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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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I. Geschichte des japanischen Volkes.
Ministerpräsident, ein Posten, den seit der Restauration der frühere
Kuge Sanjo Saneyoshi ausfüllt; 2. der Sa-Daijin (linker grosser
Minister), ein Amt, welches eine Zeit lang Shimadzu Saburo über-
tragen war, sonst unbesetzt ist; 3. der U-Daijin (rechter grosser
Minister). Der Inhaber dieses Postens und die Seele der Regierung
ist der schon oft genannte Iwakura Tomomi. Die zehn Ressort-Minister
(Kio) müssen Sagi sein; sie haben einen Tayu (älteren Viceminister)
und einen oder mehrere Shoyu (jüngere Viceminister) und ein ganzes
Heer von Unterbeamten zur Seite. Die zehn Abtheilungen der Re-
gierung sind:

1. Guwaimusho (sprich Gaimuscho), das auswärtige Amt.
2. Naimusho, das Ministerium des Innern.
3. Okurasho, das Finanzministerium.
4. Rikugunsho, das Kriegsministerium.
5. Kaigunsho, das Marineministerium.
6. Mombusho, das Unterrichtsministerium.
7. Kiyobusho, das Cultusministerium.
8. Kobusho, das Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
9. Shihosho, das Justizministerium.
10. Kunaisho, das Ministerium des kaiserlichen Haushaltes.

Hierzu kommt noch das Colonialamt, genannt Kaitakushi, für
Yezo, die Kurilen und die Bonin-Inseln.

Nach Beseitigung der Feudalherrschaften wurde das Land in 3 Fu
(Hauptstädte), 72 Ken (Regierungsbezirke), die Colonie Yezo ein-
schliesslich der Kurilen, und einen Han (Clan), die Riukiu-Inseln,
getheilt. Im Jahre 1876 fand eine Reduction jener 72 Ken auf 35
und die Umwandlung des Riukiu-han in den 36. Ken statt. (Näheres
pag. 13.) Die Leitung des Ken hat ein Beamter 4. Classe, genannt
Ken-rei (Gouverneur), mit dem Sanji (Secretär).

Als die neue Regierung nach Beseitigung des Shogunats zur
Ueberraschung Vieler die vom Bakufu mit den fremden Regierungen
abgeschlossenen Verträge nicht blos bestätigte, sondern auf fast allen
Gebieten, mit Ausnahme des religiösen, bestrebt war, die westliche
Civilisation einzuführen, trat an Stelle des alten schwerfälligen, aber
anständigen Beamtenstandes vom Bakufu vielfach ein neues Geschlecht,
die jungen Creaturen der tonangebenden Persönlichkeiten, die nament-
lich dann, wenn sie von der fremden Cultur beleckt waren, eine
europäische Sprache radbrechten und sich nach Art der Fremden zu
kleiden suchten, die besten Aussichten hatten, über erfahrene, im
Dienst ergraute Männer hinweg auf einträgliche Posten zu gelangen.
Ein ganz anderer Ton und Geist zog in die Bureaus ein, eine brüske

I. Geschichte des japanischen Volkes.
Ministerpräsident, ein Posten, den seit der Restauration der frühere
Kuge Sanjô Saneyoshi ausfüllt; 2. der Sa-Daijin (linker grosser
Minister), ein Amt, welches eine Zeit lang Shimadzu Saburô über-
tragen war, sonst unbesetzt ist; 3. der U-Daijin (rechter grosser
Minister). Der Inhaber dieses Postens und die Seele der Regierung
ist der schon oft genannte Iwakura Tomomi. Die zehn Ressort-Minister
(Kio) müssen Sagi sein; sie haben einen Tayu (älteren Viceminister)
und einen oder mehrere Shoyu (jüngere Viceminister) und ein ganzes
Heer von Unterbeamten zur Seite. Die zehn Abtheilungen der Re-
gierung sind:

1. Guwaimusho (sprich Gaimuscho), das auswärtige Amt.
2. Naimusho, das Ministerium des Innern.
3. Okurasho, das Finanzministerium.
4. Rikugunsho, das Kriegsministerium.
5. Kaigunsho, das Marineministerium.
6. Mombusho, das Unterrichtsministerium.
7. Kiyobusho, das Cultusministerium.
8. Kobusho, das Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
9. Shihosho, das Justizministerium.
10. Kunaisho, das Ministerium des kaiserlichen Haushaltes.

Hierzu kommt noch das Colonialamt, genannt Kaitakushi, für
Yezo, die Kurilen und die Bonin-Inseln.

