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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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8. Acclimatisation u. Verbreitung japan. Zier- u. Nutzpflanzen in Europa.

Dass einjährige Pflanzen sich leichter acclimatisieren, als aus-
dauernde, ist eine alte Erfahrung und leicht begreiflich. Mit unsern
Garten- und Feldfrüchten haben sich beispielsweise auch viele allbe-
kannte Unkräuter über einen ansehnlichen Theil der Erde verbreitet.
Sie gedeihen üppig in Klimaten, welche von dem unsrigen weit ab-
weichen, ebenso wie manche unserer Getreide- und Gemüsearten;
denn die Hauptbedingung ihres Fortkommens ist ja neben einem ge-
wissen Grad von Feuchtigkeit, das Vorhandensein der nöthigen Wärme
zum Reifen ihrer Samen.

Bei Holzgewächsen ist die Sache nicht so einfach. Ihre völlige
Acclimatisation hängt von beiden Hauptzeiten des Jahres ab, und zwar
vielfach mehr von den Extremen, als von den mittleren Temperaturen
derselben. Sie müssen sich wenigstens der normalen Kälte gegenüber
völlig winterhart erweisen. Ihre Widerstandskraft gegen ausserge-
wöhnliche Kälte ist zum Theil wieder dadurch bedingt, dass ihr Holz
im Nachsommer ausreift und das vegetative Leben nicht im Herbst
durch ungewöhnlich hohe Temperaturen noch einen neuen Anstoss er-
hält, wodurch die Vorbereitung auf den Winter verloren geht, eine
neue Saftcirculation beginnt, in Folge deren dann die Pflanze wenig
aushält. Sie findet sich alsdann in einem Zustande, vergleichbar dem
eines nordischen Thieres ohne Winterkleid. -- Desshalb kann man
auch einer Pflanze die Anbaufähigkeit noch nicht absprechen, weil sie
einer aussergewöhnlichen Kälte, gepaart mit sonstigen ungünstigen
Vorbedingungen, erlag. So wird Niemand vom Raps oder Klee be-
haupten, sie passten nicht für unser Klima, weil sie zeitweise der
Ungunst unserer Winter erliegen, oder vom Oelbaum, er sei selbst in
Spanien nicht völlig acclimatisiert, weil vor zwei Jahren eine ungewöhn-
liche Novemberkälte ansehnliche Verwüstungen in den Olivares Anda-
lusiens anrichtete.

Kein anderes Land, selbst die Vereinigten Staaten von Nord-
amerika kaum ausgenommen, hat uns eine so grosse Zahl der präch-
tigsten Zierpflanzen geliefert, wie Japan. Durch die Einführung der-
selben, welche grösstentheils innerhalb hundert, ja während der letzten
fünfzig Jahre erfolgte, hat namentlich auch unsere Landschafts-
gärtnerei viel gewonnen. Blühende Camellien, Azalien, For-
sythien, Kerrien, Spiräen, Pyrus-
und Prunus-Arten ge-
hören zum ersten Frühlingsschmuck unserer Blumentische und Gärten,
herrliche Blattpflanzen, wie Azalea, Aucuba und Sedum Sieboldi,
sowie verschiedene Nadelhölzer zieren dieselben das ganze Jahr hin-
durch und die grosse Zahl der aus Japan stammenden Gewächse,
welche uns während des Sommers durch ihre schönen Blüthen erfreuen,

8. Acclimatisation u. Verbreitung japan. Zier- u. Nutzpflanzen in Europa.

Dass einjährige Pflanzen sich leichter acclimatisieren, als aus-
dauernde, ist eine alte Erfahrung und leicht begreiflich. Mit unsern
Garten- und Feldfrüchten haben sich beispielsweise auch viele allbe-
kannte Unkräuter über einen ansehnlichen Theil der Erde verbreitet.
Sie gedeihen üppig in Klimaten, welche von dem unsrigen weit ab-
weichen, ebenso wie manche unserer Getreide- und Gemüsearten;
denn die Hauptbedingung ihres Fortkommens ist ja neben einem ge-
wissen Grad von Feuchtigkeit, das Vorhandensein der nöthigen Wärme
zum Reifen ihrer Samen.

Bei Holzgewächsen ist die Sache nicht so einfach. Ihre völlige
Acclimatisation hängt von beiden Hauptzeiten des Jahres ab, und zwar
vielfach mehr von den Extremen, als von den mittleren Temperaturen
derselben. Sie müssen sich wenigstens der normalen Kälte gegenüber
völlig winterhart erweisen. Ihre Widerstandskraft gegen ausserge-
wöhnliche Kälte ist zum Theil wieder dadurch bedingt, dass ihr Holz
im Nachsommer ausreift und das vegetative Leben nicht im Herbst
durch ungewöhnlich hohe Temperaturen noch einen neuen Anstoss er-
hält, wodurch die Vorbereitung auf den Winter verloren geht, eine
neue Saftcirculation beginnt, in Folge deren dann die Pflanze wenig
aushält. Sie findet sich alsdann in einem Zustande, vergleichbar dem
eines nordischen Thieres ohne Winterkleid. — Desshalb kann man
auch einer Pflanze die Anbaufähigkeit noch nicht absprechen, weil sie
einer aussergewöhnlichen Kälte, gepaart mit sonstigen ungünstigen
Vorbedingungen, erlag. So wird Niemand vom Raps oder Klee be-
haupten, sie passten nicht für unser Klima, weil sie zeitweise der
Ungunst unserer Winter erliegen, oder vom Oelbaum, er sei selbst in
Spanien nicht völlig acclimatisiert, weil vor zwei Jahren eine ungewöhn-
liche Novemberkälte ansehnliche Verwüstungen in den Olivares Anda-
lusiens anrichtete.

