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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
Ecken die verschiedenen Formen des Rhombus erhält, und wird diese
Beweglichkeit beim Schöpfen des Bogens in geeigneter Weise benutzt,
so entsteht ein geripptes Papier, wie das Tai-heishi oder Gan-
seki
, welches oft zum Bedecken der Schiebewände zwischen den ein-
zelnen Zimmerräumen dient.

Die geschöpften Bogen werden über einer Matte aufgeschichtet
und zwar abwechselnd mit alten Formen oder blossen Bambusstäbchen.
Sind sie hier genügend abgetrocknet, so werden sie mit Hülfe einer
weichen breiten Bürste auf breite, glatt gehobelte Dielen gestrichen
und diese mit ihnen schräg gegen die Häuser an die Sonne gestellt.
Ist das Papier ganz trocken, so löst sich der Bogen leicht vom Brett
ab und zeigt nun eine glatte und eine rauhe Seite, Omote und Ura.

Das fertige Papier kommt entweder in seinem natürlichen Zu-
stande, oder beschnitten und gemustert in den Handel. Man verkauft
dasselbe nach Jo (Buch, Lage), und es kommen dabei je nach der
Sorte gewöhnlich 50 oder 48 Bogen*) auf ein Jo; doch gibt es auch
Sorten, bei denen nur 40 Bogen auf ein Jo gehen, ja bei grossem
Format und dickem Papier werden vielfach nur 20 Bogen darauf ge-
rechnet. 1000 Bogen, also 20 Jo a 50 Bogen, bilden ein Soku oder
Ries, auch Kami is-soku genannt.

Hervorragende Sorten japanischer Bastpapiere.

Eine gelbliche Farbe in vielerlei Abstufungen zeichnet sämmtliche
Arten aus. Nach ihren sonstigen Eigenschaften zerfallen sie, wie
bereits früher angedeutet wurde, in zwei Gruppen, nämlich Ki-gami
und Nori-gami. Bei ersterem dient als Bindemittel der Wurzel-
schleim von Hibiscus Manihot oder der Bastschleim von Hydrangea
paniculata, bei den andern Kleisterlösung aus Reisstärke, wozu in
einzelnen Fällen noch ein Zusatz von geschlämmter Kreide, von Thon
oder Alaun kommt. Die Stärkepapiere sind dichter, glätter und schwe-
rer als die reinen Bastpapiere. Beim Zerreissen derselben zeigt sich
ein weisser Staub. In den meisten Fällen wird jede Bastsorte für
sich verarbeitet. Die bekanntesten Mischungen werden zwischen Brous-
sonetia- und Edgeworthia-Bast hergestellt.

Weitaus das meiste, stärkste und den vielseitigsten Zwecken die-
nende Papier bereitet man aus dem Baste der Kodzo (Broussonetia
papyrifera).**) Kodzo-Papiere sind in der Regel glanzlos, knirschen

*) Auffallenderweise hat die jap. Sprache kein Wort für "Bogen". Sie um-
schreibt kami ichi mai, ni mai etc., d. h. Papier einmal, zweimal etc.
**) Auch jene feinen, gleichmässig gedrehten Cordel, welche unter dem Namen
Midzu-hiki in Japan allgemein bekannt sind und zum Umbinden von Geschen-

III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
Ecken die verschiedenen Formen des Rhombus erhält, und wird diese
Beweglichkeit beim Schöpfen des Bogens in geeigneter Weise benutzt,
so entsteht ein geripptes Papier, wie das Tai-heishi oder Gan-
seki
, welches oft zum Bedecken der Schiebewände zwischen den ein-
zelnen Zimmerräumen dient.

Die geschöpften Bogen werden über einer Matte aufgeschichtet
und zwar abwechselnd mit alten Formen oder blossen Bambusstäbchen.
Sind sie hier genügend abgetrocknet, so werden sie mit Hülfe einer
weichen breiten Bürste auf breite, glatt gehobelte Dielen gestrichen
und diese mit ihnen schräg gegen die Häuser an die Sonne gestellt.
Ist das Papier ganz trocken, so löst sich der Bogen leicht vom Brett
ab und zeigt nun eine glatte und eine rauhe Seite, Omote und Ura.

Das fertige Papier kommt entweder in seinem natürlichen Zu-
stande, oder beschnitten und gemustert in den Handel. Man verkauft
dasselbe nach Jô (Buch, Lage), und es kommen dabei je nach der
Sorte gewöhnlich 50 oder 48 Bogen*) auf ein Jô; doch gibt es auch
Sorten, bei denen nur 40 Bogen auf ein Jô gehen, ja bei grossem
Format und dickem Papier werden vielfach nur 20 Bogen darauf ge-
rechnet. 1000 Bogen, also 20 Jô à 50 Bogen, bilden ein Soku oder
Ries, auch Kami is-soku genannt.

Hervorragende Sorten japanischer Bastpapiere.

