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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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I. Land- und Forstwirthschaft.
wildwachsende, ihrer eigenthümlichen wohlbekannten Verwendung
wegen, nämlich:

12) Aconitum Fischeri Reichb., jap. Tori-kabuto.

13) Artemisia vulgaris L., jap. Yomogi (Mogusa).

14) Illicium religiosum S. & Z., jap. Sikimmi (spr. Skimi).

Das erstgenannte dieser drei Gewächse, der über die Bergwal-
dungen von ganz Japan verbreitete hellblaue Eisenhut, liefert in
seinen Knollen, Udzu (bei den Ainos Shurku) genannt, den Ainos das
wohlbekannte Gift, mit dem sie ihre Jagdpfeile vergiften. Es ist das-
selbe Coniin C8H17N, wie man es auch in den Knollen anderer Aconit-
arten findet und neuerdings selbst künstlich darstellt. *) Dasselbe ruft
im thierischen Organismus krampfhafte Bewegungen und Paralyse hervor.

Die Früchte des Buddha geweihten und darum bei buddhistischen
Tempeln und Klöstern viel angebauten Skimi machten vor längerer Zeit
einiges Aufsehen. Sie kamen nämlich statt des Sternanis, dem sie sehr
ähnlich sehen, als Gewürz in den Handel, erwiesen sich aber giftig.
Eine ganz andere Rolle spielt die gemahlene und mit Hülfe von etwas
Harz zu kleinen, federkieldicken braunen Stäbchen geformte Rinde.
Sie bildet in dieser Gestalt die Räucherkerzchen, mit welchen man
vor den Götzen Wohlgeruch verbreitet. Diese glimmenden Kerzen
werden aber auch benutzt bei der Mogusa (sprich Moxa). Es ist dies
ein eigenthümliches Zugpflaster, womit man Krankheiten vorzubeugen
sucht. Die Moxa oder Blüthentheile der Artemisia vulgaris werden
mit dem sie umgebenden Filz getrocknet. Bei ihrer Verwendung legt
man etwas davon auf den nackten Körper und brennt es durch Be-
rührung mit der glimmenden Kerze ab. Dadurch entstehen Wunden
und später Narben so gross wie ein Markstück, wie man sie nament-
lich auf Rücken und Posterior der Arbeiter häufig sehen kann.

Die vorerwähnten Arzeneipflanzen spielen im Handel Japans
keinerlei Rolle. Nur dem eigenen Gebrauche dienend, tritt ihre Be-
deutung hinter diejenige von Ginseng und Kampfer weit zurück, zwei
Droguen Ostasiens, die nicht blos ihrer sehr verschiedenartigen Ge-
winnung und Verwendung wegen, sondern auch als bemerkenswerthe
Exportartikel Japans eine eingehendere Betrachtung verdienen.

15) Panax Ginseng C. A. Meyer (Aralia Ginseng, jap. Nin-jin,
chin. Jin-san). Der Ginseng, von dem Kaempfer sagt, er sei der
Wurzel wegen nächst dem Thee im ganzen Orient die berühmteste
Pflanze, ist ein den Doldenpflanzen nahestehendes perennierendes,

*) Siehe die neueren Versuche von A. W. Hofmann darüber in den Berichten
der d. chem. Gesellschaft. 17. Jahrg. pag. 825--833.

I. Land- und Forstwirthschaft.
wildwachsende, ihrer eigenthümlichen wohlbekannten Verwendung
wegen, nämlich:

12) Aconitum Fischeri Reichb., jap. Tori-kabuto.

13) Artemisia vulgaris L., jap. Yomogi (Mogusa).

14) Illicium religiosum S. & Z., jap. Sikimmi (spr. Skimi).

Das erstgenannte dieser drei Gewächse, der über die Bergwal-
dungen von ganz Japan verbreitete hellblaue Eisenhut, liefert in
seinen Knollen, Udzu (bei den Ainos Shurku) genannt, den Ainos das
wohlbekannte Gift, mit dem sie ihre Jagdpfeile vergiften. Es ist das-
selbe Coniin C8H17N, wie man es auch in den Knollen anderer Aconit-
arten findet und neuerdings selbst künstlich darstellt. *) Dasselbe ruft
im thierischen Organismus krampfhafte Bewegungen und Paralyse hervor.

