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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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I. Geschichte des japanischen Volkes.
Japanern geschwunden. Satsuma hatte bereits den neuen englischen
Gesandten, Sir Harry Parkes, nach Kagoshima eingeladen und festlich
bewirthet und auch mit andern fremden Vertretern freundlichen Ver-
kehr angeknüpft und der Mikado die Verträge mit den Fremden be-
stätigt. Bemerkenswerth ist ein Memorandum, welches der Daimio
von Echizen schon ein Jahr zuvor (1865) an den Mikado zu Gunsten
der Fremden gerichtet hatte und aus dem einige Stellen hier Platz
finden mögen: "Westliche Fremde heutiges Tages unterscheiden sich
wesentlich von solchen früherer Zeit. Sie sind viel gebildeter und
liberaler. ... Das Land wieder abzuschliessen und die Fremden zu
vertreiben, wäre ein positives Uebel. Ueberdies giebt es fünf grosse
und mächtige Continente, und selbst wenn ganz Japan vereinigt wäre,
würde es ein ungleicher Kampf sein, die Fremden zu vertreiben.
Japan würde in Stücke zerschlagen werden, wie ein Dachziegel. ...
Das Geschrei, die Fremden zu vertreiben, geht von Solchen aus,
welche sie nicht kennen. ..."

Nun ging alles Streben der einen Partei darauf hinaus, die Herr-
schaft des Mikado herzustellen, und der andern, sie dem Shogun aus
dem Hause Tokugawa zu erhalten. Beide bemühten sich um die
Gunst der Fremden, importierten Kriegsmaterial und sahen sich um
nach fremden Instructoren. Die japanische Jugend wurde nach Naga-
saki und Yokohama gesandt und lernte von Missionaren und andern
fremden Lehrern mit Eifer englisch und andere europäische Sprachen:
das Verbot, das Land zu verlassen, wurde aufgehoben und mancher
Jüngling ins Ausland geschickt, um die westliche Civilisation zu lernen.
Die ersten Jünger derselben kamen um diese Zeit nach einem fünf-
jährigen Aufenthalte, den sie auf Wunsch des Bakufu in Holland
und England genommen hatten, zurück und zwar an Bord eines für
den Shogun gekauften Dampfers, des Kaiyo Maru, unter Befehl
des Enomoto Kamajiro, der jetzt Admiral ist. In Folge all
dieser günstigen Beziehungen zu den Fremden fanden sich die be-
treffenden Mächte bewogen, die Shimonoseki-Indemnität auf die Hälfte
zu reducieren.

Der Anfang des Jahres 1867 brachte den Tod des Mikado Komei
Tenno
am 3. Februar. Ihm folgte sein Sohn Mutsuhito als 121.
(nach anderer Zählung 123.) Herrscher Japans *). Bald darauf lud der
neue Shogun fünf der hervorragendsten Daimio zu einer Berathung nach

*) Derselbe wurde am 3. November 1850 geboren, war also bei der Thron-
besteigung erst 161/2 Jahre alt. Im darauf folgenden Jahre heirathete er Haruko,
die edle und erleuchtete Tochter des Ichicho Tadaka, eines Kuge von hohem
Range.

I. Geschichte des japanischen Volkes.
Japanern geschwunden. Satsuma hatte bereits den neuen englischen
Gesandten, Sir Harry Parkes, nach Kagoshima eingeladen und festlich
bewirthet und auch mit andern fremden Vertretern freundlichen Ver-
kehr angeknüpft und der Mikado die Verträge mit den Fremden be-
stätigt. Bemerkenswerth ist ein Memorandum, welches der Daimio
von Echizen schon ein Jahr zuvor (1865) an den Mikado zu Gunsten
der Fremden gerichtet hatte und aus dem einige Stellen hier Platz
finden mögen: »Westliche Fremde heutiges Tages unterscheiden sich
wesentlich von solchen früherer Zeit. Sie sind viel gebildeter und
liberaler. … Das Land wieder abzuschliessen und die Fremden zu
vertreiben, wäre ein positives Uebel. Ueberdies giebt es fünf grosse
und mächtige Continente, und selbst wenn ganz Japan vereinigt wäre,
würde es ein ungleicher Kampf sein, die Fremden zu vertreiben.
Japan würde in Stücke zerschlagen werden, wie ein Dachziegel. …
Das Geschrei, die Fremden zu vertreiben, geht von Solchen aus,
welche sie nicht kennen. …«

