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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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5. Periode. Von Nobunaga bis auf Iyeyasu, oder Zeit der Usurpatoren etc.

Die eigenthümlichste unter den vielen Trophäen, welche man aus
Korea mitbrachte, bestand in den abgeschnittenen Ohren mehrerer
Tausend gefallener Feinde. Sonst war es Sitte, dem getödteten
Gegner den Kopf abzuschneiden und ihn im Triumphe mitzuführen,
wie dies auch die halbcivilisierten Völker der Balkanhalbinsel ge-
wohnt sind; in Korea aber schnitt man ihm mit Rücksicht auf die
Entfernung von der Heimath nur die Ohren ab und salzte sie ein.
Diese Tausende von Ohren getödteter Koreaner wurden in Kioto be-
graben. Auf dem darüber aufgehäuften Erdhügel erhob sich ein
steinernes Denkmal, Mimidzuka (Ohrmonument) genannt, welches noch
heutiges Tages zur Erinnerung an jene Zeit besteht.

Verschiedene Fürsten von Kiushiu, wie Satsuma und Hizen,
brachten ihren Herrschaften werthvollere Andenken an die grosse
Expedition mit, koreanische Töpfer nämlich, welche von ihnen die
Rechte von Samurai erhielten und angesiedelt wurden, um die be-
rühmt gewordene Porzellan- und Fayance-Industrie einzuführen. In
Arita und zu Naheshirogawa oder Tsuboya, dem "Koreanerdorfe" in
Satsuma, leben noch Nachkommen derselben. Auch nach Kioto,
Hagi in Nagato und anderen Städten hatte man während des Krieges
Koreaner gebracht, um durch dieselben die feinere Keramik zu ver-
breiten.

In das letzte Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts, die Zeit der un-
bestrittenen Macht des Taiko-sama, fallen neben der Expedition gegen
Korea und China noch einige andere bemerkenswerthe Ereignisse,
welche hier kurz erwähnt werden müssen. Es sind dies der Tod des
Hidetsugu und die ersten Christenverfolgungen.

Es wurde bereits früher hervorgehoben, dass Hideyoshi in Er-
mangelung eigener Kinder seinen Neffen Hidetsugu adoptierte und im
Jahre 1591, als er im Begriffe stand, selbst an der Spitze der Armee
nach Korea zu gehen, demselben das Amt des Kuwambaku über-
tragen liess. Diesen Schritt scheint er bereut zu haben, und zwar
vom Jahre 1592 ab, als ihm eine seiner vornehmsten Frauen, die
Prinzessin Azai von Omi, Tochter des Shibata Katsuye, einen Sohn
schenkte, den er Hideyori nannte *). Bei der Habsucht und dem
unbegrenzten Ehrgeize, welche ihn beherrschten, gab es bald Ge-
legenheiten, durch welche Hidetsugu seine Eifersucht wachrief. Der-
selben folgten Zeichen des gegenseitigen Misstrauens und Vorsichts-
massregeln verschiedener Art, welche bewiesen, dass Onkel und Neffe

*) Man war allgemein der Ansicht, dass Hideyori eigentlich einen anderen
Vater hatte, doch sah ihn Taiko-sama selbst für seinen legitimen Sohn an.
5. Periode. Von Nobunaga bis auf Iyeyasu, oder Zeit der Usurpatoren etc.

Die eigenthümlichste unter den vielen Trophäen, welche man aus
Korea mitbrachte, bestand in den abgeschnittenen Ohren mehrerer
Tausend gefallener Feinde. Sonst war es Sitte, dem getödteten
Gegner den Kopf abzuschneiden und ihn im Triumphe mitzuführen,
wie dies auch die halbcivilisierten Völker der Balkanhalbinsel ge-
wohnt sind; in Korea aber schnitt man ihm mit Rücksicht auf die
Entfernung von der Heimath nur die Ohren ab und salzte sie ein.
Diese Tausende von Ohren getödteter Koreaner wurden in Kiôto be-
graben. Auf dem darüber aufgehäuften Erdhügel erhob sich ein
steinernes Denkmal, Mimidzuka (Ohrmonument) genannt, welches noch
heutiges Tages zur Erinnerung an jene Zeit besteht.

Verschiedene Fürsten von Kiushiu, wie Satsuma und Hizen,
brachten ihren Herrschaften werthvollere Andenken an die grosse
Expedition mit, koreanische Töpfer nämlich, welche von ihnen die
Rechte von Samurai erhielten und angesiedelt wurden, um die be-
rühmt gewordene Porzellan- und Fayance-Industrie einzuführen. In
Arita und zu Naheshirogawa oder Tsuboya, dem »Koreanerdorfe« in
Satsuma, leben noch Nachkommen derselben. Auch nach Kiôto,
Hagi in Nagato und anderen Städten hatte man während des Krieges
Koreaner gebracht, um durch dieselben die feinere Keramik zu ver-
breiten.

