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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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II. Küstengestaltung, Meerestheile, Strömungen.
des herrschenden Windes entspricht, in keiner Weise auf den Japa-
nischen Strom.

Der Kuro-shiwo wurde schon von dem holländischen Seefahrer
Vries im Jahre 1643 auf seiner Reise mit dem Schiffe Castricum
beobachtet*) und wird auch von vielen späteren Entdeckungsreisen-
den, insbesondere von Broughton und Krusenstern, erwähnt.
Unsere genaueren Kenntnisse über den ganzen Verlauf desselben da-
tieren jedoch erst aus der Zeit der Perry-Expedition, von der ab
die früher wenig gekannten japanischen Gewässer von Kriegs- und
Handelsschiffen nach allen Richtungen gekreuzt wurden.

Vergleichen wir den Kuro-shiwo mit dem Atlantischen Golfstrom,
so tritt eine grosse Aehnlichkeit beider hervor. Wie der Golfstrom
der äquatorialen Strömung im Atlantischen Ocean und der vorge-
lagerten centralamerikanischen Küste sein Dasein, der Küstengestal-
tung Nordamerikas, der Achsendrehung der Erde und im weiteren
Verlauf auch dem Südwestpassat seine Richtung und weite Erstreckung
verdankt, so ist auch der Ursprung des Japanischen Stromes der
Aequatorialströmung des Stillen Oceans und der eigenthümlichen
Küstenbildung Ostasiens zuzuschreiben und sein Verlauf auf die Dre-
hung der Erde und die Einwirkung der Monsune zurückzuführen.
Aber während der grösste Theil des Golfwassers endlich zwischen
Nordeuropa und Spitzbergen in die arktische Region eintritt, wird
der Kuro-shiwo durch die vulkanische Kette von Yezo bis Kam-
tschatka
und von hier über die Aleuten und Alaschka nach
dem amerikanischen Festlande von dem Eintritt in das Berings- und
Polar-Meer ausgeschlossen. Der Norden des Stillen Oceans ist eben
in viel höherem Maasse ein Cul de Sac als derjenige des Atlantischen
Meeres, wie ein Blick auf seine viel geschlosseneren Umrisse zeigt;
denn hier ist die schmale und nur 180 Fuss tiefe Berings-Strasse
das einzige Verbindungsglied mit dem Eismeer. Das Paläocrystische
Meer des hohen Nordens, als Quell der kalten arktischen Ströme, sen-
det seine Eismassen wohl ungehindert sowohl durch Smithsound als
auch der Ostküste Grönlands entlang südwärts, aber durch die Beh-
rings-Strasse gelangt nur wenig Polareis in den Stillen Ocean, und
der Kuro-shiwo begegnet keinen Eisbergen, wie der Golfstrom. Bis
zu 500 Faden Tiefe lässt sich auch das wärmere Wasser des Kuro-
shiwo verfolgen, aber es bleibt in jeder Tiefenlage etwa 2--3° in der
Temperatur hinter der des Golfstrom in gleicher geogr. Breite und Tiefe

*) Reize van Maarten Gerritz Vries in 1643 naar het noorden en oosten
van Japan. Uitgegeven door P. A. Leupe. Amsterdam 1858.

II. Küstengestaltung, Meerestheile, Strömungen.
des herrschenden Windes entspricht, in keiner Weise auf den Japa-
nischen Strom.

Der Kuro-shiwo wurde schon von dem holländischen Seefahrer
Vries im Jahre 1643 auf seiner Reise mit dem Schiffe Castricum
beobachtet*) und wird auch von vielen späteren Entdeckungsreisen-
den, insbesondere von Broughton und Krusenstern, erwähnt.
Unsere genaueren Kenntnisse über den ganzen Verlauf desselben da-
tieren jedoch erst aus der Zeit der Perry-Expedition, von der ab
die früher wenig gekannten japanischen Gewässer von Kriegs- und
Handelsschiffen nach allen Richtungen gekreuzt wurden.