Die Früchte des Buddha geweihten und darum bei buddhistischen
Tempeln und Klöstern viel angebauten Skimi machten vor längerer Zeit
einiges Aufsehen. Sie kamen nämlich statt des Sternanis, dem sie sehr
ähnlich sehen, als Gewürz in den Handel, erwiesen sich aber giftig.
Eine ganz andere Rolle spielt die gemahlene und mit Hülfe von etwas
Harz zu kleinen, federkieldicken braunen Stäbchen geformte Rinde.
Sie bildet in dieser Gestalt die Räucherkerzchen, mit welchen man
vor den Götzen Wohlgeruch verbreitet. Diese glimmenden Kerzen
werden aber auch benutzt bei der Mogusa (sprich Moxa). Es ist dies
ein eigenthümliches Zugpflaster, womit man Krankheiten vorzubeugen
sucht. Die Moxa oder Blüthentheile der Artemisia vulgaris werden
mit dem sie umgebenden Filz getrocknet. Bei ihrer Verwendung legt
man etwas davon auf den nackten Körper und brennt es durch Be-
rührung mit der glimmenden Kerze ab. Dadurch entstehen Wunden
und später Narben so gross wie ein Markstück, wie man sie nament-
lich auf Rücken und Posterior der Arbeiter häufig sehen kann.

Die vorerwähnten Arzeneipflanzen spielen im Handel Japans
keinerlei Rolle. Nur dem eigenen Gebrauche dienend, tritt ihre Be-
deutung hinter diejenige von Ginseng und Kampfer weit zurück, zwei
Droguen Ostasiens, die nicht blos ihrer sehr verschiedenartigen Ge-
winnung und Verwendung wegen, sondern auch als bemerkenswerthe
Exportartikel Japans eine eingehendere Betrachtung verdienen.

15) Panax Ginseng C. A. Meyer (Aralia Ginseng, jap. Nin-jin,
chin. Jin-san). Der Ginseng, von dem Kaempfer sagt, er sei der
Wurzel wegen nächst dem Thee im ganzen Orient die berühmteste
Pflanze, ist ein den Doldenpflanzen nahestehendes perennierendes,

*) Siehe die neueren Versuche von A. W. Hofmann darüber in den Berichten
der d. chem. Gesellschaft. 17. Jahrg. pag. 825—833.
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[160/0182] I. Land- und Forstwirthschaft. wildwachsende, ihrer eigenthümlichen wohlbekannten Verwendung wegen, nämlich: 12) Aconitum Fischeri Reichb., jap. Tori-kabuto. 13) Artemisia vulgaris L., jap. Yomogi (Mogusa). 14) Illicium religiosum S. & Z., jap. Sikimmi (spr. Skimi). Das erstgenannte dieser drei Gewächse, der über die Bergwal- dungen von ganz Japan verbreitete hellblaue Eisenhut, liefert in seinen Knollen, Udzu (bei den Ainos Shurku) genannt, den Ainos das wohlbekannte Gift, mit dem sie ihre Jagdpfeile vergiften. Es ist das- selbe Coniin C8H17N, wie man es auch in den Knollen anderer Aconit- arten findet und neuerdings selbst künstlich darstellt. *) Dasselbe ruft im thierischen Organismus krampfhafte Bewegungen und Paralyse hervor. Die Früchte des Buddha geweihten und darum bei buddhistischen Tempeln und Klöstern viel angebauten Skimi machten vor längerer Zeit einiges Aufsehen. Sie kamen nämlich statt des Sternanis, dem sie sehr ähnlich sehen, als Gewürz in den Handel, erwiesen sich aber giftig. Eine ganz andere Rolle spielt die gemahlene und mit Hülfe von etwas Harz zu kleinen, federkieldicken braunen Stäbchen geformte Rinde. Sie bildet in dieser Gestalt die Räucherkerzchen, mit welchen man vor den Götzen Wohlgeruch verbreitet. Diese glimmenden Kerzen werden aber auch benutzt bei der Mogusa (sprich Moxa). Es ist dies ein eigenthümliches Zugpflaster, womit man Krankheiten vorzubeugen sucht. Die Moxa oder Blüthentheile der Artemisia vulgaris werden mit dem sie umgebenden Filz getrocknet. Bei ihrer Verwendung legt man etwas davon auf den nackten Körper und brennt es durch Be- rührung mit der glimmenden Kerze ab. Dadurch entstehen Wunden und später Narben so gross wie ein Markstück, wie man sie nament- lich auf Rücken und Posterior der Arbeiter häufig sehen kann. Die vorerwähnten Arzeneipflanzen spielen im Handel Japans keinerlei Rolle. Nur dem eigenen Gebrauche dienend, tritt ihre Be- deutung hinter diejenige von Ginseng und Kampfer weit zurück, zwei Droguen Ostasiens, die nicht blos ihrer sehr verschiedenartigen Ge- winnung und Verwendung wegen, sondern auch als bemerkenswerthe Exportartikel Japans eine eingehendere Betrachtung verdienen. 15) Panax Ginseng C. A. Meyer (Aralia Ginseng, jap. Nin-jin, chin. Jin-san). Der Ginseng, von dem Kaempfer sagt, er sei der Wurzel wegen nächst dem Thee im ganzen Orient die berühmteste Pflanze, ist ein den Doldenpflanzen nahestehendes perennierendes, *) Siehe die neueren Versuche von A. W. Hofmann darüber in den Berichten der d. chem. Gesellschaft. 17. Jahrg. pag. 825—833.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/182>, abgerufen am 29.03.2024.