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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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2. Nährpflanzen.
in rothgefärbtem Pflaumenessig eingemacht und bilden eine beliebte,
doch nicht häufige Zuspeise zum Reis statt der Daikon.

46) Z. Mioga Roscoe (Amomum Mioga Thunb.), jap. Mioga. We-
niger cultiviert, als der gemeine Ingwer, liefert in ihren jungen Schöss-
lingen ein Condiment.

47) Curcuma longa L., jap. Ukon, wird ebenfalls als Condiment
in bescheidenem Umfange angebaut, während man den bekannten gel-
ben Farbstoff aus China und Indien erhält.

Die lauchartigen Condimente, "Shin", d. h. stinkende Kräu-
ter, wie sie der buddhistische Priester des chinesischen Culturkreises
nennt, haben bis jetzt keinem Culturvolke gefehlt, aber nicht bei jedem
die gleiche Bedeutung erlangt. Während z. B. der Spanier kaum eine
Fleischspeise verzehrt, die nicht mit Knoblauch gespickt wäre, und
der Russe eine rohe Zwiebel sammt ihrem grünen Schopfe wie einen
Leckerbissen betrachtet, finden wir unter den germanischen Völkern
eine solche Neigung nur ausnahmsweise gleich ausgeprägt. Die Vor-
liebe der Israeliten für Zwiebeln und Knoblauch ist bekannt und so
alt, wie ihre Geschichte. Die Zwiebel war und ist bei vielen Völkern
nicht blos Gewürz, sondern wirkliches Nahrungsmittel. Um letzteres
zu verstehen, muss man berücksichtigen, dass es neben unsern gewöhn-
lichen scharfen, zu Thränen reizenden Sorten auch solche gibt, die,
wie die rothe portugiesische, namentlich in leichtem wärmeren Boden oft
1 kg schwer werden und von angenehm süsslichem Geschmack sind,
so dass sie gekocht andere Gemüse ersetzen können.

Nach der Zwiebel nennt der Japaner die cultivierten Laucharten
wohl Negi-rui, d. h. Zwiebelgruppe. Fünf derselben, die Go-shin,
d. h. fünf scharfe, stinkende Kräuter, scheinen im Gebiet des Buddhis-
mus besonders beliebt gewesen zu sein. Ihr Genuss war und ist den
Priestern mit Ausnahme einer Secte aufs strengste verboten. Die be-
zügliche Inschrift am Eingang zu manchen ihrer Tempel und Klöster,
gewöhnlich auf einen Steinobelisk eingegraben, lautet in deutscher
Uebersetzung: "Es ist verboten, stinkende Kräuter und berauschende
Getränke durch dieses heilige Thor einzuführen".

Zu den Hauptvorwürfen, welche Nobunaga gegen die Mönche des
Hiyei-san *) anführte, gehörte der, dass sie Fische und stinkende Kräu-
ler assen und damit ihr Gesetz missachteten.

Als Go-shin gelten

48) Allium sativum L., jap. Ninniku, der Knoblauch, ein ur-
altes Culturgewächs, den alten Aegyptern und Griechen wohlbekannt

*) Siehe Rein: Japan I. pg. 309.

2. Nährpflanzen.
in rothgefärbtem Pflaumenessig eingemacht und bilden eine beliebte,
doch nicht häufige Zuspeise zum Reis statt der Daikon.

46) Z. Mioga Roscoe (Amomum Mioga Thunb.), jap. Miôga. We-
niger cultiviert, als der gemeine Ingwer, liefert in ihren jungen Schöss-
lingen ein Condiment.

47) Curcuma longa L., jap. Ukon, wird ebenfalls als Condiment
in bescheidenem Umfange angebaut, während man den bekannten gel-
ben Farbstoff aus China und Indien erhält.

Die lauchartigen Condimente, »Shin«, d. h. stinkende Kräu-
ter, wie sie der buddhistische Priester des chinesischen Culturkreises
nennt, haben bis jetzt keinem Culturvolke gefehlt, aber nicht bei jedem
die gleiche Bedeutung erlangt. Während z. B. der Spanier kaum eine
Fleischspeise verzehrt, die nicht mit Knoblauch gespickt wäre, und
der Russe eine rohe Zwiebel sammt ihrem grünen Schopfe wie einen
Leckerbissen betrachtet, finden wir unter den germanischen Völkern
eine solche Neigung nur ausnahmsweise gleich ausgeprägt. Die Vor-
liebe der Israeliten für Zwiebeln und Knoblauch ist bekannt und so
alt, wie ihre Geschichte. Die Zwiebel war und ist bei vielen Völkern
nicht blos Gewürz, sondern wirkliches Nahrungsmittel. Um letzteres
zu verstehen, muss man berücksichtigen, dass es neben unsern gewöhn-
lichen scharfen, zu Thränen reizenden Sorten auch solche gibt, die,
wie die rothe portugiesische, namentlich in leichtem wärmeren Boden oft
1 kg schwer werden und von angenehm süsslichem Geschmack sind,
so dass sie gekocht andere Gemüse ersetzen können.

