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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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7. Gartenbau.
herrührt, mit Bezug auf eine, an seinem Hause blühende Fuji oder
Glycine (Wistaria chinensis) das Folgende:

"So, wie die Woge zum Strand, so kehren die Leute stets wieder,
Wandelnd am Hause vorbei, staunen den Fuji sie an." *)

Die Zahl der Arten und Abarten japanischer Zierpflanzen ist zwar
eine sehr grosse; doch erfreut sich nur eine kleine Auswahl ganz be-
sonderer Beliebtheit. Die Rose ist nicht darunter und selbst die Ca-
mellie nimmt, obgleich sie sehr häufig angebaut wird, keineswegs einen
hervorragenden Rang ein. Man hat diese Lieblinge, welche mit dem
Cultus, den Festen und dem ganzen Leben innig verwoben sind, und
vornehmlich auch als Decorationsmotive im Kunstgewerbe immer von
neuem herangezogen werden, nach ihrer Blüthezeit geordnet und schon
Blumenkalender verfasst zu einer Zeit, wo bei uns noch Niemand an
derlei Arbeit dachte.

Bei der früheren, den Chinesen entlehnten Zeitrechnung der Ja-
paner nach Mondjahren fiel Guwan-jitsu, der Neujahrstag, gegen
Mitte oder Ende Februar und es nahm damit Mutzuki, "der liebliche
Monat", seinen Anfang. Zur Feier der Jahreswende gesellte sich mit-
hin die Freude über die wiedererwachte Natur und gab sich auf
mancherlei Weise in und ausser dem Hause kund. Flora bot dem Volke
seine ersten Lieblinge in vollem Blüthenschmuck dar und Unguisu,
die Nachtigall, belebte bald darauf den nahen Ziergarten oder Tempel-
hain an lauen Abenden von neuem durch ihren lieblichen Gesang. **)
Unter den Pflanzen trugen die weissen und rothen Blüthen der Mume
(Prunus Mume S. & Z.), welche um diese Zeit als Frühlingsboten noch
vor der Blattentwickelung erschienen, zur Hebung der festlichen Stim-
mung nicht wenig bei und fehlten keinem japanischen Hause. Wie wir
unsere Schlüsselblume (Primula veris L.) mit jedem neuen Lenz von
neuem freudig begrüssen und uns ihres Anblicks erfreuen, so, doch in
viel höherem Maasse, vermochte und vermag noch immer die Mume,
als einer der Lieblinge des japanischen Volkes, dasselbe sehnsuchts-
voll und freudig zu stimmen. Mehr als die Fülle und Farbenpracht
der Blüthen preisen seine Dichter deren lieblichen Duft, welcher na-
mentlich während der Nacht sich entwickelt.

*) Waga yado ni | sakeru fuji nami | tachi kaeri | sugigate ni nomi | hito no
miruamu. R. Lange: Altjapanische Frühlingslieder. Berlin, Weidmann 1884.
**) Durch Annahme unseres Kalenders und Verlegung des Neujahrsfestes auf
die rauhere Zeit des 1. Januar hat dasselbe einen grossen Theil seines früheren
poetischen Reizes verloren.

7. Gartenbau.
herrührt, mit Bezug auf eine, an seinem Hause blühende Fuji oder
Glycine (Wistaria chinensis) das Folgende:

»So, wie die Woge zum Strand, so kehren die Leute stets wieder,
Wandelnd am Hause vorbei, staunen den Fuji sie an.« *)

Die Zahl der Arten und Abarten japanischer Zierpflanzen ist zwar
eine sehr grosse; doch erfreut sich nur eine kleine Auswahl ganz be-
sonderer Beliebtheit. Die Rose ist nicht darunter und selbst die Ca-
mellie nimmt, obgleich sie sehr häufig angebaut wird, keineswegs einen
hervorragenden Rang ein. Man hat diese Lieblinge, welche mit dem
Cultus, den Festen und dem ganzen Leben innig verwoben sind, und
vornehmlich auch als Decorationsmotive im Kunstgewerbe immer von
neuem herangezogen werden, nach ihrer Blüthezeit geordnet und schon
Blumenkalender verfasst zu einer Zeit, wo bei uns noch Niemand an
derlei Arbeit dachte.

