine Nachfolger bis zum Ende des
Jahrhunderts mit Kobaltdecoration unter der Glasur lieferten.

Mit der Rückkehr des Heeres aus Korea (1598 n. Ch.) nahm hier,
wie in vielen andern Theilen Japans die Keramik einen neuen Auf-
schwung. Nabeshima Naoshige, der Daimio von Hizen und einer
der Befehlshaber japanischer Truppen in Korea, brachte mehrere ko-

III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
Man verwendet dazu die beste, feingeschlemmte Masse, dreht die
Schalen und Tassen schon ziemlich dünn ab, wobei man sich einer
zugeschärften hölzernen Lehre (Schablone) bedient. Sie werden hierauf
mehrere Tage hindurch dem Trocknen an der Luft ausgesetzt, dann
ähnlich den Vasenstücken, aber allenthalben weiter abgedreht und
schliesslich in Kapseln gebrannt.

Ich sah in Arita ein Dutzend grosse Porzellanbrennereien. Die
liegenden Oefen übertreffen an Grösse alle sonst in Japan beobachteten.
Jeder besteht aus 12—16 Gewölben, welche etwa 25 Fuss (7,58 m)
tief, 15 Fuss (4,55 m) breit und 10—12 Fuss (3,03—3,64 m) hoch an-
einandergereiht auf schiefer Ebene emporsteigen. Sie sind aus feuer-
festem Thon und Lehm aufgebaut, auf dem Boden mit Quarzsand be-
deckt und haben ⅔—1 m breite Gänge für den Eintritt und die
Feuerungen auf der einen Längsseite der Reihe, so wie je ein Probier-
loch, während die andere Längsseite ganz geschlossen ist. Etwa
25—30 cm über dem Boden trägt jede Zwischenwand eine Reihe
quadratischer Oeffnungen für den Eintritt der heissen Luft aus dem
tieferen Gewölbe in das zunächst höhere. Man unterhält die unterste
oder Hauptfeuerung fast einen ganzen Tag und beginnt die Seiten-
feuerungen etwa 6 Stunden nach dem Anfang der ersteren. C. Gümbel
hat neben dem Rohmaterial auch schönes weisses Porzellan von Arita
analysiert und dabei 70,74 % SiO2, 21,75 % Al2O3, 2,02 % FeO3,
0,72 % CaO, 0,02 % MgO, 3,23 % KaO und 2,43 % Na2O gefunden.

Die Industrie von Arita wird allgemein auf Gorodayu Shonsui,
einen Töpfer der Provinz Ise, welcher am Anfang des 16. Jahrhunderts
lebte, zurückgeführt. Angeregt durch die Schönheit und Werth-
schätzung des chinesischen Porzellans, welches damals nach Japan
gelangte, unternahm er eine Reise über Fu-tschau nach King-te-tschin,
wo er sich fünf Jahre lang behufs Erlernung der Industrie aufhielt.
Nach seiner Rückkehr im 10. Jahre Yeishô (1514) liess er sich in dem
damals unbedeutenden Orte Arita nieder und verfertigte aus den von
King-te-tschin mitgebrachten Materialien eine Anzahl grober Porzellan-
waaren mit blauer Kobaltverzierung unter der Glasur. Als jedoch sein
Vorrath an chinesischer Porzellanmasse erschöpft war und er sich ge-
nöthigt fand, zu einheimischem Thon zu greifen, gelang es ihm nur
Faïence darzustellen, welches auch seine Nachfolger bis zum Ende des
Jahrhunderts mit Kobaltdecoration unter der Glasur lieferten.

Mit der Rückkehr des Heeres aus Korea (1598 n. Ch.) nahm hier,
wie in vielen andern Theilen Japans die Keramik einen neuen Auf-
schwung. Nabeshima Naoshige, der Daimiô von Hizen und einer
der Befehlshaber japanischer Truppen in Korea, brachte mehrere ko-

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[562/0614] III. Kunstgewerbe und Verwandtes. Man verwendet dazu die beste, feingeschlemmte Masse, dreht die Schalen und Tassen schon ziemlich dünn ab, wobei man sich einer zugeschärften hölzernen Lehre (Schablone) bedient. Sie werden hierauf mehrere Tage hindurch dem Trocknen an der Luft ausgesetzt, dann ähnlich den Vasenstücken, aber allenthalben weiter abgedreht und schliesslich in Kapseln gebrannt. Ich sah in Arita ein Dutzend grosse Porzellanbrennereien. Die liegenden Oefen übertreffen an Grösse alle sonst in Japan beobachteten. Jeder besteht aus 12—16 Gewölben, welche etwa 25 Fuss (7,58 m) tief, 15 Fuss (4,55 m) breit und 10—12 Fuss (3,03—3,64 m) hoch an- einandergereiht auf schiefer Ebene emporsteigen. Sie sind aus feuer- festem Thon und Lehm aufgebaut, auf dem Boden mit Quarzsand be- deckt und haben ⅔—1 m breite Gänge für den Eintritt und die Feuerungen auf der einen Längsseite der Reihe, so wie je ein Probier- loch, während die andere Längsseite ganz geschlossen ist. Etwa 25—30 cm über dem Boden trägt jede Zwischenwand eine Reihe quadratischer Oeffnungen für den Eintritt der heissen Luft aus dem tieferen Gewölbe in das zunächst höhere. Man unterhält die unterste oder Hauptfeuerung fast einen ganzen Tag und beginnt die Seiten- feuerungen etwa 6 Stunden nach dem Anfang der ersteren. C. Gümbel hat neben dem Rohmaterial auch schönes weisses Porzellan von Arita analysiert und dabei 70,74 % SiO2, 21,75 % Al2O3, 2,02 % FeO3, 0,72 % CaO, 0,02 % MgO, 3,23 % KaO und 2,43 % Na2O gefunden. Die Industrie von Arita wird allgemein auf Gorodayu Shonsui, einen Töpfer der Provinz Ise, welcher am Anfang des 16. Jahrhunderts lebte, zurückgeführt. Angeregt durch die Schönheit und Werth- schätzung des chinesischen Porzellans, welches damals nach Japan gelangte, unternahm er eine Reise über Fu-tschau nach King-te-tschin, wo er sich fünf Jahre lang behufs Erlernung der Industrie aufhielt. Nach seiner Rückkehr im 10. Jahre Yeishô (1514) liess er sich in dem damals unbedeutenden Orte Arita nieder und verfertigte aus den von King-te-tschin mitgebrachten Materialien eine Anzahl grober Porzellan- waaren mit blauer Kobaltverzierung unter der Glasur. Als jedoch sein Vorrath an chinesischer Porzellanmasse erschöpft war und er sich ge- nöthigt fand, zu einheimischem Thon zu greifen, gelang es ihm nur Faïence darzustellen, welches auch seine Nachfolger bis zum Ende des Jahrhunderts mit Kobaltdecoration unter der Glasur lieferten. Mit der Rückkehr des Heeres aus Korea (1598 n. Ch.) nahm hier, wie in vielen andern Theilen Japans die Keramik einen neuen Auf- schwung. Nabeshima Naoshige, der Daimiô von Hizen und einer der Befehlshaber japanischer Truppen in Korea, brachte mehrere ko-

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/614>, abgerufen am 20.05.2024.