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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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I. Land- und Forstwirthschaft.
Scheere gehalten und schliessen nach der Strasse hin kleine Vorgärt-
chen ab. Oft vertritt ein hübsches Spalier aus Bambusrohr ihre Stelle.
Dahinter aber erheben sich dann in der Regel immergrüne Gehölze
um das zurückliegende bescheidene Wohnhaus den Blicken der Vor-
übergehenden möglichst zu entziehen. Im Samuraiviertel der kleinen
Stadt Nojiri (in der Provinz Hiuga des südlichen Kiushiu) sah ich z. B.
im Frühjahr 1875 hinter einem solchen Spalier in Reihen und Gruppen
9--10 m hohe stattliche Camellienbäume zum Theil noch in Blüthe.
Daneben wiegten sich die leichten, zierlichen Kronen hoher Bambus-
rohre im Winde. Das Gelbgrün junger Blätter des Kampferlorbeers
und wintergrüner Eichen stach scharf ab gegen das glänzend dunkel-
grüne Laubwerk vom vorigen Jahre und die rothen Blüthen der Camel-
lien und der Azalienbüsche. -- Zu Akita, hoch im Norden von Hondo,
fand ich zu einer andern Zeit die Vorgärtchen der Samuraiwohnungen
vielfach von Kome-no-ko oder Iwa-yanagi (Spiraea Thunbergi Sieb.)
eingefasst. Viel häufiger werden Karatachi (Citrus trifoliata L.)
und Mukuge (Hibiscus syriacus L.) zu Hecken verwendet. Die
blauvioletten, seltener weissen Blüthen der letzteren erscheinen im
Spätsommer und Herbst. Karatachi wird offenbar seiner starken Be-
wehrung wegen verwendet; denn sonst sind die Hecken daraus weder
dicht, noch schön belaubt, da die Blätter nicht die Grösse und das
schöne Aussehen erreichen, wie diejenigen der übrigen Aurantiaceen.

Dass mit dem Buddhismus im 6. Jahrhundert unserer Zeitrechnung
auch die chinesische Cultur nach Japan vordrang und hier in den
Tempeln und Klöstern ihre Hauptstütze und Pflege fand, wurde bereits
im ersten Bande dieses Werkes an mehr als einer Stelle gebührend
hervorgehoben. Auch die Blumenliebe und Gartenkunst der Japaner
erhielt ohne Zweifel durch buddhistische Priester ihre erste Anregung
und Nahrung. Jene prächtigen Zierpflanzen, welche man zur Aus-
schmückung der Altäre und Gräber, der Tempelhöfe und heiligen
Teiche, der Gärten und Haine heranzog, und die theilweise, wie Päo-
nie und Lotus, zugleich zur Gewinnung geschätzter Arzneimittel dien-
ten, hatte man in China schon viele Jahrhunderte lang mit Vorliebe
angebaut. Mit der Freude an ihrem schönen Aussehen und Gedeihen
wuchs das Interesse auch für die einheimische Flora, deren schönste
Kinder allmählich ebenfalls herangezogen und mit Sorgfalt gepflegt
wurden. Dazu fanden sich diese in grosser Zahl und Auswahl; denn
wie dies Bd. I. pg. 153--198 ausführlicher dargethan wurde, ist ja
gerade der japanische Boden von der Natur in ein überaus buntes,
freundliches und anziehendes Kleid gehüllt worden. Später gelangten
verschiedene der eingeführten Gewächse von Japan aus zuerst in

I. Land- und Forstwirthschaft.
Scheere gehalten und schliessen nach der Strasse hin kleine Vorgärt-
chen ab. Oft vertritt ein hübsches Spalier aus Bambusrohr ihre Stelle.
Dahinter aber erheben sich dann in der Regel immergrüne Gehölze
um das zurückliegende bescheidene Wohnhaus den Blicken der Vor-
übergehenden möglichst zu entziehen. Im Samuraiviertel der kleinen
Stadt Nojiri (in der Provinz Hiuga des südlichen Kiushiu) sah ich z. B.
im Frühjahr 1875 hinter einem solchen Spalier in Reihen und Gruppen
9—10 m hohe stattliche Camellienbäume zum Theil noch in Blüthe.
Daneben wiegten sich die leichten, zierlichen Kronen hoher Bambus-
rohre im Winde. Das Gelbgrün junger Blätter des Kampferlorbeers
und wintergrüner Eichen stach scharf ab gegen das glänzend dunkel-
grüne Laubwerk vom vorigen Jahre und die rothen Blüthen der Camel-
lien und der Azalienbüsche. — Zu Akita, hoch im Norden von Hondo,
fand ich zu einer andern Zeit die Vorgärtchen der Samuraiwohnungen
vielfach von Kome-no-ko oder Iwa-yanagi (Spiraea Thunbergi Sieb.)
eingefasst. Viel häufiger werden Karatachi (Citrus trifoliata L.)
und Mukuge (Hibiscus syriacus L.) zu Hecken verwendet. Die
blauvioletten, seltener weissen Blüthen der letzteren erscheinen im
Spätsommer und Herbst. Karatachi wird offenbar seiner starken Be-
wehrung wegen verwendet; denn sonst sind die Hecken daraus weder
dicht, noch schön belaubt, da die Blätter nicht die Grösse und das
schöne Aussehen erreichen, wie diejenigen der übrigen Aurantiaceen.

