masse (Ganzstoff) nicht zerstückelt und zerhackt, sondern durch Stam- pfen und Schlagen nur erweicht und vertheilt, wobei die langgestreck- ten Zellen ganz bleiben.
Auf diese Weise zeigt das japanische Bastpapier eine überraschende Zähigkeit und Geschmeidigkeit, und verbindet die Weichheit des Sei- denpapiers mit der Festigkeit eines gewebten Zeuges. Gleich der verwandten Tapa der Polynesier nimmt es eine Mittelstellung ein zwischen dem glatten, brüchigen Maschinenpapier und einem Gewebe, ist in vielen Fällen wie letzteres verwendbar, widersteht aber der Nässe nicht. Da nämlich eine gründliche Verfilzung und feste Ver- schlingung der langen, zarten Fasern schon durch die Art der Dar- stellung ausgeschlossen ist, die angewandten schleimigen oder gummi- artigen vegetabilen Bindemittel aber durch Wasser gelöst werden, so schwinden Festigkeit und Zähigkeit beim Durchnässen, also überall da, wo nicht die Einwirkung des Wassers durch Imprägnation mit Oel oder Lack verhindert wird.
Bei der Darstellung des japanischen Büttenpapiers hält der Ar- beiter die Form oder das Schöpfnetz so, dass die parallelen Bambus- stäbchen oder Fäden desselben von rechts nach links laufen. Er hebt und senkt die Form vornehmlich nach vorn, also rechtwinklig zu jener Richtung, und bewirkt dadurch, dass die Faser des Papierstoffs nach dieser Seite fliesst und sich legt. Die Folge ist, dass jeder Bogen japanischen Bastpapiers in dieser einen Richtung sich leicht und ge- rade zerreissen lässt, dagegen schwer, ungerade und filzig in der an- dern. Diese Thatsache kennt und beachtet der Japaner, so oft er einen Streifen Papier abreissen und zu einem Bindfaden drehen will, indem er den Riss in der Richtung der parallelen Lagerung der Fasern macht.
Die Glätte, Gleichmässigkeit und Festigkeit des japanischen Büt- tenpapiers wird nicht durch besondere Glättmaschinen bewirkt; den- noch hat in der Regel jeder Bogen eine glatte und eine rauhere Seite, welche man mit den Namen Omote und Ura, d. h. Aussen- und Innenseite unterscheidet.*) Diese Benennungen beziehen sich auf das Verfahren beim Buchdruck, wonach nur die glättere Seite bedruckt, der Bogen aber dann in der Mitte so zusammengelegt wird, dass die Faltung nach aussen, die übereinander liegenden parallelen Endseiten
*) Unser Zeichenpapier ist gewöhnlich auf einer Seite geglättet, auf der andern gekörnt, so auch das prächtige Büttenpapier von J. W. Zanders in Bergisch-Glad- bach. Das engl. Zeichenpapier ist wie unser Schreibpapier auf beiden Seiten ge- glättet, dagegen auffallend stark und beiderseits gekörnt das französische Torchon.
Rein, Japan. II. 30
5. Papierindustrie.
masse (Ganzstoff) nicht zerstückelt und zerhackt, sondern durch Stam- pfen und Schlagen nur erweicht und vertheilt, wobei die langgestreck- ten Zellen ganz bleiben.
Auf diese Weise zeigt das japanische Bastpapier eine überraschende Zähigkeit und Geschmeidigkeit, und verbindet die Weichheit des Sei- denpapiers mit der Festigkeit eines gewebten Zeuges. Gleich der verwandten Tapa der Polynesier nimmt es eine Mittelstellung ein zwischen dem glatten, brüchigen Maschinenpapier und einem Gewebe, ist in vielen Fällen wie letzteres verwendbar, widersteht aber der Nässe nicht. Da nämlich eine gründliche Verfilzung und feste Ver- schlingung der langen, zarten Fasern schon durch die Art der Dar- stellung ausgeschlossen ist, die angewandten schleimigen oder gummi- artigen vegetabilen Bindemittel aber durch Wasser gelöst werden, so schwinden Festigkeit und Zähigkeit beim Durchnässen, also überall da, wo nicht die Einwirkung des Wassers durch Imprägnation mit Oel oder Lack verhindert wird.