Nach Beseitigung der Feudalherrschaften wurde das Land in 3 Fu
(Hauptstädte), 72 Ken (Regierungsbezirke), die Colonie Yezo ein-
schliesslich der Kurilen, und einen Han (Clan), die Riukiu-Inseln,
getheilt. Im Jahre 1876 fand eine Reduction jener 72 Ken auf 35
und die Umwandlung des Riukiu-han in den 36. Ken statt. (Näheres
pag. 13.) Die Leitung des Ken hat ein Beamter 4. Classe, genannt
Ken-rei (Gouverneur), mit dem Sanji (Secretär).

Als die neue Regierung nach Beseitigung des Shôgunats zur
Ueberraschung Vieler die vom Bakufu mit den fremden Regierungen
abgeschlossenen Verträge nicht blos bestätigte, sondern auf fast allen
Gebieten, mit Ausnahme des religiösen, bestrebt war, die westliche
Civilisation einzuführen, trat an Stelle des alten schwerfälligen, aber
anständigen Beamtenstandes vom Bakufu vielfach ein neues Geschlecht,
die jungen Creaturen der tonangebenden Persönlichkeiten, die nament-
lich dann, wenn sie von der fremden Cultur beleckt waren, eine
europäische Sprache radbrechten und sich nach Art der Fremden zu
kleiden suchten, die besten Aussichten hatten, über erfahrene, im
Dienst ergraute Männer hinweg auf einträgliche Posten zu gelangen.
Ein ganz anderer Ton und Geist zog in die Bureaus ein, eine brüske

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[436/0464] I. Geschichte des japanischen Volkes. Ministerpräsident, ein Posten, den seit der Restauration der frühere Kuge Sanjô Saneyoshi ausfüllt; 2. der Sa-Daijin (linker grosser Minister), ein Amt, welches eine Zeit lang Shimadzu Saburô über- tragen war, sonst unbesetzt ist; 3. der U-Daijin (rechter grosser Minister). Der Inhaber dieses Postens und die Seele der Regierung ist der schon oft genannte Iwakura Tomomi. Die zehn Ressort-Minister (Kio) müssen Sagi sein; sie haben einen Tayu (älteren Viceminister) und einen oder mehrere Shoyu (jüngere Viceminister) und ein ganzes Heer von Unterbeamten zur Seite. Die zehn Abtheilungen der Re- gierung sind: 1. Guwaimusho (sprich Gaimuscho), das auswärtige Amt. 2. Naimusho, das Ministerium des Innern. 3. Okurasho, das Finanzministerium. 4. Rikugunsho, das Kriegsministerium. 5. Kaigunsho, das Marineministerium. 6. Mombusho, das Unterrichtsministerium. 7. Kiyobusho, das Cultusministerium. 8. Kobusho, das Ministerium der öffentlichen Arbeiten. 9. Shihosho, das Justizministerium. 10. Kunaisho, das Ministerium des kaiserlichen Haushaltes. Hierzu kommt noch das Colonialamt, genannt Kaitakushi, für Yezo, die Kurilen und die Bonin-Inseln. Nach Beseitigung der Feudalherrschaften wurde das Land in 3 Fu (Hauptstädte), 72 Ken (Regierungsbezirke), die Colonie Yezo ein- schliesslich der Kurilen, und einen Han (Clan), die Riukiu-Inseln, getheilt. Im Jahre 1876 fand eine Reduction jener 72 Ken auf 35 und die Umwandlung des Riukiu-han in den 36. Ken statt. (Näheres pag. 13.) Die Leitung des Ken hat ein Beamter 4. Classe, genannt Ken-rei (Gouverneur), mit dem Sanji (Secretär). Als die neue Regierung nach Beseitigung des Shôgunats zur Ueberraschung Vieler die vom Bakufu mit den fremden Regierungen abgeschlossenen Verträge nicht blos bestätigte, sondern auf fast allen Gebieten, mit Ausnahme des religiösen, bestrebt war, die westliche Civilisation einzuführen, trat an Stelle des alten schwerfälligen, aber anständigen Beamtenstandes vom Bakufu vielfach ein neues Geschlecht, die jungen Creaturen der tonangebenden Persönlichkeiten, die nament- lich dann, wenn sie von der fremden Cultur beleckt waren, eine europäische Sprache radbrechten und sich nach Art der Fremden zu kleiden suchten, die besten Aussichten hatten, über erfahrene, im Dienst ergraute Männer hinweg auf einträgliche Posten zu gelangen. Ein ganz anderer Ton und Geist zog in die Bureaus ein, eine brüske

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/464>, abgerufen am 22.11.2024.