Eine gelbliche Farbe in vielerlei Abstufungen zeichnet sämmtliche
Arten aus. Nach ihren sonstigen Eigenschaften zerfallen sie, wie
bereits früher angedeutet wurde, in zwei Gruppen, nämlich Ki-gami
und Nori-gami. Bei ersterem dient als Bindemittel der Wurzel-
schleim von Hibiscus Manihot oder der Bastschleim von Hydrangea
paniculata, bei den andern Kleisterlösung aus Reisstärke, wozu in
einzelnen Fällen noch ein Zusatz von geschlämmter Kreide, von Thon
oder Alaun kommt. Die Stärkepapiere sind dichter, glätter und schwe-
rer als die reinen Bastpapiere. Beim Zerreissen derselben zeigt sich
ein weisser Staub. In den meisten Fällen wird jede Bastsorte für
sich verarbeitet. Die bekanntesten Mischungen werden zwischen Brous-
sonetia- und Edgeworthia-Bast hergestellt.

Weitaus das meiste, stärkste und den vielseitigsten Zwecken die-
nende Papier bereitet man aus dem Baste der Kôdzo (Broussonetia
papyrifera).**) Kôdzo-Papiere sind in der Regel glanzlos, knirschen

*) Auffallenderweise hat die jap. Sprache kein Wort für »Bogen«. Sie um-
schreibt kami ichi mai, ni mai etc., d. h. Papier einmal, zweimal etc.
**) Auch jene feinen, gleichmässig gedrehten Cordel, welche unter dem Namen
Midzu-hiki in Japan allgemein bekannt sind und zum Umbinden von Geschen-
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[478/0520] III. Kunstgewerbe und Verwandtes. Ecken die verschiedenen Formen des Rhombus erhält, und wird diese Beweglichkeit beim Schöpfen des Bogens in geeigneter Weise benutzt, so entsteht ein geripptes Papier, wie das Tai-heishi oder Gan- seki, welches oft zum Bedecken der Schiebewände zwischen den ein- zelnen Zimmerräumen dient. Die geschöpften Bogen werden über einer Matte aufgeschichtet und zwar abwechselnd mit alten Formen oder blossen Bambusstäbchen. Sind sie hier genügend abgetrocknet, so werden sie mit Hülfe einer weichen breiten Bürste auf breite, glatt gehobelte Dielen gestrichen und diese mit ihnen schräg gegen die Häuser an die Sonne gestellt. Ist das Papier ganz trocken, so löst sich der Bogen leicht vom Brett ab und zeigt nun eine glatte und eine rauhe Seite, Omote und Ura. Das fertige Papier kommt entweder in seinem natürlichen Zu- stande, oder beschnitten und gemustert in den Handel. Man verkauft dasselbe nach Jô (Buch, Lage), und es kommen dabei je nach der Sorte gewöhnlich 50 oder 48 Bogen *) auf ein Jô; doch gibt es auch Sorten, bei denen nur 40 Bogen auf ein Jô gehen, ja bei grossem Format und dickem Papier werden vielfach nur 20 Bogen darauf ge- rechnet. 1000 Bogen, also 20 Jô à 50 Bogen, bilden ein Soku oder Ries, auch Kami is-soku genannt. Hervorragende Sorten japanischer Bastpapiere. Eine gelbliche Farbe in vielerlei Abstufungen zeichnet sämmtliche Arten aus. Nach ihren sonstigen Eigenschaften zerfallen sie, wie bereits früher angedeutet wurde, in zwei Gruppen, nämlich Ki-gami und Nori-gami. Bei ersterem dient als Bindemittel der Wurzel- schleim von Hibiscus Manihot oder der Bastschleim von Hydrangea paniculata, bei den andern Kleisterlösung aus Reisstärke, wozu in einzelnen Fällen noch ein Zusatz von geschlämmter Kreide, von Thon oder Alaun kommt. Die Stärkepapiere sind dichter, glätter und schwe- rer als die reinen Bastpapiere. Beim Zerreissen derselben zeigt sich ein weisser Staub. In den meisten Fällen wird jede Bastsorte für sich verarbeitet. Die bekanntesten Mischungen werden zwischen Brous- sonetia- und Edgeworthia-Bast hergestellt. Weitaus das meiste, stärkste und den vielseitigsten Zwecken die- nende Papier bereitet man aus dem Baste der Kôdzo (Broussonetia papyrifera). **) Kôdzo-Papiere sind in der Regel glanzlos, knirschen *) Auffallenderweise hat die jap. Sprache kein Wort für »Bogen«. Sie um- schreibt kami ichi mai, ni mai etc., d. h. Papier einmal, zweimal etc. **) Auch jene feinen, gleichmässig gedrehten Cordel, welche unter dem Namen Midzu-hiki in Japan allgemein bekannt sind und zum Umbinden von Geschen-

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/520>, abgerufen am 22.11.2024.