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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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I. Land- und Forstwirthschaft.
Knospen, welche noch mit weissem Flaum bedeckt sind, ist die eng-
lische Benennung Pekoe tips (Pecco-Spitzen) bezeichnender, als der
Ausdruck Pecco-Blüthen im deutschen Marktgebrauch, gegen den
schon Kaempfer vergeblich eifert; denn da die Blüthezeit des Thee-
strauchs in den Herbst, also lange nach der Ernte fällt, so können
Theeblüthen bei keiner Theesorte vorkommen, am wenigsten bei dem
zuerst gewonnenen Pecco.

Souchong und Congo haben eine schwärzere Farbe als Pecco und
liefern einen dunkleren Aufguss. Es ist ferner eine erwiesene That-
sache, dass das Aroma des Thees sich erst mit den Blättern entwickelt
und erst nach der Zubereitung derselben zum Vorschein kommt. Ganz
junge Blätter enthalten es nicht; daher kann der beste Pecco trotz
seines hohen Preises unsern Geschmack nicht befriedigen und muss
mit Souchong vermischt werden. Als Karawanenthee führte man bis-
her nur die besseren schwarzen Theesorten, vornehmlich Souchong aus;
der Landtransport durch kalte trockne Gebiete gestattete, dass die
nochmalige starke Erhitzung in den Trockenanstalten der Hafenorte
wegfiel, und bewahrte ihnen in höherem Grade ihr Aroma, so dass die
vielgerühmten Vorzüge wohlbegründet waren. Seitdem man jedoch der
Zubereitung und Verpackung für die Verschiffung mehr Sorgfalt wid-
met und diese selbst einen viel rascheren Verlauf nimmt, fällt der
Unterschied in der Güte grösstentheils weg, und es bleibt nur der hohe
im Preise zum Nachtheil des Karawanenthees bestehen. Die Folge
ist, dass in Russland die Einfuhr des billigen Thees zu Schiff immer
mehr zunimmt, während in der des Karawanenthees über Sibirien schon
lange eine Abnahme bemerkt wird. Ein Zuibik, d. h. die mit Bleifolie
ausgelegte, äusserlich bemalte und mit chinesischen Zeichen versehene
würfelförmige Theekiste enthält gewöhnlich 60 Pfund Karawanenthee.

Der schwarze Thee wird vornehmlich in den Provinzen Fukien,
Kuang-tung, Hupeh, Hunan und Sz'chuan dargestellt, welch letztere
Provinz auch viel grünen und Ziegelthee (für Tibet) liefert. Futscheufu
und Canton sind die hervorragendsten Hafenplätze für schwarzen Thee,
doch führen auch Schanghai und Ningpo neben grünem Thee beträcht-
liche Mengen davon aus.

Die Vorliebe der Ostasiaten für grünen Thee wird nur von den
Nordamerikanern und vornehmeren Marokkanern getheilt. Unter den
Theetrinkern Europas bevorzugen weitaus die meisten den schwarzen,
und auch der in Japan wohnende Fremde (selbst der Theeexporteur)
bezieht solchen für seinen eigenen Bedarf aus China. Der Japaner ist
sich wohl bewusst, dass er hinsichtlich seines Thees, dem zweitwich-
tigsten Handelsartikel, vom amerikanischen Geschmack abhängt. Aus

I. Land- und Forstwirthschaft.
Knospen, welche noch mit weissem Flaum bedeckt sind, ist die eng-
lische Benennung Pekoe tips (Pecco-Spitzen) bezeichnender, als der
Ausdruck Pecco-Blüthen im deutschen Marktgebrauch, gegen den
schon Kaempfer vergeblich eifert; denn da die Blüthezeit des Thee-
strauchs in den Herbst, also lange nach der Ernte fällt, so können
Theeblüthen bei keiner Theesorte vorkommen, am wenigsten bei dem
zuerst gewonnenen Pecco.

Souchong und Congo haben eine schwärzere Farbe als Pecco und
liefern einen dunkleren Aufguss. Es ist ferner eine erwiesene That-
sache, dass das Aroma des Thees sich erst mit den Blättern entwickelt
und erst nach der Zubereitung derselben zum Vorschein kommt. Ganz
junge Blätter enthalten es nicht; daher kann der beste Pecco trotz
seines hohen Preises unsern Geschmack nicht befriedigen und muss
mit Souchong vermischt werden. Als Karawanenthee führte man bis-
her nur die besseren schwarzen Theesorten, vornehmlich Souchong aus;
der Landtransport durch kalte trockne Gebiete gestattete, dass die
nochmalige starke Erhitzung in den Trockenanstalten der Hafenorte
wegfiel, und bewahrte ihnen in höherem Grade ihr Aroma, so dass die
vielgerühmten Vorzüge wohlbegründet waren. Seitdem man jedoch der
Zubereitung und Verpackung für die Verschiffung mehr Sorgfalt wid-
met und diese selbst einen viel rascheren Verlauf nimmt, fällt der
Unterschied in der Güte grösstentheils weg, und es bleibt nur der hohe
im Preise zum Nachtheil des Karawanenthees bestehen. Die Folge
ist, dass in Russland die Einfuhr des billigen Thees zu Schiff immer
mehr zunimmt, während in der des Karawanenthees über Sibirien schon
lange eine Abnahme bemerkt wird. Ein Zuibik, d. h. die mit Bleifolie
ausgelegte, äusserlich bemalte und mit chinesischen Zeichen versehene
würfelförmige Theekiste enthält gewöhnlich 60 Pfund Karawanenthee.

