wird. Nicht blinde Nachahmung, sondern Annahme der leichten ge- fälligen Decorationsmanier im japanischen Kunstgewerbe wird das unsrigen wesentlich fördern und zur Weiterentwickelung jenes guten Geschmackes führen, von dem der französische Minister in seiner Rede bei der grossen Preisvertheilung auf dem Marsfelde im Jahre 1878 mit vollem Recht sagte: "Le goaut est la fecondite du travail."
2. Holzindustrie.
Möbeltischlerei, Intarsia-Arbeiten. Eigenthümlichkeiten der Dreharbeiten des Hakonegebirges und von Nikko. Kammschneiderei. Strohmosaik.
Es wurde bereits an andern Stellen zur Genüge hervorgehoben, dass die Architectur in Japan, wie in Ostasien überhaupt, nicht wie bei den Culturvölkern Europas älteste und vornehmste Trägerin der Kunst ist, dass ihre Holzconstructionen vielfach der Festigkeit, Zweck- mässigkeit und Eleganz entbehren, überdies aber äusserst leicht den Flammen zum Raube werden. Seine bewundernswerthe Findigkeit, Geschicklichkeit und Ausdauer zeigt der Japaner auch am Holze, aber auf ganz andern Gebieten, als dem der Baukunst, in den hunderterlei kleinen Sachen nämlich, die er daraus verfertigt. Nicht als Zimmer- mann und Architekt also, sondern als Schreiner, Dreher und Holz- schnitzer tritt er vor uns mit seinem eigenartigen Talent und Ge- schmack. Die Rahmen der Shoji oder Schiebefenster, die Täfelung der Wände in manchen Tempeln und vieles Andere sind Muster von feiner, sorgfältiger Schreinerarbeit.
Bei der sehr einfachen Lebensweise und Hauseinrichtung aller Stände des japanischen Volkes, welche den Gebrauch schwerer Möbel ausschloss, konnte sich eine eigentliche Möbeltischlerei nicht ent- wickeln. Die Hauptarbeit bei Darstellung der wenigen hölzernen Hausgeräthe, wie Kasten, Schwertrepositorien, Etageren, spanischen Wänden, Esstischchen, Präsentiertellern, Sänften und einigen andern, fiel dem Lackierer zu, der die leicht und sauber gearbeiteten Rahmen und Unterlagen aus Nadelhölzern mit kostbarem Lack überzog und mit kunstgeübter Hand ausschmückte. Erst mit dem Bedürfniss der Neuzeit, Häuser der Fremden und Eingeborenen nach europäischer Art auszustatten, entwickelte sich auch die Kunsttischlerei und ver- suchte sich mit wachsendem Erfolg, nicht blos in der Darstellung ge- wöhnlicher Möbel, sondern vor allen Dingen auch mit feinerem Holz-
2. Holzindustrie.
wird. Nicht blinde Nachahmung, sondern Annahme der leichten ge- fälligen Decorationsmanier im japanischen Kunstgewerbe wird das unsrigen wesentlich fördern und zur Weiterentwickelung jenes guten Geschmackes führen, von dem der französische Minister in seiner Rede bei der grossen Preisvertheilung auf dem Marsfelde im Jahre 1878 mit vollem Recht sagte: »Le goût est la fécondité du travail.«
2. Holzindustrie.
Möbeltischlerei, Intarsia-Arbeiten. Eigenthümlichkeiten der Dreharbeiten des Hakonegebirges und von Nikkô. Kammschneiderei. Strohmosaik.
Es wurde bereits an andern Stellen zur Genüge hervorgehoben, dass die Architectur in Japan, wie in Ostasien überhaupt, nicht wie bei den Culturvölkern Europas älteste und vornehmste Trägerin der Kunst ist, dass ihre Holzconstructionen vielfach der Festigkeit, Zweck- mässigkeit und Eleganz entbehren, überdies aber äusserst leicht den Flammen zum Raube werden. Seine bewundernswerthe Findigkeit, Geschicklichkeit und Ausdauer zeigt der Japaner auch am Holze, aber auf ganz andern Gebieten, als dem der Baukunst, in den hunderterlei kleinen Sachen nämlich, die er daraus verfertigt. Nicht als Zimmer- mann und Architekt also, sondern als Schreiner, Dreher und Holz- schnitzer tritt er vor uns mit seinem eigenartigen Talent und Ge- schmack. Die Rahmen der Shôji oder Schiebefenster, die Täfelung der Wände in manchen Tempeln und vieles Andere sind Muster von feiner, sorgfältiger Schreinerarbeit.