Bei der Darstellung des japanischen Büttenpapiers hält der Ar- beiter die Form oder das Schöpfnetz so, dass die parallelen Bambus- stäbchen oder Fäden desselben von rechts nach links laufen. Er hebt und senkt die Form vornehmlich nach vorn, also rechtwinklig zu jener Richtung, und bewirkt dadurch, dass die Faser des Papierstoffs nach dieser Seite fliesst und sich legt. Die Folge ist, dass jeder Bogen japanischen Bastpapiers in dieser einen Richtung sich leicht und ge- rade zerreissen lässt, dagegen schwer, ungerade und filzig in der an- dern. Diese Thatsache kennt und beachtet der Japaner, so oft er einen Streifen Papier abreissen und zu einem Bindfaden drehen will, indem er den Riss in der Richtung der parallelen Lagerung der Fasern macht.
Die Glätte, Gleichmässigkeit und Festigkeit des japanischen Büt- tenpapiers wird nicht durch besondere Glättmaschinen bewirkt; den- noch hat in der Regel jeder Bogen eine glatte und eine rauhere Seite, welche man mit den Namen Omote und Ura, d. h. Aussen- und Innenseite unterscheidet.*) Diese Benennungen beziehen sich auf das Verfahren beim Buchdruck, wonach nur die glättere Seite bedruckt, der Bogen aber dann in der Mitte so zusammengelegt wird, dass die Faltung nach aussen, die übereinander liegenden parallelen Endseiten
*) Unser Zeichenpapier ist gewöhnlich auf einer Seite geglättet, auf der andern gekörnt, so auch das prächtige Büttenpapier von J. W. Zanders in Bergisch-Glad- bach. Das engl. Zeichenpapier ist wie unser Schreibpapier auf beiden Seiten ge- glättet, dagegen auffallend stark und beiderseits gekörnt das französische Torchon.
Rein, Japan. II. 30
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5. Papierindustrie.
masse (Ganzstoff) nicht zerstückelt und zerhackt, sondern durch Stam-
pfen und Schlagen nur erweicht und vertheilt, wobei die langgestreck-
ten Zellen ganz bleiben.
Auf diese Weise zeigt das japanische Bastpapier eine überraschende
Zähigkeit und Geschmeidigkeit, und verbindet die Weichheit des Sei-
denpapiers mit der Festigkeit eines gewebten Zeuges. Gleich der
verwandten Tapa der Polynesier nimmt es eine Mittelstellung ein
zwischen dem glatten, brüchigen Maschinenpapier und einem Gewebe,
ist in vielen Fällen wie letzteres verwendbar, widersteht aber der
Nässe nicht. Da nämlich eine gründliche Verfilzung und feste Ver-
schlingung der langen, zarten Fasern schon durch die Art der Dar-
stellung ausgeschlossen ist, die angewandten schleimigen oder gummi-
artigen vegetabilen Bindemittel aber durch Wasser gelöst werden, so
schwinden Festigkeit und Zähigkeit beim Durchnässen, also überall
da, wo nicht die Einwirkung des Wassers durch Imprägnation mit
Oel oder Lack verhindert wird.
Bei der Darstellung des japanischen Büttenpapiers hält der Ar-
beiter die Form oder das Schöpfnetz so, dass die parallelen Bambus-
stäbchen oder Fäden desselben von rechts nach links laufen. Er hebt
und senkt die Form vornehmlich nach vorn, also rechtwinklig zu jener
Richtung, und bewirkt dadurch, dass die Faser des Papierstoffs nach
dieser Seite fliesst und sich legt. Die Folge ist, dass jeder Bogen
japanischen Bastpapiers in dieser einen Richtung sich leicht und ge-
rade zerreissen lässt, dagegen schwer, ungerade und filzig in der an-
dern. Diese Thatsache kennt und beachtet der Japaner, so oft er
einen Streifen Papier abreissen und zu einem Bindfaden drehen will,
indem er den Riss in der Richtung der parallelen Lagerung der Fasern
macht.
Die Glätte, Gleichmässigkeit und Festigkeit des japanischen Büt-
tenpapiers wird nicht durch besondere Glättmaschinen bewirkt; den-
noch hat in der Regel jeder Bogen eine glatte und eine rauhere Seite,
welche man mit den Namen Omote und Ura, d. h. Aussen- und
Innenseite unterscheidet. *) Diese Benennungen beziehen sich auf das
Verfahren beim Buchdruck, wonach nur die glättere Seite bedruckt,
der Bogen aber dann in der Mitte so zusammengelegt wird, dass die
Faltung nach aussen, die übereinander liegenden parallelen Endseiten
*) Unser Zeichenpapier ist gewöhnlich auf einer Seite geglättet, auf der andern
gekörnt, so auch das prächtige Büttenpapier von J. W. Zanders in Bergisch-Glad-
bach. Das engl. Zeichenpapier ist wie unser Schreibpapier auf beiden Seiten ge-
glättet, dagegen auffallend stark und beiderseits gekörnt das französische Torchon.
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/499>, abgerufen am 22.11.2024.
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