Nach der Zwiebel nennt der Japaner die cultivierten Laucharten
wohl Negi-rui, d. h. Zwiebelgruppe. Fünf derselben, die Go-shin,
d. h. fünf scharfe, stinkende Kräuter, scheinen im Gebiet des Buddhis-
mus besonders beliebt gewesen zu sein. Ihr Genuss war und ist den
Priestern mit Ausnahme einer Secte aufs strengste verboten. Die be-
zügliche Inschrift am Eingang zu manchen ihrer Tempel und Klöster,
gewöhnlich auf einen Steinobelisk eingegraben, lautet in deutscher
Uebersetzung: »Es ist verboten, stinkende Kräuter und berauschende
Getränke durch dieses heilige Thor einzuführen«.

Zu den Hauptvorwürfen, welche Nobunaga gegen die Mönche des
Hiyei-san *) anführte, gehörte der, dass sie Fische und stinkende Kräu-
ler assen und damit ihr Gesetz missachteten.

Als Go-shin gelten

48) Allium sativum L., jap. Ninniku, der Knoblauch, ein ur-
altes Culturgewächs, den alten Aegyptern und Griechen wohlbekannt

*) Siehe Rein: Japan I. pg. 309.
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[89/0109] 2. Nährpflanzen. in rothgefärbtem Pflaumenessig eingemacht und bilden eine beliebte, doch nicht häufige Zuspeise zum Reis statt der Daikon. 46) Z. Mioga Roscoe (Amomum Mioga Thunb.), jap. Miôga. We- niger cultiviert, als der gemeine Ingwer, liefert in ihren jungen Schöss- lingen ein Condiment. 47) Curcuma longa L., jap. Ukon, wird ebenfalls als Condiment in bescheidenem Umfange angebaut, während man den bekannten gel- ben Farbstoff aus China und Indien erhält. Die lauchartigen Condimente, »Shin«, d. h. stinkende Kräu- ter, wie sie der buddhistische Priester des chinesischen Culturkreises nennt, haben bis jetzt keinem Culturvolke gefehlt, aber nicht bei jedem die gleiche Bedeutung erlangt. Während z. B. der Spanier kaum eine Fleischspeise verzehrt, die nicht mit Knoblauch gespickt wäre, und der Russe eine rohe Zwiebel sammt ihrem grünen Schopfe wie einen Leckerbissen betrachtet, finden wir unter den germanischen Völkern eine solche Neigung nur ausnahmsweise gleich ausgeprägt. Die Vor- liebe der Israeliten für Zwiebeln und Knoblauch ist bekannt und so alt, wie ihre Geschichte. Die Zwiebel war und ist bei vielen Völkern nicht blos Gewürz, sondern wirkliches Nahrungsmittel. Um letzteres zu verstehen, muss man berücksichtigen, dass es neben unsern gewöhn- lichen scharfen, zu Thränen reizenden Sorten auch solche gibt, die, wie die rothe portugiesische, namentlich in leichtem wärmeren Boden oft 1 kg schwer werden und von angenehm süsslichem Geschmack sind, so dass sie gekocht andere Gemüse ersetzen können. Nach der Zwiebel nennt der Japaner die cultivierten Laucharten wohl Negi-rui, d. h. Zwiebelgruppe. Fünf derselben, die Go-shin, d. h. fünf scharfe, stinkende Kräuter, scheinen im Gebiet des Buddhis- mus besonders beliebt gewesen zu sein. Ihr Genuss war und ist den Priestern mit Ausnahme einer Secte aufs strengste verboten. Die be- zügliche Inschrift am Eingang zu manchen ihrer Tempel und Klöster, gewöhnlich auf einen Steinobelisk eingegraben, lautet in deutscher Uebersetzung: »Es ist verboten, stinkende Kräuter und berauschende Getränke durch dieses heilige Thor einzuführen«. Zu den Hauptvorwürfen, welche Nobunaga gegen die Mönche des Hiyei-san *) anführte, gehörte der, dass sie Fische und stinkende Kräu- ler assen und damit ihr Gesetz missachteten. Als Go-shin gelten 48) Allium sativum L., jap. Ninniku, der Knoblauch, ein ur- altes Culturgewächs, den alten Aegyptern und Griechen wohlbekannt *) Siehe Rein: Japan I. pg. 309.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/109>, abgerufen am 24.11.2024.