Dass mit dem Buddhismus im 6. Jahrhundert unserer Zeitrechnung
auch die chinesische Cultur nach Japan vordrang und hier in den
Tempeln und Klöstern ihre Hauptstütze und Pflege fand, wurde bereits
im ersten Bande dieses Werkes an mehr als einer Stelle gebührend
hervorgehoben. Auch die Blumenliebe und Gartenkunst der Japaner
erhielt ohne Zweifel durch buddhistische Priester ihre erste Anregung
und Nahrung. Jene prächtigen Zierpflanzen, welche man zur Aus-
schmückung der Altäre und Gräber, der Tempelhöfe und heiligen
Teiche, der Gärten und Haine heranzog, und die theilweise, wie Päo-
nie und Lotus, zugleich zur Gewinnung geschätzter Arzneimittel dien-
ten, hatte man in China schon viele Jahrhunderte lang mit Vorliebe
angebaut. Mit der Freude an ihrem schönen Aussehen und Gedeihen
wuchs das Interesse auch für die einheimische Flora, deren schönste
Kinder allmählich ebenfalls herangezogen und mit Sorgfalt gepflegt
wurden. Dazu fanden sich diese in grosser Zahl und Auswahl; denn
wie dies Bd. I. pg. 153—198 ausführlicher dargethan wurde, ist ja
gerade der japanische Boden von der Natur in ein überaus buntes,
freundliches und anziehendes Kleid gehüllt worden. Später gelangten
verschiedene der eingeführten Gewächse von Japan aus zuerst in

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[312/0336] I. Land- und Forstwirthschaft. Scheere gehalten und schliessen nach der Strasse hin kleine Vorgärt- chen ab. Oft vertritt ein hübsches Spalier aus Bambusrohr ihre Stelle. Dahinter aber erheben sich dann in der Regel immergrüne Gehölze um das zurückliegende bescheidene Wohnhaus den Blicken der Vor- übergehenden möglichst zu entziehen. Im Samuraiviertel der kleinen Stadt Nojiri (in der Provinz Hiuga des südlichen Kiushiu) sah ich z. B. im Frühjahr 1875 hinter einem solchen Spalier in Reihen und Gruppen 9—10 m hohe stattliche Camellienbäume zum Theil noch in Blüthe. Daneben wiegten sich die leichten, zierlichen Kronen hoher Bambus- rohre im Winde. Das Gelbgrün junger Blätter des Kampferlorbeers und wintergrüner Eichen stach scharf ab gegen das glänzend dunkel- grüne Laubwerk vom vorigen Jahre und die rothen Blüthen der Camel- lien und der Azalienbüsche. — Zu Akita, hoch im Norden von Hondo, fand ich zu einer andern Zeit die Vorgärtchen der Samuraiwohnungen vielfach von Kome-no-ko oder Iwa-yanagi (Spiraea Thunbergi Sieb.) eingefasst. Viel häufiger werden Karatachi (Citrus trifoliata L.) und Mukuge (Hibiscus syriacus L.) zu Hecken verwendet. Die blauvioletten, seltener weissen Blüthen der letzteren erscheinen im Spätsommer und Herbst. Karatachi wird offenbar seiner starken Be- wehrung wegen verwendet; denn sonst sind die Hecken daraus weder dicht, noch schön belaubt, da die Blätter nicht die Grösse und das schöne Aussehen erreichen, wie diejenigen der übrigen Aurantiaceen. Dass mit dem Buddhismus im 6. Jahrhundert unserer Zeitrechnung auch die chinesische Cultur nach Japan vordrang und hier in den Tempeln und Klöstern ihre Hauptstütze und Pflege fand, wurde bereits im ersten Bande dieses Werkes an mehr als einer Stelle gebührend hervorgehoben. Auch die Blumenliebe und Gartenkunst der Japaner erhielt ohne Zweifel durch buddhistische Priester ihre erste Anregung und Nahrung. Jene prächtigen Zierpflanzen, welche man zur Aus- schmückung der Altäre und Gräber, der Tempelhöfe und heiligen Teiche, der Gärten und Haine heranzog, und die theilweise, wie Päo- nie und Lotus, zugleich zur Gewinnung geschätzter Arzneimittel dien- ten, hatte man in China schon viele Jahrhunderte lang mit Vorliebe angebaut. Mit der Freude an ihrem schönen Aussehen und Gedeihen wuchs das Interesse auch für die einheimische Flora, deren schönste Kinder allmählich ebenfalls herangezogen und mit Sorgfalt gepflegt wurden. Dazu fanden sich diese in grosser Zahl und Auswahl; denn wie dies Bd. I. pg. 153—198 ausführlicher dargethan wurde, ist ja gerade der japanische Boden von der Natur in ein überaus buntes, freundliches und anziehendes Kleid gehüllt worden. Später gelangten verschiedene der eingeführten Gewächse von Japan aus zuerst in

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/336>, abgerufen am 05.05.2024.