Vergleichen wir den Kuro-shiwo mit dem Atlantischen Golfstrom,
so tritt eine grosse Aehnlichkeit beider hervor. Wie der Golfstrom
der äquatorialen Strömung im Atlantischen Ocean und der vorge-
lagerten centralamerikanischen Küste sein Dasein, der Küstengestal-
tung Nordamerikas, der Achsendrehung der Erde und im weiteren
Verlauf auch dem Südwestpassat seine Richtung und weite Erstreckung
verdankt, so ist auch der Ursprung des Japanischen Stromes der
Aequatorialströmung des Stillen Oceans und der eigenthümlichen
Küstenbildung Ostasiens zuzuschreiben und sein Verlauf auf die Dre-
hung der Erde und die Einwirkung der Monsune zurückzuführen.
Aber während der grösste Theil des Golfwassers endlich zwischen
Nordeuropa und Spitzbergen in die arktische Region eintritt, wird
der Kuro-shiwo durch die vulkanische Kette von Yezo bis Kam-
tschatka
und von hier über die Aleuten und Alaschka nach
dem amerikanischen Festlande von dem Eintritt in das Berings- und
Polar-Meer ausgeschlossen. Der Norden des Stillen Oceans ist eben
in viel höherem Maasse ein Cul de Sac als derjenige des Atlantischen
Meeres, wie ein Blick auf seine viel geschlosseneren Umrisse zeigt;
denn hier ist die schmale und nur 180 Fuss tiefe Berings-Strasse
das einzige Verbindungsglied mit dem Eismeer. Das Paläocrystische
Meer des hohen Nordens, als Quell der kalten arktischen Ströme, sen-
det seine Eismassen wohl ungehindert sowohl durch Smithsound als
auch der Ostküste Grönlands entlang südwärts, aber durch die Beh-
rings-Strasse gelangt nur wenig Polareis in den Stillen Ocean, und
der Kuro-shiwo begegnet keinen Eisbergen, wie der Golfstrom. Bis
zu 500 Faden Tiefe lässt sich auch das wärmere Wasser des Kuro-
shiwo verfolgen, aber es bleibt in jeder Tiefenlage etwa 2—3° in der
Temperatur hinter der des Golfstrom in gleicher geogr. Breite und Tiefe

*) Reize van Maarten Gerritz Vries in 1643 naar het noorden en oosten
van Japan. Uitgegeven door P. A. Leupe. Amsterdam 1858.
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[26/0046] II. Küstengestaltung, Meerestheile, Strömungen. des herrschenden Windes entspricht, in keiner Weise auf den Japa- nischen Strom. Der Kuro-shiwo wurde schon von dem holländischen Seefahrer Vries im Jahre 1643 auf seiner Reise mit dem Schiffe Castricum beobachtet *) und wird auch von vielen späteren Entdeckungsreisen- den, insbesondere von Broughton und Krusenstern, erwähnt. Unsere genaueren Kenntnisse über den ganzen Verlauf desselben da- tieren jedoch erst aus der Zeit der Perry-Expedition, von der ab die früher wenig gekannten japanischen Gewässer von Kriegs- und Handelsschiffen nach allen Richtungen gekreuzt wurden. Vergleichen wir den Kuro-shiwo mit dem Atlantischen Golfstrom, so tritt eine grosse Aehnlichkeit beider hervor. Wie der Golfstrom der äquatorialen Strömung im Atlantischen Ocean und der vorge- lagerten centralamerikanischen Küste sein Dasein, der Küstengestal- tung Nordamerikas, der Achsendrehung der Erde und im weiteren Verlauf auch dem Südwestpassat seine Richtung und weite Erstreckung verdankt, so ist auch der Ursprung des Japanischen Stromes der Aequatorialströmung des Stillen Oceans und der eigenthümlichen Küstenbildung Ostasiens zuzuschreiben und sein Verlauf auf die Dre- hung der Erde und die Einwirkung der Monsune zurückzuführen. Aber während der grösste Theil des Golfwassers endlich zwischen Nordeuropa und Spitzbergen in die arktische Region eintritt, wird der Kuro-shiwo durch die vulkanische Kette von Yezo bis Kam- tschatka und von hier über die Aleuten und Alaschka nach dem amerikanischen Festlande von dem Eintritt in das Berings- und Polar-Meer ausgeschlossen. Der Norden des Stillen Oceans ist eben in viel höherem Maasse ein Cul de Sac als derjenige des Atlantischen Meeres, wie ein Blick auf seine viel geschlosseneren Umrisse zeigt; denn hier ist die schmale und nur 180 Fuss tiefe Berings-Strasse das einzige Verbindungsglied mit dem Eismeer. Das Paläocrystische Meer des hohen Nordens, als Quell der kalten arktischen Ströme, sen- det seine Eismassen wohl ungehindert sowohl durch Smithsound als auch der Ostküste Grönlands entlang südwärts, aber durch die Beh- rings-Strasse gelangt nur wenig Polareis in den Stillen Ocean, und der Kuro-shiwo begegnet keinen Eisbergen, wie der Golfstrom. Bis zu 500 Faden Tiefe lässt sich auch das wärmere Wasser des Kuro- shiwo verfolgen, aber es bleibt in jeder Tiefenlage etwa 2—3° in der Temperatur hinter der des Golfstrom in gleicher geogr. Breite und Tiefe *) Reize van Maarten Gerritz Vries in 1643 naar het noorden en oosten van Japan. Uitgegeven door P. A. Leupe. Amsterdam 1858.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/46>, abgerufen am 24.04.2024.