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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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I. Land- und Forstwirthschaft.
lung. In irgend einer der gebräuchlichen Formen erreicht sie ein
Alter von 40--60 Jahren, wird aber gewöhnlich nach 30--40 Jahren
durch andere ersetzt. In subtropischen Gebieten, wie in Syrien und
Andalusien, findet die Neubelaubung bereits im März statt, in der Pro-
vence und Norditalien und ebenso im mittleren Japan im April, in
Deutschland erst im Mai. Von den verschiedenen Abarten fand ich
in Japan:

a. M. alba laciniata Hort., wozu auch a vulgaris indica D. C.
(Prodromus XVII pg. 238 ff.) zu rechnen ist. Sie hat tiefgelappte
Blätter, wird To-kuwa genannt und vornehmlich in den höheren
Gebirgsthälern gefunden.

b. M. alba macrophylla Hort.

c. M. alba Morettiana Hort. mit glänzend glatten grossen Blättern,
die herzförmig, zugespitzt und scharf gezähnt, seltener gelappt sind.
Es ist dies bekanntlich die vorherrschende Sorte in Südeuropa.

d. M. multicaulis Perr. (M. Constantinopolitana Lam.) mit grossen
herzförmigen Blättern, unterseits etwas behaart, wird vorwiegend in
der Ebene und dem Hügellande Japans angebaut, und meist als Busch
behandelt.

Hinsichtlich der Behandlung des Maulbeerbaums kann man näm-
lich in Japan drei Culturarten unterscheiden:

1) Die strauchförmige (Hikui-kabu, d. h. niedriger Stumpf).
Es ist die sorgfältigste und intensivste, welche in den flacheren Ge-
genden der Hauptseidendistrikte vorherrscht. Man setzt hier die Maul-
beerstecklinge auf das tief und gut umgearbeitete Land 2/3 Meter von
einander in Reihen von 1 Meter Abstand und schneidet sie jedes Jahr,
wie Korbweiden-Pflanzungen, bis beinahe zur Erde zurück. Der hier
sich bildende Kopf treibt jeden Sommer eine grössere Zahl Triebe (da-
her wohl M. multicaulis Perr.) mit kräftigen grossen Blättern, die ent-
weder in loco oder erst zu Hause von den Ruthen abgestreift werden;
doch ist letzteres das gewöhnliche Verfahren. Aus einiger Entfernung
ist eine solche Pflanzung dem Weinberg auf ebenem Lande, zumal
wie er im Mittelmeergebiet, ohne Stütze der Reben erscheint, nicht
unähnlich.

2) Die beschränkt baumförmige (Taka-kabu, d. h. hoher
Stumpf). Bei dieser Cultur werden wie bei der Weidenzucht für Fass-
reifen wirkliche Stämme erzielt, dieselben aber in 1--2 Meter Höhe
geköpft. Es ist die Maulbeerzucht, wie wir ihr beispielsweise in Nord-
italien und in Spanien (mit Morus alba L. a, vulgaris Morettiana Jacq.)
vorzugsweise begegnen. Sie ist in Japan besonders in Hügelregionen
beliebt, gewährt aber nicht den schönen Anblick, wie in Norditalien,

I. Land- und Forstwirthschaft.
lung. In irgend einer der gebräuchlichen Formen erreicht sie ein
Alter von 40—60 Jahren, wird aber gewöhnlich nach 30—40 Jahren
durch andere ersetzt. In subtropischen Gebieten, wie in Syrien und
Andalusien, findet die Neubelaubung bereits im März statt, in der Pro-
vence und Norditalien und ebenso im mittleren Japan im April, in
Deutschland erst im Mai. Von den verschiedenen Abarten fand ich
in Japan:

a. M. alba laciniata Hort., wozu auch α vulgaris indica D. C.
(Prodromus XVII pg. 238 ff.) zu rechnen ist. Sie hat tiefgelappte
Blätter, wird Tô-kuwa genannt und vornehmlich in den höheren
Gebirgsthälern gefunden.

b. M. alba macrophylla Hort.

c. M. alba Morettiana Hort. mit glänzend glatten grossen Blättern,
die herzförmig, zugespitzt und scharf gezähnt, seltener gelappt sind.
Es ist dies bekanntlich die vorherrschende Sorte in Südeuropa.

d. M. multicaulis Perr. (M. Constantinopolitana Lam.) mit grossen
herzförmigen Blättern, unterseits etwas behaart, wird vorwiegend in
der Ebene und dem Hügellande Japans angebaut, und meist als Busch
behandelt.