Kein anderes Land, selbst die Vereinigten Staaten von Nord-
amerika kaum ausgenommen, hat uns eine so grosse Zahl der präch-
tigsten Zierpflanzen geliefert, wie Japan. Durch die Einführung der-
selben, welche grösstentheils innerhalb hundert, ja während der letzten
fünfzig Jahre erfolgte, hat namentlich auch unsere Landschafts-
gärtnerei viel gewonnen. Blühende Camellien, Azalien, For-
sythien, Kerrien, Spiräen, Pyrus-
und Prunus-Arten ge-
hören zum ersten Frühlingsschmuck unserer Blumentische und Gärten,
herrliche Blattpflanzen, wie Azalea, Aucuba und Sedum Sieboldi,
sowie verschiedene Nadelhölzer zieren dieselben das ganze Jahr hin-
durch und die grosse Zahl der aus Japan stammenden Gewächse,
welche uns während des Sommers durch ihre schönen Blüthen erfreuen,

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[329/0353] 8. Acclimatisation u. Verbreitung japan. Zier- u. Nutzpflanzen in Europa. Dass einjährige Pflanzen sich leichter acclimatisieren, als aus- dauernde, ist eine alte Erfahrung und leicht begreiflich. Mit unsern Garten- und Feldfrüchten haben sich beispielsweise auch viele allbe- kannte Unkräuter über einen ansehnlichen Theil der Erde verbreitet. Sie gedeihen üppig in Klimaten, welche von dem unsrigen weit ab- weichen, ebenso wie manche unserer Getreide- und Gemüsearten; denn die Hauptbedingung ihres Fortkommens ist ja neben einem ge- wissen Grad von Feuchtigkeit, das Vorhandensein der nöthigen Wärme zum Reifen ihrer Samen. Bei Holzgewächsen ist die Sache nicht so einfach. Ihre völlige Acclimatisation hängt von beiden Hauptzeiten des Jahres ab, und zwar vielfach mehr von den Extremen, als von den mittleren Temperaturen derselben. Sie müssen sich wenigstens der normalen Kälte gegenüber völlig winterhart erweisen. Ihre Widerstandskraft gegen ausserge- wöhnliche Kälte ist zum Theil wieder dadurch bedingt, dass ihr Holz im Nachsommer ausreift und das vegetative Leben nicht im Herbst durch ungewöhnlich hohe Temperaturen noch einen neuen Anstoss er- hält, wodurch die Vorbereitung auf den Winter verloren geht, eine neue Saftcirculation beginnt, in Folge deren dann die Pflanze wenig aushält. Sie findet sich alsdann in einem Zustande, vergleichbar dem eines nordischen Thieres ohne Winterkleid. — Desshalb kann man auch einer Pflanze die Anbaufähigkeit noch nicht absprechen, weil sie einer aussergewöhnlichen Kälte, gepaart mit sonstigen ungünstigen Vorbedingungen, erlag. So wird Niemand vom Raps oder Klee be- haupten, sie passten nicht für unser Klima, weil sie zeitweise der Ungunst unserer Winter erliegen, oder vom Oelbaum, er sei selbst in Spanien nicht völlig acclimatisiert, weil vor zwei Jahren eine ungewöhn- liche Novemberkälte ansehnliche Verwüstungen in den Olivares Anda- lusiens anrichtete. Kein anderes Land, selbst die Vereinigten Staaten von Nord- amerika kaum ausgenommen, hat uns eine so grosse Zahl der präch- tigsten Zierpflanzen geliefert, wie Japan. Durch die Einführung der- selben, welche grösstentheils innerhalb hundert, ja während der letzten fünfzig Jahre erfolgte, hat namentlich auch unsere Landschafts- gärtnerei viel gewonnen. Blühende Camellien, Azalien, For- sythien, Kerrien, Spiräen, Pyrus- und Prunus-Arten ge- hören zum ersten Frühlingsschmuck unserer Blumentische und Gärten, herrliche Blattpflanzen, wie Azalea, Aucuba und Sedum Sieboldi, sowie verschiedene Nadelhölzer zieren dieselben das ganze Jahr hin- durch und die grosse Zahl der aus Japan stammenden Gewächse, welche uns während des Sommers durch ihre schönen Blüthen erfreuen,

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/353>, abgerufen am 28.04.2024.