In das letzte Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts, die Zeit der un-
bestrittenen Macht des Taikô-sama, fallen neben der Expedition gegen
Korea und China noch einige andere bemerkenswerthe Ereignisse,
welche hier kurz erwähnt werden müssen. Es sind dies der Tod des
Hidetsugu und die ersten Christenverfolgungen.

Es wurde bereits früher hervorgehoben, dass Hideyoshi in Er-
mangelung eigener Kinder seinen Neffen Hidetsugu adoptierte und im
Jahre 1591, als er im Begriffe stand, selbst an der Spitze der Armee
nach Korea zu gehen, demselben das Amt des Kuwambaku über-
tragen liess. Diesen Schritt scheint er bereut zu haben, und zwar
vom Jahre 1592 ab, als ihm eine seiner vornehmsten Frauen, die
Prinzessin Azai von Ômi, Tochter des Shibata Katsuye, einen Sohn
schenkte, den er Hideyori nannte *). Bei der Habsucht und dem
unbegrenzten Ehrgeize, welche ihn beherrschten, gab es bald Ge-
legenheiten, durch welche Hidetsugu seine Eifersucht wachrief. Der-
selben folgten Zeichen des gegenseitigen Misstrauens und Vorsichts-
massregeln verschiedener Art, welche bewiesen, dass Onkel und Neffe

*) Man war allgemein der Ansicht, dass Hideyori eigentlich einen anderen
Vater hatte, doch sah ihn Taikô-sama selbst für seinen legitimen Sohn an.
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[333/0359] 5. Periode. Von Nobunaga bis auf Iyeyasu, oder Zeit der Usurpatoren etc. Die eigenthümlichste unter den vielen Trophäen, welche man aus Korea mitbrachte, bestand in den abgeschnittenen Ohren mehrerer Tausend gefallener Feinde. Sonst war es Sitte, dem getödteten Gegner den Kopf abzuschneiden und ihn im Triumphe mitzuführen, wie dies auch die halbcivilisierten Völker der Balkanhalbinsel ge- wohnt sind; in Korea aber schnitt man ihm mit Rücksicht auf die Entfernung von der Heimath nur die Ohren ab und salzte sie ein. Diese Tausende von Ohren getödteter Koreaner wurden in Kiôto be- graben. Auf dem darüber aufgehäuften Erdhügel erhob sich ein steinernes Denkmal, Mimidzuka (Ohrmonument) genannt, welches noch heutiges Tages zur Erinnerung an jene Zeit besteht. Verschiedene Fürsten von Kiushiu, wie Satsuma und Hizen, brachten ihren Herrschaften werthvollere Andenken an die grosse Expedition mit, koreanische Töpfer nämlich, welche von ihnen die Rechte von Samurai erhielten und angesiedelt wurden, um die be- rühmt gewordene Porzellan- und Fayance-Industrie einzuführen. In Arita und zu Naheshirogawa oder Tsuboya, dem »Koreanerdorfe« in Satsuma, leben noch Nachkommen derselben. Auch nach Kiôto, Hagi in Nagato und anderen Städten hatte man während des Krieges Koreaner gebracht, um durch dieselben die feinere Keramik zu ver- breiten. In das letzte Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts, die Zeit der un- bestrittenen Macht des Taikô-sama, fallen neben der Expedition gegen Korea und China noch einige andere bemerkenswerthe Ereignisse, welche hier kurz erwähnt werden müssen. Es sind dies der Tod des Hidetsugu und die ersten Christenverfolgungen. Es wurde bereits früher hervorgehoben, dass Hideyoshi in Er- mangelung eigener Kinder seinen Neffen Hidetsugu adoptierte und im Jahre 1591, als er im Begriffe stand, selbst an der Spitze der Armee nach Korea zu gehen, demselben das Amt des Kuwambaku über- tragen liess. Diesen Schritt scheint er bereut zu haben, und zwar vom Jahre 1592 ab, als ihm eine seiner vornehmsten Frauen, die Prinzessin Azai von Ômi, Tochter des Shibata Katsuye, einen Sohn schenkte, den er Hideyori nannte *). Bei der Habsucht und dem unbegrenzten Ehrgeize, welche ihn beherrschten, gab es bald Ge- legenheiten, durch welche Hidetsugu seine Eifersucht wachrief. Der- selben folgten Zeichen des gegenseitigen Misstrauens und Vorsichts- massregeln verschiedener Art, welche bewiesen, dass Onkel und Neffe *) Man war allgemein der Ansicht, dass Hideyori eigentlich einen anderen Vater hatte, doch sah ihn Taikô-sama selbst für seinen legitimen Sohn an.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/359>, abgerufen am 21.06.2024.