Hinsichtlich der Behandlung des Maulbeerbaums kann man näm-
lich in Japan drei Culturarten unterscheiden:

1) Die strauchförmige (Hikui-kabu, d. h. niedriger Stumpf).
Es ist die sorgfältigste und intensivste, welche in den flacheren Ge-
genden der Hauptseidendistrikte vorherrscht. Man setzt hier die Maul-
beerstecklinge auf das tief und gut umgearbeitete Land ⅔ Meter von
einander in Reihen von 1 Meter Abstand und schneidet sie jedes Jahr,
wie Korbweiden-Pflanzungen, bis beinahe zur Erde zurück. Der hier
sich bildende Kopf treibt jeden Sommer eine grössere Zahl Triebe (da-
her wohl M. multicaulis Perr.) mit kräftigen grossen Blättern, die ent-
weder in loco oder erst zu Hause von den Ruthen abgestreift werden;
doch ist letzteres das gewöhnliche Verfahren. Aus einiger Entfernung
ist eine solche Pflanzung dem Weinberg auf ebenem Lande, zumal
wie er im Mittelmeergebiet, ohne Stütze der Reben erscheint, nicht
unähnlich.

2) Die beschränkt baumförmige (Taka-kabu, d. h. hoher
Stumpf). Bei dieser Cultur werden wie bei der Weidenzucht für Fass-
reifen wirkliche Stämme erzielt, dieselben aber in 1—2 Meter Höhe
geköpft. Es ist die Maulbeerzucht, wie wir ihr beispielsweise in Nord-
italien und in Spanien (mit Morus alba L. α, vulgaris Morettiana Jacq.)
vorzugsweise begegnen. Sie ist in Japan besonders in Hügelregionen
beliebt, gewährt aber nicht den schönen Anblick, wie in Norditalien,

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[226/0248] I. Land- und Forstwirthschaft. lung. In irgend einer der gebräuchlichen Formen erreicht sie ein Alter von 40—60 Jahren, wird aber gewöhnlich nach 30—40 Jahren durch andere ersetzt. In subtropischen Gebieten, wie in Syrien und Andalusien, findet die Neubelaubung bereits im März statt, in der Pro- vence und Norditalien und ebenso im mittleren Japan im April, in Deutschland erst im Mai. Von den verschiedenen Abarten fand ich in Japan: a. M. alba laciniata Hort., wozu auch α vulgaris indica D. C. (Prodromus XVII pg. 238 ff.) zu rechnen ist. Sie hat tiefgelappte Blätter, wird Tô-kuwa genannt und vornehmlich in den höheren Gebirgsthälern gefunden. b. M. alba macrophylla Hort. c. M. alba Morettiana Hort. mit glänzend glatten grossen Blättern, die herzförmig, zugespitzt und scharf gezähnt, seltener gelappt sind. Es ist dies bekanntlich die vorherrschende Sorte in Südeuropa. d. M. multicaulis Perr. (M. Constantinopolitana Lam.) mit grossen herzförmigen Blättern, unterseits etwas behaart, wird vorwiegend in der Ebene und dem Hügellande Japans angebaut, und meist als Busch behandelt. Hinsichtlich der Behandlung des Maulbeerbaums kann man näm- lich in Japan drei Culturarten unterscheiden: 1) Die strauchförmige (Hikui-kabu, d. h. niedriger Stumpf). Es ist die sorgfältigste und intensivste, welche in den flacheren Ge- genden der Hauptseidendistrikte vorherrscht. Man setzt hier die Maul- beerstecklinge auf das tief und gut umgearbeitete Land ⅔ Meter von einander in Reihen von 1 Meter Abstand und schneidet sie jedes Jahr, wie Korbweiden-Pflanzungen, bis beinahe zur Erde zurück. Der hier sich bildende Kopf treibt jeden Sommer eine grössere Zahl Triebe (da- her wohl M. multicaulis Perr.) mit kräftigen grossen Blättern, die ent- weder in loco oder erst zu Hause von den Ruthen abgestreift werden; doch ist letzteres das gewöhnliche Verfahren. Aus einiger Entfernung ist eine solche Pflanzung dem Weinberg auf ebenem Lande, zumal wie er im Mittelmeergebiet, ohne Stütze der Reben erscheint, nicht unähnlich. 2) Die beschränkt baumförmige (Taka-kabu, d. h. hoher Stumpf). Bei dieser Cultur werden wie bei der Weidenzucht für Fass- reifen wirkliche Stämme erzielt, dieselben aber in 1—2 Meter Höhe geköpft. Es ist die Maulbeerzucht, wie wir ihr beispielsweise in Nord- italien und in Spanien (mit Morus alba L. α, vulgaris Morettiana Jacq.) vorzugsweise begegnen. Sie ist in Japan besonders in Hügelregionen beliebt, gewährt aber nicht den schönen Anblick, wie in Norditalien,

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/248>, abgerufen am 25.04.2024.