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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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8. Acclimatisation u. Verbreitung japan. Zier- u. Nutzpflanzen in Europa.
kommt auch wild wachsend und weit verbreitet in den Laubwäldern
der Berge vor. Um ihre langen, cylindrischen Blüthentrauben den
Liebhabern besser vorzuführen, wird sie in Japan horizontal in Lauben-
gängen gezogen. So war, wie schon pg. 269 kurz angedeutet wurde,
noch vor 10 Jahren in der Nähe von Tokio bei dem Orte Nakanobu
ein Exemplar zu sehen, welches 250 Jahre alt sein sollte. Sein mäch-
tiger, niedriger und rissiger Stamm hatte vor der Vertheilung 2,45 m
Umfang; die Aeste überdeckten in 21/2 m Höhe einen grossen Hof,
und wenn die vielen Hunderte sehr langer, schlaffer Blüthentrau-
ben sich entfaltet hatten, zogen sie aus der Hauptstadt viele Be-
schauer an.

Von dem raschen Wuchse der Wistaria in Europa gibt ein Ex-
emplar, welches 1845 an eine Hauswand in Versailles gepflanzt wurde,
einen Beweis. Nach der Revue Horticole von 1878 hatte dasselbe
nach 33 Jahren 1,20 m Stammumfaug erreicht und Aeste von 75 m
Länge gebildet. Von einer andern Glycine bei der Villa Giula am
Comer-See erwähnt Wittmack,*) dass sie einen Stamm von 35 cm
Durchmesser (1,10 m Umfang) habe und mit ihren Zweigen eine Wand-
fläche von 40 m Länge bis hoch hinauf bedecke.

Paulownia imperialis S. & Z. (P. tomentosa Ascherson), jap.
Kiri. Im wärmeren Deutschland wird dieser beachtenswerthe Baum,
den man in Japan seines leichten Holzes wegen so hoch schätzt und
viel cultiviert (siehe pg. 292) ziemlich häufig in Gärten und öffent-
lichen Anlagen getroffen. Im Mai entwickelt er hier noch vor den
Blättern seine grossen, wohlriechenden blauen Blüthen, welche in ihrer
Gestalt an diejenigen des Löwenmauls erinnern. Zu seinen Eigenthüm-
lichkeiten gehört, dass er schon im Nachsommer an der Spitze der
Zweige für das nächste Jahr die Blüthensträusse vorbildet. In Eng-
land sterben während des Winters deren Knospen fast immer ab und
sind Blüthen desshalb selten, und auch bei uns kommt es oft vor, wie
z. B. nach dem milden Winter von 1883/84, dass keine oder nur
wenige Blüthen zur Entwickelung kommen.

Die grossen, herzförmigen Blätter erinnern an diejenigen ver-
wandter Catalpa-Arten, sind aber grösser und dunkler grün, erscheinen
auch früher. Bei jungen Wurzeltrieben, deren rasches Wachsthum
überrascht, erreichen dieselben eine enorme Grösse. So hatte im Som-
mer 1885 neben dem Bahnhof zu Godesberg bei Bonn ein solcher
Schössling 2,8 m Höhe und 17,5 cm Stammumfang erreicht. Einzelne
Blattspreiten, an Stielen von 42 cm Länge und 8 cm Umfang, waren

*) Wittmack: Die Gärten Oberitaliens. Berlin 1883.

8. Acclimatisation u. Verbreitung japan. Zier- u. Nutzpflanzen in Europa.
kommt auch wild wachsend und weit verbreitet in den Laubwäldern
der Berge vor. Um ihre langen, cylindrischen Blüthentrauben den
Liebhabern besser vorzuführen, wird sie in Japan horizontal in Lauben-
gängen gezogen. So war, wie schon pg. 269 kurz angedeutet wurde,
noch vor 10 Jahren in der Nähe von Tôkio bei dem Orte Nakanobu
ein Exemplar zu sehen, welches 250 Jahre alt sein sollte. Sein mäch-
tiger, niedriger und rissiger Stamm hatte vor der Vertheilung 2,45 m
Umfang; die Aeste überdeckten in 2½ m Höhe einen grossen Hof,
und wenn die vielen Hunderte sehr langer, schlaffer Blüthentrau-
ben sich entfaltet hatten, zogen sie aus der Hauptstadt viele Be-
schauer an.

Von dem raschen Wuchse der Wistaria in Europa gibt ein Ex-
emplar, welches 1845 an eine Hauswand in Versailles gepflanzt wurde,
einen Beweis. Nach der Revue Horticole von 1878 hatte dasselbe
nach 33 Jahren 1,20 m Stammumfaug erreicht und Aeste von 75 m
Länge gebildet. Von einer andern Glycine bei der Villa Giula am
Comer-See erwähnt Wittmack,*) dass sie einen Stamm von 35 cm
Durchmesser (1,10 m Umfang) habe und mit ihren Zweigen eine Wand-
fläche von 40 m Länge bis hoch hinauf bedecke.