Nun ging alles Streben der einen Partei darauf hinaus, die Herr-
schaft des Mikado herzustellen, und der andern, sie dem Shôgun aus
dem Hause Tokugawa zu erhalten. Beide bemühten sich um die
Gunst der Fremden, importierten Kriegsmaterial und sahen sich um
nach fremden Instructoren. Die japanische Jugend wurde nach Naga-
saki und Yokohama gesandt und lernte von Missionaren und andern
fremden Lehrern mit Eifer englisch und andere europäische Sprachen:
das Verbot, das Land zu verlassen, wurde aufgehoben und mancher
Jüngling ins Ausland geschickt, um die westliche Civilisation zu lernen.
Die ersten Jünger derselben kamen um diese Zeit nach einem fünf-
jährigen Aufenthalte, den sie auf Wunsch des Bakufu in Holland
und England genommen hatten, zurück und zwar an Bord eines für
den Shôgun gekauften Dampfers, des Kaiyo Maru, unter Befehl
des Enomoto Kamajirô, der jetzt Admiral ist. In Folge all
dieser günstigen Beziehungen zu den Fremden fanden sich die be-
treffenden Mächte bewogen, die Shimonoseki-Indemnität auf die Hälfte
zu reducieren.

Der Anfang des Jahres 1867 brachte den Tod des Mikado Kômei
Tennô
am 3. Februar. Ihm folgte sein Sohn Mutsuhito als 121.
(nach anderer Zählung 123.) Herrscher Japans *). Bald darauf lud der
neue Shôgun fünf der hervorragendsten Daimio zu einer Berathung nach

*) Derselbe wurde am 3. November 1850 geboren, war also bei der Thron-
besteigung erst 16½ Jahre alt. Im darauf folgenden Jahre heirathete er Haruko,
die edle und erleuchtete Tochter des Ichichô Tadaka, eines Kuge von hohem
Range.
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[408/0436] I. Geschichte des japanischen Volkes. Japanern geschwunden. Satsuma hatte bereits den neuen englischen Gesandten, Sir Harry Parkes, nach Kagoshima eingeladen und festlich bewirthet und auch mit andern fremden Vertretern freundlichen Ver- kehr angeknüpft und der Mikado die Verträge mit den Fremden be- stätigt. Bemerkenswerth ist ein Memorandum, welches der Daimio von Echizen schon ein Jahr zuvor (1865) an den Mikado zu Gunsten der Fremden gerichtet hatte und aus dem einige Stellen hier Platz finden mögen: »Westliche Fremde heutiges Tages unterscheiden sich wesentlich von solchen früherer Zeit. Sie sind viel gebildeter und liberaler. … Das Land wieder abzuschliessen und die Fremden zu vertreiben, wäre ein positives Uebel. Ueberdies giebt es fünf grosse und mächtige Continente, und selbst wenn ganz Japan vereinigt wäre, würde es ein ungleicher Kampf sein, die Fremden zu vertreiben. Japan würde in Stücke zerschlagen werden, wie ein Dachziegel. … Das Geschrei, die Fremden zu vertreiben, geht von Solchen aus, welche sie nicht kennen. …« Nun ging alles Streben der einen Partei darauf hinaus, die Herr- schaft des Mikado herzustellen, und der andern, sie dem Shôgun aus dem Hause Tokugawa zu erhalten. Beide bemühten sich um die Gunst der Fremden, importierten Kriegsmaterial und sahen sich um nach fremden Instructoren. Die japanische Jugend wurde nach Naga- saki und Yokohama gesandt und lernte von Missionaren und andern fremden Lehrern mit Eifer englisch und andere europäische Sprachen: das Verbot, das Land zu verlassen, wurde aufgehoben und mancher Jüngling ins Ausland geschickt, um die westliche Civilisation zu lernen. Die ersten Jünger derselben kamen um diese Zeit nach einem fünf- jährigen Aufenthalte, den sie auf Wunsch des Bakufu in Holland und England genommen hatten, zurück und zwar an Bord eines für den Shôgun gekauften Dampfers, des Kaiyo Maru, unter Befehl des Enomoto Kamajirô, der jetzt Admiral ist. In Folge all dieser günstigen Beziehungen zu den Fremden fanden sich die be- treffenden Mächte bewogen, die Shimonoseki-Indemnität auf die Hälfte zu reducieren. Der Anfang des Jahres 1867 brachte den Tod des Mikado Kômei Tennô am 3. Februar. Ihm folgte sein Sohn Mutsuhito als 121. (nach anderer Zählung 123.) Herrscher Japans *). Bald darauf lud der neue Shôgun fünf der hervorragendsten Daimio zu einer Berathung nach *) Derselbe wurde am 3. November 1850 geboren, war also bei der Thron- besteigung erst 16½ Jahre alt. Im darauf folgenden Jahre heirathete er Haruko, die edle und erleuchtete Tochter des Ichichô Tadaka, eines Kuge von hohem Range.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/436>, abgerufen am 23.11.2024.