Der schwarze Thee wird vornehmlich in den Provinzen Fukien,
Kuang-tung, Hupeh, Hunan und Sz’chuan dargestellt, welch letztere
Provinz auch viel grünen und Ziegelthee (für Tibet) liefert. Futscheufu
und Canton sind die hervorragendsten Hafenplätze für schwarzen Thee,
doch führen auch Schanghai und Ningpo neben grünem Thee beträcht-
liche Mengen davon aus.

Die Vorliebe der Ostasiaten für grünen Thee wird nur von den
Nordamerikanern und vornehmeren Marokkanern getheilt. Unter den
Theetrinkern Europas bevorzugen weitaus die meisten den schwarzen,
und auch der in Japan wohnende Fremde (selbst der Theeexporteur)
bezieht solchen für seinen eigenen Bedarf aus China. Der Japaner ist
sich wohl bewusst, dass er hinsichtlich seines Thees, dem zweitwich-
tigsten Handelsartikel, vom amerikanischen Geschmack abhängt. Aus

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[144/0166] I. Land- und Forstwirthschaft. Knospen, welche noch mit weissem Flaum bedeckt sind, ist die eng- lische Benennung Pekoe tips (Pecco-Spitzen) bezeichnender, als der Ausdruck Pecco-Blüthen im deutschen Marktgebrauch, gegen den schon Kaempfer vergeblich eifert; denn da die Blüthezeit des Thee- strauchs in den Herbst, also lange nach der Ernte fällt, so können Theeblüthen bei keiner Theesorte vorkommen, am wenigsten bei dem zuerst gewonnenen Pecco. Souchong und Congo haben eine schwärzere Farbe als Pecco und liefern einen dunkleren Aufguss. Es ist ferner eine erwiesene That- sache, dass das Aroma des Thees sich erst mit den Blättern entwickelt und erst nach der Zubereitung derselben zum Vorschein kommt. Ganz junge Blätter enthalten es nicht; daher kann der beste Pecco trotz seines hohen Preises unsern Geschmack nicht befriedigen und muss mit Souchong vermischt werden. Als Karawanenthee führte man bis- her nur die besseren schwarzen Theesorten, vornehmlich Souchong aus; der Landtransport durch kalte trockne Gebiete gestattete, dass die nochmalige starke Erhitzung in den Trockenanstalten der Hafenorte wegfiel, und bewahrte ihnen in höherem Grade ihr Aroma, so dass die vielgerühmten Vorzüge wohlbegründet waren. Seitdem man jedoch der Zubereitung und Verpackung für die Verschiffung mehr Sorgfalt wid- met und diese selbst einen viel rascheren Verlauf nimmt, fällt der Unterschied in der Güte grösstentheils weg, und es bleibt nur der hohe im Preise zum Nachtheil des Karawanenthees bestehen. Die Folge ist, dass in Russland die Einfuhr des billigen Thees zu Schiff immer mehr zunimmt, während in der des Karawanenthees über Sibirien schon lange eine Abnahme bemerkt wird. Ein Zuibik, d. h. die mit Bleifolie ausgelegte, äusserlich bemalte und mit chinesischen Zeichen versehene würfelförmige Theekiste enthält gewöhnlich 60 Pfund Karawanenthee. Der schwarze Thee wird vornehmlich in den Provinzen Fukien, Kuang-tung, Hupeh, Hunan und Sz’chuan dargestellt, welch letztere Provinz auch viel grünen und Ziegelthee (für Tibet) liefert. Futscheufu und Canton sind die hervorragendsten Hafenplätze für schwarzen Thee, doch führen auch Schanghai und Ningpo neben grünem Thee beträcht- liche Mengen davon aus. Die Vorliebe der Ostasiaten für grünen Thee wird nur von den Nordamerikanern und vornehmeren Marokkanern getheilt. Unter den Theetrinkern Europas bevorzugen weitaus die meisten den schwarzen, und auch der in Japan wohnende Fremde (selbst der Theeexporteur) bezieht solchen für seinen eigenen Bedarf aus China. Der Japaner ist sich wohl bewusst, dass er hinsichtlich seines Thees, dem zweitwich- tigsten Handelsartikel, vom amerikanischen Geschmack abhängt. Aus

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/166>, abgerufen am 29.03.2024.