Bei der sehr einfachen Lebensweise und Hauseinrichtung aller Stände des japanischen Volkes, welche den Gebrauch schwerer Möbel ausschloss, konnte sich eine eigentliche Möbeltischlerei nicht ent- wickeln. Die Hauptarbeit bei Darstellung der wenigen hölzernen Hausgeräthe, wie Kasten, Schwertrepositorien, Etagèren, spanischen Wänden, Esstischchen, Präsentiertellern, Sänften und einigen andern, fiel dem Lackierer zu, der die leicht und sauber gearbeiteten Rahmen und Unterlagen aus Nadelhölzern mit kostbarem Lack überzog und mit kunstgeübter Hand ausschmückte. Erst mit dem Bedürfniss der Neuzeit, Häuser der Fremden und Eingeborenen nach europäischer Art auszustatten, entwickelte sich auch die Kunsttischlerei und ver- suchte sich mit wachsendem Erfolg, nicht blos in der Darstellung ge- wöhnlicher Möbel, sondern vor allen Dingen auch mit feinerem Holz-
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2. Holzindustrie.
wird. Nicht blinde Nachahmung, sondern Annahme der leichten ge-
fälligen Decorationsmanier im japanischen Kunstgewerbe wird das
unsrigen wesentlich fördern und zur Weiterentwickelung jenes guten
Geschmackes führen, von dem der französische Minister in seiner Rede
bei der grossen Preisvertheilung auf dem Marsfelde im Jahre 1878
mit vollem Recht sagte:
»Le goût est la fécondité du travail.«
2. Holzindustrie.
Möbeltischlerei, Intarsia-Arbeiten. Eigenthümlichkeiten der Dreharbeiten des
Hakonegebirges und von Nikkô. Kammschneiderei. Strohmosaik.
Es wurde bereits an andern Stellen zur Genüge hervorgehoben,
dass die Architectur in Japan, wie in Ostasien überhaupt, nicht wie
bei den Culturvölkern Europas älteste und vornehmste Trägerin der
Kunst ist, dass ihre Holzconstructionen vielfach der Festigkeit, Zweck-
mässigkeit und Eleganz entbehren, überdies aber äusserst leicht den
Flammen zum Raube werden. Seine bewundernswerthe Findigkeit,
Geschicklichkeit und Ausdauer zeigt der Japaner auch am Holze, aber
auf ganz andern Gebieten, als dem der Baukunst, in den hunderterlei
kleinen Sachen nämlich, die er daraus verfertigt. Nicht als Zimmer-
mann und Architekt also, sondern als Schreiner, Dreher und Holz-
schnitzer tritt er vor uns mit seinem eigenartigen Talent und Ge-
schmack. Die Rahmen der Shôji oder Schiebefenster, die Täfelung
der Wände in manchen Tempeln und vieles Andere sind Muster von
feiner, sorgfältiger Schreinerarbeit.
Bei der sehr einfachen Lebensweise und Hauseinrichtung aller
Stände des japanischen Volkes, welche den Gebrauch schwerer Möbel
ausschloss, konnte sich eine eigentliche Möbeltischlerei nicht ent-
wickeln. Die Hauptarbeit bei Darstellung der wenigen hölzernen
Hausgeräthe, wie Kasten, Schwertrepositorien, Etagèren, spanischen
Wänden, Esstischchen, Präsentiertellern, Sänften und einigen andern,
fiel dem Lackierer zu, der die leicht und sauber gearbeiteten Rahmen
und Unterlagen aus Nadelhölzern mit kostbarem Lack überzog und
mit kunstgeübter Hand ausschmückte. Erst mit dem Bedürfniss der
Neuzeit, Häuser der Fremden und Eingeborenen nach europäischer
Art auszustatten, entwickelte sich auch die Kunsttischlerei und ver-
suchte sich mit wachsendem Erfolg, nicht blos in der Darstellung ge-
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/419>, abgerufen am 24.11.2024.
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