Bei der früheren, den Chinesen entlehnten Zeitrechnung der Ja-
paner nach Mondjahren fiel Guwan-jitsu, der Neujahrstag, gegen
Mitte oder Ende Februar und es nahm damit Mutzuki, »der liebliche
Monat«, seinen Anfang. Zur Feier der Jahreswende gesellte sich mit-
hin die Freude über die wiedererwachte Natur und gab sich auf
mancherlei Weise in und ausser dem Hause kund. Flora bot dem Volke
seine ersten Lieblinge in vollem Blüthenschmuck dar und Unguisu,
die Nachtigall, belebte bald darauf den nahen Ziergarten oder Tempel-
hain an lauen Abenden von neuem durch ihren lieblichen Gesang. **)
Unter den Pflanzen trugen die weissen und rothen Blüthen der Mume
(Prunus Mume S. & Z.), welche um diese Zeit als Frühlingsboten noch
vor der Blattentwickelung erschienen, zur Hebung der festlichen Stim-
mung nicht wenig bei und fehlten keinem japanischen Hause. Wie wir
unsere Schlüsselblume (Primula veris L.) mit jedem neuen Lenz von
neuem freudig begrüssen und uns ihres Anblicks erfreuen, so, doch in
viel höherem Maasse, vermochte und vermag noch immer die Mume,
als einer der Lieblinge des japanischen Volkes, dasselbe sehnsuchts-
voll und freudig zu stimmen. Mehr als die Fülle und Farbenpracht
der Blüthen preisen seine Dichter deren lieblichen Duft, welcher na-
mentlich während der Nacht sich entwickelt.

*) Waga yado ni | sakeru fuji nami | tachi kaeri | sugigate ni nomi | hito no
miruamu. R. Lange: Altjapanische Frühlingslieder. Berlin, Weidmann 1884.
**) Durch Annahme unseres Kalenders und Verlegung des Neujahrsfestes auf
die rauhere Zeit des 1. Januar hat dasselbe einen grossen Theil seines früheren
poetischen Reizes verloren.
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[319/0343] 7. Gartenbau. herrührt, mit Bezug auf eine, an seinem Hause blühende Fuji oder Glycine (Wistaria chinensis) das Folgende: »So, wie die Woge zum Strand, so kehren die Leute stets wieder, Wandelnd am Hause vorbei, staunen den Fuji sie an.« *) Die Zahl der Arten und Abarten japanischer Zierpflanzen ist zwar eine sehr grosse; doch erfreut sich nur eine kleine Auswahl ganz be- sonderer Beliebtheit. Die Rose ist nicht darunter und selbst die Ca- mellie nimmt, obgleich sie sehr häufig angebaut wird, keineswegs einen hervorragenden Rang ein. Man hat diese Lieblinge, welche mit dem Cultus, den Festen und dem ganzen Leben innig verwoben sind, und vornehmlich auch als Decorationsmotive im Kunstgewerbe immer von neuem herangezogen werden, nach ihrer Blüthezeit geordnet und schon Blumenkalender verfasst zu einer Zeit, wo bei uns noch Niemand an derlei Arbeit dachte. Bei der früheren, den Chinesen entlehnten Zeitrechnung der Ja- paner nach Mondjahren fiel Guwan-jitsu, der Neujahrstag, gegen Mitte oder Ende Februar und es nahm damit Mutzuki, »der liebliche Monat«, seinen Anfang. Zur Feier der Jahreswende gesellte sich mit- hin die Freude über die wiedererwachte Natur und gab sich auf mancherlei Weise in und ausser dem Hause kund. Flora bot dem Volke seine ersten Lieblinge in vollem Blüthenschmuck dar und Unguisu, die Nachtigall, belebte bald darauf den nahen Ziergarten oder Tempel- hain an lauen Abenden von neuem durch ihren lieblichen Gesang. **) Unter den Pflanzen trugen die weissen und rothen Blüthen der Mume (Prunus Mume S. & Z.), welche um diese Zeit als Frühlingsboten noch vor der Blattentwickelung erschienen, zur Hebung der festlichen Stim- mung nicht wenig bei und fehlten keinem japanischen Hause. Wie wir unsere Schlüsselblume (Primula veris L.) mit jedem neuen Lenz von neuem freudig begrüssen und uns ihres Anblicks erfreuen, so, doch in viel höherem Maasse, vermochte und vermag noch immer die Mume, als einer der Lieblinge des japanischen Volkes, dasselbe sehnsuchts- voll und freudig zu stimmen. Mehr als die Fülle und Farbenpracht der Blüthen preisen seine Dichter deren lieblichen Duft, welcher na- mentlich während der Nacht sich entwickelt. *) Waga yado ni | sakeru fuji nami | tachi kaeri | sugigate ni nomi | hito no miruamu. R. Lange: Altjapanische Frühlingslieder. Berlin, Weidmann 1884. **) Durch Annahme unseres Kalenders und Verlegung des Neujahrsfestes auf die rauhere Zeit des 1. Januar hat dasselbe einen grossen Theil seines früheren poetischen Reizes verloren.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/343>, abgerufen am 22.11.2024.