Paulownia imperialis S. & Z. (P. tomentosa Ascherson), jap.
Kiri. Im wärmeren Deutschland wird dieser beachtenswerthe Baum,
den man in Japan seines leichten Holzes wegen so hoch schätzt und
viel cultiviert (siehe pg. 292) ziemlich häufig in Gärten und öffent-
lichen Anlagen getroffen. Im Mai entwickelt er hier noch vor den
Blättern seine grossen, wohlriechenden blauen Blüthen, welche in ihrer
Gestalt an diejenigen des Löwenmauls erinnern. Zu seinen Eigenthüm-
lichkeiten gehört, dass er schon im Nachsommer an der Spitze der
Zweige für das nächste Jahr die Blüthensträusse vorbildet. In Eng-
land sterben während des Winters deren Knospen fast immer ab und
sind Blüthen desshalb selten, und auch bei uns kommt es oft vor, wie
z. B. nach dem milden Winter von 1883/84, dass keine oder nur
wenige Blüthen zur Entwickelung kommen.

Die grossen, herzförmigen Blätter erinnern an diejenigen ver-
wandter Catalpa-Arten, sind aber grösser und dunkler grün, erscheinen
auch früher. Bei jungen Wurzeltrieben, deren rasches Wachsthum
überrascht, erreichen dieselben eine enorme Grösse. So hatte im Som-
mer 1885 neben dem Bahnhof zu Godesberg bei Bonn ein solcher
Schössling 2,8 m Höhe und 17,5 cm Stammumfang erreicht. Einzelne
Blattspreiten, an Stielen von 42 cm Länge und 8 cm Umfang, waren

*) Wittmack: Die Gärten Oberitaliens. Berlin 1883.
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[335/0359] 8. Acclimatisation u. Verbreitung japan. Zier- u. Nutzpflanzen in Europa. kommt auch wild wachsend und weit verbreitet in den Laubwäldern der Berge vor. Um ihre langen, cylindrischen Blüthentrauben den Liebhabern besser vorzuführen, wird sie in Japan horizontal in Lauben- gängen gezogen. So war, wie schon pg. 269 kurz angedeutet wurde, noch vor 10 Jahren in der Nähe von Tôkio bei dem Orte Nakanobu ein Exemplar zu sehen, welches 250 Jahre alt sein sollte. Sein mäch- tiger, niedriger und rissiger Stamm hatte vor der Vertheilung 2,45 m Umfang; die Aeste überdeckten in 2½ m Höhe einen grossen Hof, und wenn die vielen Hunderte sehr langer, schlaffer Blüthentrau- ben sich entfaltet hatten, zogen sie aus der Hauptstadt viele Be- schauer an. Von dem raschen Wuchse der Wistaria in Europa gibt ein Ex- emplar, welches 1845 an eine Hauswand in Versailles gepflanzt wurde, einen Beweis. Nach der Revue Horticole von 1878 hatte dasselbe nach 33 Jahren 1,20 m Stammumfaug erreicht und Aeste von 75 m Länge gebildet. Von einer andern Glycine bei der Villa Giula am Comer-See erwähnt Wittmack, *) dass sie einen Stamm von 35 cm Durchmesser (1,10 m Umfang) habe und mit ihren Zweigen eine Wand- fläche von 40 m Länge bis hoch hinauf bedecke. Paulownia imperialis S. & Z. (P. tomentosa Ascherson), jap. Kiri. Im wärmeren Deutschland wird dieser beachtenswerthe Baum, den man in Japan seines leichten Holzes wegen so hoch schätzt und viel cultiviert (siehe pg. 292) ziemlich häufig in Gärten und öffent- lichen Anlagen getroffen. Im Mai entwickelt er hier noch vor den Blättern seine grossen, wohlriechenden blauen Blüthen, welche in ihrer Gestalt an diejenigen des Löwenmauls erinnern. Zu seinen Eigenthüm- lichkeiten gehört, dass er schon im Nachsommer an der Spitze der Zweige für das nächste Jahr die Blüthensträusse vorbildet. In Eng- land sterben während des Winters deren Knospen fast immer ab und sind Blüthen desshalb selten, und auch bei uns kommt es oft vor, wie z. B. nach dem milden Winter von 1883/84, dass keine oder nur wenige Blüthen zur Entwickelung kommen. Die grossen, herzförmigen Blätter erinnern an diejenigen ver- wandter Catalpa-Arten, sind aber grösser und dunkler grün, erscheinen auch früher. Bei jungen Wurzeltrieben, deren rasches Wachsthum überrascht, erreichen dieselben eine enorme Grösse. So hatte im Som- mer 1885 neben dem Bahnhof zu Godesberg bei Bonn ein solcher Schössling 2,8 m Höhe und 17,5 cm Stammumfang erreicht. Einzelne Blattspreiten, an Stielen von 42 cm Länge und 8 cm Umfang, waren *) Wittmack: Die Gärten Oberitaliens. Berlin 1883.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/359>, abgerufen am 27.04.2024.